Warnschild am Zaun eines Geflügelmastbetriebes
Bildrechte: picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild | Stefan Sauer
Bildbeitrag

Warnschild am Zaun eines Geflügelmastbetriebes

Bildbeitrag
>

Geflügelpest: Wie groß ist die Gefahr für Bayerns Betriebe?

Geflügelpest: Wie groß ist die Gefahr für Bayerns Betriebe?

Die Vogelgrippe wütet in diesem Jahr in Europa besonders stark und zu unüblicher Zeit. Eigentlich steht die Saison im Herbst und Winter erst noch bevor. Kommt es jetzt besonders schlimm? Was bedeutet das für Bayerns Geflügelhalter?

"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!

Die Geflügelpest, fachsprachlich "hochpathogene aviäre Influenza" (HPAI), umgangssprachlich auch Vogelgrippe genannt, trat früher zwischen Oktober und April auf. Diese bisher gültige "Saisonalität" gibt es bei dieser Tierseuche jedoch nicht mehr. So wurden nach Angaben des Friedrich-Loeffler-Instituts (FLI), des Bundesforschungsinstituts für Tiergesundheit in Greifswald, seit Januar dieses Jahres über 900 infizierte Wildvögel und mehr als 30 HPAI-Ausbrüche bei Geflügel und gehaltenen Vögeln gemeldet. Erst Mitte Oktober gab es Fälle auf zwei Betrieben in Nordrhein-Westfalen, in Rietberg-Varensell im Landkreis Gütersloh und in Münster-Albachten. Und auch in Bayern gab es in diesem Jahr bereits mehrere Fälle von Vogelgrippe, so in einem Gehege in Landshut, bei einem Schwan im Kreis Landshut und bei einem Greifvogel im Landkreis Freyung-Grafenau.

"Schwerste Vogelgrippe-Epidemie Europas"

Von der "schwersten Vogelgrippe-Epidemie Europas" sprach kürzlich die EU-Gesundheitsbehörde ECDC. Erstmals kam es auch den Sommer über zu massiven Ausbrüchen, sagt Professor Timm Harder, Leiter des Nationalen Referenzlabors für aviäre Influenza am Friedrich-Loeffler-Institut. So sei es in Norditalien bei Putenhaltungen zu massiven Ausbrüchen gekommen. In Frankreich habe es vor allem die Entenhaltung getroffen. Ungewöhnlich, so Harder, sei, dass diesmal auch Spanien und Portugal von der Seuche betroffen seien. Außerdem habe es auch zahlreiche Ausbrüche in Großbritannien gegeben, quer durch alle Geflügelsparten. Nach Angaben der EU-Gesundheitsbehörde sind dabei in ganz Europa während der Vogelgrippesaison 2021/2022 48 Millionen Tiere gekeult worden.

Wieso fällt die Epidemie so drastisch aus?

Warum die Geflügelpest-Epidemie in diesem Jahr so drastisch ausfällt, ist laut Friedrich-Loeffler-Institut ungeklärt. "Es werden viele Erklärungsversuche angebracht", sagt Timm Harder. "Das fängt beim Klimawandel und verändertem Wildvogelverhalten an". Auch die schiere Menge des zirkulierenden Virus werde genannt. Vermutet werden könne auch, dass die Viren, die sich über den Sommer ausgebreitet hätten, eine höhere Fitness besäßen. Aber, so Harder: "Für keine dieser Vermutungen gibt es wirklich hieb- und stichfeste Beweise."

Bildrechte: picture alliance / dpa | Andreas Gebert
Bildbeitrag

Fünf Wochen alte Hähnchen in einem Stall

Bildrechte: picture alliance / blickwinkel/McPHOTO/O. Schreiter | McPHOTO/O. Schreiter
Bildbeitrag

Hühner in Freilandhaltung auf einer Wiese

Welche Gefahr droht Bayerns Betrieben?

Während sein Institut noch im Juli davon ausging, dass das Risiko für eine Infektion von Nutztieren an den Küsten Deutschlands hoch, ansonsten aber gering sei, habe sich die Lage inzwischen verändert. Das Risiko eines Eintrags in Geflügelhaltungen sei in den küstennahen Gebieten weiterhin hoch.

Gleichzeitig, so Timm Harder, müsse "in den nächsten Wochen" mit einer fortschreitenden Virusausbreitung nach Süden gerechnet werden. Der Vogelzug habe eingesetzt und gehe seinem Höhepunkt entgegen. "Tiere verschiedener geografischer Herkünfte und Arten kommen auf engem Raum in dieser Zeit jetzt zusammen. Und das ist für einen Virus natürlich eine ideale Gelegenheit, weitere Wirte zu finden." Dennoch: "Wie sich die Dynamik weiterentwickelt", so Harder, "kann nicht vorhergesagt werden. Es muss aber damit gerechnet werden, dass in den kommenden Monaten weiterhin viele Fälle bei Wildvögeln und Ausbrüche in Geflügelhaltungen zu befürchten sind."

Was können die Betriebe jetzt tun?

Auch das Bayerische Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) warnt, dass die Seuche durch den Vogelzug von den Küstenregionen auch die bayerischen Wildvögelpopulationen erreichen und dadurch Nutztierbestände gefährden könne. "Die Betriebe sollten sich darauf vorbereiten, dass eine entsprechend hohe Gefährdungslage durch HPAI eventuell früher eintritt als in den Vorjahren."

Hygiene, Abschirmung, Kontaktvermeidung

Zur Vermeidung einer Infektion von Beständen rät der Landesverband der Bayerischen Geflügelwirtschaft (LVBGW) dazu, Betriebe konsequent abzuschirmen gegen einen Eintrag von Vogelkot. LVBGW-Geschäftsführer Christian Schwarzer verweist auf die Gefahr durch verschmutzte Stiefel oder Arbeitsgeräte wie Schaufeln, Schubkarren, Schlepper oder dergleichen. Und nicht nur das: "Stroh- und Futterlager müssen vogeldicht sein", so Schwarzer. "In der Umgebung von außenliegenden Futtersilos dürfen keine Futterreste liegen bleiben und Hunde und Katzen dürfen keinen Zutritt zu Ställen und Vorräumen haben."

Wichtig sei auch, den Zutritt betriebsfremder Personen auf ein notwendiges Minimum wie etwa Tierärzte oder Handwerker zu begrenzen. Bei einem Betreten der Stallungen rät das Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL), ebenso wie der Bayerische Bauernverband (BBV), zudem zu einem strikten Wechsel des Schuhwerks, zum Tragen von Schutzkleidung und zu einer hygienischen Reinigung der Hände vor dem Kontakt mit den Tieren. Wichtig, so Natascha Henze, beim BBV zuständig für Tiergesundheit, sei auch, Geflügel mit Leitungswasser zu tränken und keinesfalls mit Regen- oder sonstigem Oberflächenwasser.

Anlocken von Wildvögeln vermeiden

Für Betriebe, vor allem solche mit Freilandhaltung, sei es zudem wichtig, alles dafür zu tun, dass Wildvögel nicht in Stallnähe angelockt werden, so LVBGW-Geschäftsführer Schwarzer: "Aus diesem Grund sind zum Beispiel Futter- und Tränkstellen im Geflügelauslauf gemäß der deutschen Geflügelpestschutzverordnung verboten. Zur Vergrämung von Wildenten und -gänsen müssen Weiher oder Löschteiche auf oder nahe dem Betriebsgelände abgenetzt oder mit Flatterbändern überspannt werden."

Geringes Risiko für Menschen

Eine Ansteckung mit dem Geflügelpestvirus ist zwar auch beim Menschen möglich. Das Risiko wird jedoch als gering eingeschätzt. Zwar sei es in der Vergangenheit im Verlauf von Seuchenzügen auch zu Todesfällen bei Menschen gekommen, vor allem in Südostasien und in Ägypten, so Timm Harder vom Friedrich-Loeffler-Institut. Zuletzt seien Infektionen beim Menschen jedoch absolute Ausnahmen gewesen und ohne ernsthafte Erkrankung verlaufen.

Gefahr durch Mutationen

Die Gefahr, so Harder, könne jedoch steigen, und zwar dann, wenn das Virus mutiere. Die Viren seien genetisch relativ flexibel und Mutationen häufig. Über ganz Europa verstreut habe es Fälle von Säugetieren gegeben, die vermutlich nach dem Fressen infizierter Vögel an der Vogelgrippe gestorben seien - Otter, Füchse, Marder, aber auch Meeressäuger wie Schweinswale oder Seehunde. Daher sei es für Menschen wichtig, bei engem Kontakt mit verendeten Tieren für entsprechenden Schutz zu sorgen.

Keine Gefahr durch Geflügelfleisch und Eier

Keine Gefahr droht jedoch beim Verzehr von Geflügelfleisch und Eiern. Darauf weist die Bundesregierung in ihren Informationen zur Vogelgrippe hin. Voraussetzung sei jedoch, dass die Produkte "unter Beachtung der üblichen hygienischen Maßnahmen gekauft und verzehrt" würden. Für Hühnerfleisch gelte weiterhin der Grundsatz, dass diese Fleischsorte nur gut durchgegart gegessen werden sollte. Da der Erreger auch über rohe Eier übertragen werden könne, sei auch hier ein Durcherhitzen ratsam.

Das ist die Europäische Perspektive bei BR24.