Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hat bei einer Sondersitzung des Bundestags-Ausschusses für Klimaschutz und Energie Kritik an der Entscheidungsfindung seines Ministeriums und den Umweltressorts zum Atomausstieg zurückgewiesen. Habeck erklärte am Freitag, er und sein Ministerium hätten die Frage eines Weiterbetriebs der Atomkraftwerke frühzeitig von sich aus geprüft, alle Entscheidungen seien faktenbasiert und unvoreingenommen erfolgt.
Habeck: Ministerium arbeitete ohne Denkverbote und auf Basis von Fakten
Dabei sei die Auskunft der Akw-Betreiber im Frühjahr 2022 kurz nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine gewesen, dass die Brennelemente der letzten drei deutschen Atomkraftwerke bis Jahresende ausgebrannt sein würden. Erst "später im Laufe des Jahres" sei "diese Information korrigiert" worden: "Da hieß es dann, die können doch noch zwei, drei, vier, fünf Monate länger laufen und entsprechend wurde dann auch noch einmal die Laufzeit verlängert."
Habeck versicherte: "Die Versorgungssicherheit hatte für mich absolute Priorität und das ganze Haus hat ohne Denkverbote, allerdings natürlich immer auf der Basis von Fakten, von Daten und auch von Rechtsnormen, gearbeitet."
Ministerien sprachen sich gegen Laufzeitverlängerung aus
Auslöser der Sondersitzung war ein Bericht des Magazins "Cicero", der sich auf die Zeit kurz nach Kriegsbeginn in der Ukraine im Februar 2022 bezieht. Damals waren in Deutschland noch drei Atomkraftwerke (Akw) am Netz, die Ende 2022 abgeschaltet werden sollten. Wirtschafts- und Umweltministerium sprachen sich im März trotz der durch den Krieg verschärften Lage gegen eine Laufzeitverlängerung aus.
Als dann im Sommer die Gaslieferungen aus Russland zunächst gedrosselt und später gestoppt wurden, beschloss die Bundesregierung, die Laufzeiten der drei Akw bis Mitte April 2023 zu verlängern.
"Cicero"-Bericht sieht Manipulation durch "grüne Netzwerke"
In dem Bericht von "Cicero" heißt es, dass seinerzeit im Wirtschafts- und im Umweltministerium interne Bedenken gegen den damals für Ende 2022 geplanten Atomausstieg unterdrückt worden sein. "Netzwerke der Grünen" hätten die Entscheidung "manipuliert". Wichtige Informationen hätten Habeck nicht erreicht.
"Cicero" beruft sich dabei auf Dokumente, die das Magazin auf Grundlage des Umweltinformationsgesetzes nach einer gerichtlichen Auseinandersetzung übermittelt bekommen habe. Dem Magazin zufolge fanden Fachleute im Bundeswirtschaftsministerium "kaum Gehör", ihre Einschätzungen seien "ignoriert oder verfälscht" worden.
Unterlagen des Ministeriums sollen Vorwürfe ausräumen
Den Abgeordneten sollten nun weitere Unterlagen zur Verfügung gestellt werden, die diese Vorwürfe entkräften, betonte Habeck nach der Ausschusssitzung. "Und wenn die Abgeordneten die Unterlagen lesen, dann wird sich ein anderes Bild darstellen". Die Dokumente belegten, dass das Ministerium aktiv auf die Akw-Betreiber zugegangen sei "mit der Frage: Können eure Dinger länger laufen? Und hilft es uns was?"
Der klimapolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Olaf in der Beek, zeigte sich mit den Erläuterungen Habecks zufrieden. Es mache keinen Sinn, "über irgendwelche Rücktritte zu philosophieren", sagte der Abgeordnete mit Blick auf eine Rücktrittsforderung durch den Vorsitzenden der bayerischen FDP Martin Hagen. In der Beek erklärte, so wie Habeck die Dinge nun dargestellt habe, sei es "völlig logisch, wie er entschieden hat". Im Moment sei ihm kein Fehlverhalten nachzuweisen.
Unionspolitiker fordern Untersuchungsausschuss
CDU-Politiker hatten nach dem Bekanntwerden der Ministeriumsdokumente über die Entscheidung zur Laufzeitverlängerung einen Untersuchungsausschuss im Bundestag gefordert. Der energiepolitische Sprecher der CDU/CDU-Fraktion, Mark Helfrich (CDU), sprach in der "Bild"-Zeitung vom Freitag von einer "Täuschungsaktion". Diese müsse "in einem Untersuchungsausschuss aufgearbeitet werden".
Mit Informationen von dpa und AFP
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