Britische Seenotretter im Ärmelkanal.
Bildrechte: dpa-Bildfunk/Gareth Fuller

Bei einem Bootsunglück auf dem Ärmelkanal sind am frühen Morgen mindestens sechs Migranten auf dem Weg nach Großbritannien ums Leben gekommen.

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Flüchtlingsboot im Ärmelkanal gekentert - Sechs Menschen sterben

Im Ärmelkanal ist ein völlig überladenes Flüchtlingsboot gekentert. Mindestens sechs Menschen kamen dabei ums Leben. Und es wird mit weiteren Opfern gerechnet - eine Suchaktion läuft.

Über dieses Thema berichtet: BAYERN 3-Nachrichten am .

Immer wieder wagen sich Migrantinnen und Migranten auf die gefährliche Überfahrt von Frankreich nach Großbritannien. Nun ist ein vollbesetztes Boot im Ärmelkanal gekentert und gesunken. Mindestens sechs Menschen starben dabei. Und es werden noch weitere Todesopfer befürchtet - zwei Menschen wurden am Samstagabend noch vermisst.

Bei der Suche nach den Vermissten seien zwei französische Schiffe, ein Helikopter sowie ein Flugzeug vor dem nahe Calais gelegenen Ort Sangatte im Einsatz, hieß es von der französischen Staatsanwaltschaft. Zuvor hatten die französischen Behörden von bis zu zehn Vermissten gesprochen.

Zeugin: "Es waren zu viele auf dem Boot"

Etwa 59 Menschen konnten laut der französischen Staatsanwaltschaft von französischen und britischen Schiffen gerettet werden. Unter ihnen sei auch eine Frau gewesen, sagte Anne Thorel, eine Freiwillige, die auf einem der Rettungsboote war. Diese habe die verzweifelten Bemühungen der Migranten geschildert, mit ihren Schuhen Wasser aus ihrem sinkenden Schiff zu pumpen. "Es waren zu viele von ihnen auf dem Boot."

Ein AFP-Reporter beobachtete in Calais, wie mehrere der Geretteten von einem Patrouillenboot aus an Land gingen. Sieben leicht Verletzte wurden nach der Ankunft in ein Krankenhaus gebracht, die anderen vor Ort von der Polizei angehört.

Zahl der Todesopfer könnte weiter steigen

Frankreichs Premierministerin Elisabeth Borne sprach in den sozialen Medien ihr Mitgefühl aus. Sie gedenke der Opfer. Auch die britische Innenministerin Suella Braverman erklärte, sie sei in Gedanken und Gebeten bei den Opfern.

Die französische Staatsanwaltschaft leitete derweil Untersuchungen ein. Ihren Angaben zufolge haben alle Toten die afghanische Staatsangehörigkeit. An Bord hätten sich aber auch Menschen aus dem Sudan befunden.

Britische und französische Behörden arbeiten zusammen

Gegen sechs Uhr früh sei eine umfassende Hilfsmission gestartet worden, als Dutzende Boote gleichzeitig die Überfahrt versucht hätten, sagte der örtliche Bürgermeister, Franck Dhersin. "Mehrere Boote hatten ernsthafte Schwierigkeiten."

Zuvor hatte ein Patrouillenschiff gemeldet, dass ein Boot vor Sangatte gesunken sei. Drei französische Schiffe, ein Hubschrauber und ein Flugzeug durchkämmten das Gebiet um die Unglücksstelle. Von britischer Seite waren zwei Schiffe im Einsatz. Die britische Küstenwache teilte mit, sie habe bei dem Untergang eines anderen Bootes alle Insassen retten können.

Überfahrten zuletzt stark gestiegen

Zuletzt hatten Geflüchtete häufiger versucht, in kleinen Schlauchbooten den Ärmelkanal zu überqueren. Die französischen Behörden beobachteten, dass vor allem seit Donnerstag, als milderes Wetter einsetzte, deutlich mehr Menschen versuchen, per Boot Großbritannien zu erreichen. Nach Angaben der britischen Behörden kamen allein am Donnerstag 755 Menschen an - die höchste Zahl an einem Tag in diesem Jahr.

Dennoch sank die Zahl der Menschen, die in kleinen Booten über den Ärmelkanal nach Großbritannien fuhren, im Vergleich zum Vorjahr um 15 Prozent. Bis Donnerstag wurden im bisherigen Jahresverlauf 15.826 eintreffende Migranten gezählt, verglichen mit 18.600 zu diesem Zeitpunkt im vergangenen Jahr. Seit Beginn der Aufzeichnungen Anfang 2018 waren es laut der Nachrichtenagentur AP damit 100.715 Geflüchtete.

Ärmelkanal gilt als gefährliche Schlepperroute

Der Ärmelkanal zwischen Frankreich und Großbritannien ist einer der verkehrsreichsten Schifffahrtswege der Welt - viele große Frachter und Tanker nutzen den Meeresarm. Außerdem gibt es starke Strömungen. Die Überfahrt mit kleinen Booten ist daher sehr gefährlich. Immer wieder verlieren Menschen deshalb ihr Leben. Hinzu kommt, dass Schlepperbande die klapprigen Schlauchboote meist überladen, sodass sie kaum über Wasser bleiben und anfällig sind, zu kentern.

Großbritannien setzt auf restriktive Asylpolitik

Die konservative Regierung von Premierminister Rishi Sunak in Großbritannien versucht, die Migranten mit einer restriktiven Asylpolitik abzuhalten. Sie drohte jüngst sogar mit lebenslanger Haft für Anwälte, die Migranten bei der Fälschung von Asylanträgen helfen. Sunak hat es zu einem seiner zentralen Ziele erklärt, die Boote zu stoppen - bisher ohne Erfolg. Die Konservativen hatten angekündigt, mit dem Brexit werde die Migration nachlassen. Allerdings gibt es seitdem kein Rücknahmeabkommen mehr mit der EU.

Mit Informationen von dpa, AFP und Reuters.

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