Die Generaldebatte im Bundestag gilt als Höhepunkt der Haushaltswoche. Oppositionsführer Friedrich Friedrich Merz (CDU) und Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) teilten dabei kräftig gegeneinander aus.
Merz' Vorwurf: Ständiger Streit in der Koalition lähmt Deutschland
Merz warf dem Kanzler zu Beginn der Debatte vor, nach dessen "Zeitenwende"-Rede viele Chancen verpasst zu haben. Scholz hätte nach seiner Regierungserklärung im Februar wenigstens einmal eine große, die Menschen mitreißende Rede halten müssen, "die die besten Kräfte unseres Landes mobilisiert", kritisierte der CDU-Vorsitzende. "Stattdessen versinken Sie mit Ihrer Koalition im ständigen Streit Ihrer Ressortminister und in einem immer deutlicher werdenden Vertrauensverlust der Bevölkerung und unserer europäischen Nachbarn und Freunde in die Lösungskompetenz und in die Verlässlichkeit dieser Bundesregierung", warf Merz Scholz vor.
Merz wirft Scholz Wortbruch beim Sondervermögen vor
Im Zusammenhang mit dem angekündigten Sondervermögen von 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr beklagte Merz einen Wortbruch der Bundesregierung. So steige der Verteidigungshaushalt nicht wie verabredet um mindestens zwei Prozent, sondern er sinke um fast 300 Millionen Euro, sagte der CDU-Vorsitzende.
"Das ist ein grober Wortbruch gegenüber dem Parlament und vor allem gegenüber der Bundeswehr", kritisierte er. Der Umgang mit den Zusagen und der Umgang mit den Partnern in EU und Nato löse zu Recht Befremden und Misstrauen aus. Wie solle Deutschland so im Bündnisrahmen glaubwürdig bleiben, fragte Merz.
Scholz: Merz glaubt wohl auch an "sprechende weiße Kaninchen"
Bundeskanzler Scholz konterte, Unionsfraktionschef Merz habe eine verzerrte Darstellung der Wirklichkeit in Deutschland. Dessen Rede habe ihn an "Alice im Wunderland" erinnert, so der SPD-Politiker. "Was in Wahrheit groß ist, das reden Sie klein, und umgekehrt. Was eigentlich passiert ist und wer dafür verantwortlich war, das alles verschwimmt."
Was zunächst logisch klänge, sei in Wahrheit blanker Unsinn, sagte Scholz. Beim CSU-Parteitag habe Merz "allen Ernstes" behauptet, "nicht die letzten 16 Jahre CDU-geführte Bundesregierung seien das Problem unseres Landes, sondern die letzten 16 Wochen unter Führung der Ampelkoalition. Da kann ich nur sagen: Wer das glaubt, der glaubt auch an sprechende weiße Kaninchen."
Scholz: Deutschland hat Energiekrise im Griff
Scholz sieht Deutschland mit Blick auf die Energiekrise gut gewappnet für den Winter. Das Land habe die Krise "im Griff". Für diesen Winter sei Deutschlands Energiesicherheit "wohl" gewährleistet. Scholz verwies auf volle Gasspeicher, Flüssiggasterminals, neue Lieferverträge, das Wiederanlaufen der Kohlekraftwerke und den Weiterbetrieb von Kernkraftwerken. Die Bundesregierung habe "beherzt umgesteuert", sagte Scholz. Haushalte und Unternehmen im ganzen Land gingen sparsam mit Energie um. "Das bleibt sehr wichtig – gerade auch mit Blick auf das kommende Jahr und den Winter 2023."
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Kompromiss im Bürgergeld-Streit: Scholz begrüßt Einigung
Scholz begrüßte im weiteren Verlauf seiner Rede den Kompromiss mit der Union im Streit um das Bürgergeld. Zugleich kritisierte er den Oppositionsführer für dessen Haltung in der Auseinandersetzung scharf. "Was uns aber vor allem unterscheidet, sehr geehrter Herr Merz, das ist ganz offenbar das Bild, das wir von den Bürgerinnen und Bürgern unseres Landes haben." Viele Menschen sorgten sich derzeit nicht nur um die hohen Preise für Energie und Lebensmittel, sondern um ihren Arbeitsplatz und die Zukunft des eigenen Betriebs.
"Das zeigt doch eines ganz klar: Die Bürgerinnen und Bürger wollen arbeiten - und sie wollen von ihrer Arbeit anständig leben können", sagte Scholz. Mit Verweis unter anderem auf die Anhebung des Mindestlohns auf zwölf Euro pro Stunde und die angekündigte Kindergelderhöhung sagte Scholz, seine Bundesregierung sorge dafür, "dass Arbeit sich mehr lohnt, als zu jedem Zeitpunkt einer CDU-geführten Bundesregierung". Es würden diejenigen bessergestellt, die auch für kleinere Gehälter hart arbeiten, sagte der Kanzler.
Vermittlungsausschuss dürfte Bürgergeld am Abend billigen
Am Dienstag hatten sich SPD, Grüne und FDP mit der Union, die mit ihrer Mehrheit im Bundesrat das Bürgergeld zunächst blockiert hatte, auf einen Kompromiss geeinigt. Die Sozialreform soll das bisherige Hartz-IV-System zum 1. Januar ablösen. Der Kompromiss sieht vor, dass der monatliche Regelsatz für einen alleinstehenden Erwachsenen von 449 auf 502 Euro angehoben wird.
Die Union setzte aber unter anderem durch, dass die sogenannte Vertrauenszeit mit weniger Sanktionen zu Beginn des Bürgergeldbezugs gestrichen und das zulässige Schonvermögen verringert wird. Am Mittwochabend will der Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat abschließend über einen Kompromiss beraten.
CSU sieht Berliner Scheinriesen
CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt wollte in seiner Erwiderung Scholz' Ausflug in die Kinderbuchwelt nicht nachstehen. "Sehr geehrter Herr Bundeskanzler, Sie bedienen sich hier, wenn wir schon bei Illusionen sind, bei Alice im Wunderland", rief er ins Plenum. "Mir fällt ehrlich bei dieser Bundesregierung nur eins ein: Jim Knopf und der Scheinriese - je näher man ihrer Bundesregierung kommt, umso kleiner werden ihre politischen Leistungen.
Weidel: Politik der Ampel zerstört Deutschland
AfD-Fraktionsvorsitzende Alice Weidel warf der Ampel-Koalition vor, Deutschland mit ihrer Politik in den Ruin zu führen. "Ihre Politik zerstört Deutschland", sagte sie in der Generaldebatte an die Adresse der Bundesregierung. "Rezession und Inflation zertrümmern den produktiven Mittelstand, das Rückgrat unserer Wirtschaft, und treiben die bürgerliche Mittelschicht in die Verarmung."
Weidel warf der Bundesregierung vor, mit Täuschungen und Lügen zu arbeiten. "Zwölf Monate Ampel, das sind zwölf Monate mutwillige Zerstörung unserer Wirtschaft und unseres Wohlstandes, zwölf Monate Gängelung, Bevormundung und Schröpfen der Bürger, zwölf Monate Politik einer Regierung, die Einschränkungen predigt, während sie selbst aus dem Vollen schöpft."
Grünen-Fraktionschefin mahnt mehr Anstrengungen bei Klimaschutz an
Grünen-Fraktionschefin Katharina Dröge mahnte mehr Bemühungen beim Klimaschutz an. "Wer die Klimakrise ernst nimmt, der weiß, dass wir uns deutlich mehr werden anstrengen müssen", sagte Dröge in der Generaldebatte. Vor allem im Verkehrssektor müsse das Tempo deutlich zunehmen, machte sie deutlich. Dröge sagte weiter: "Wir werden den Kohleausstieg im Osten umsetzen müssen." Außerdem werde eine Solarpflicht auf allen Dächern eingeführt.
Die Bundesregierung habe aber trotz Krise viel geschafft beim Klimaschutz. Dröge kritisierte die Ergebnisse der Weltklimakonferenz in Ägypten als nicht ausreichend. "Weil in der Welt so wenig passiert ist, ist es umso wichtiger, dass wir eine Regierung haben und eine Koalition, die gerade hier zu Hause entschlossen vorangeht in Sachen Klimaschutz." Ein Industrieland wie Deutschland könne ins "Gelingen" kommen nach zwei Jahrzehnten Stillstand, für den die Union Verantwortung trage.
Linke prophezeit "Verarmungslawine"
Linke-Fraktionschef Dietmar Bartsch hat der Ampel-Koalition Chaos und unzureichende Hilfen angesichts der Energiekrise und hoher Preise vorgeworfen. Der Haushalt müsste einen großen Schutzschirm spannen, sei aber "Wellness für die Wohlhabenden und unterlassene Hilfeleistung" für die Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger. Haushalte mit hohem Verbrauch wie Villenbesitzer profitierten am meisten.
Im Winter drohe eine "Verarmungslawine", warnte Bartsch. Bereits zum Beginn der Heizperiode hätte es einen Gaspreisdeckel geben müssen, da die Menschen jetzt Unterstützung bräuchten und nicht irgendwann. Nötig seien staatliche Preiskontrollen, hohe Übergewinne müssten abgeschöpft werden. Gebraucht werde zudem "endlich eine Vermögensabgabe für Milliardäre und Multimillionäre".
BR24live: Die Generaldebatte im Video
Mit Informationen von dpa, epd und afp
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