v.r. Bundeskanzler Olaf Scholz, Wirtschaftsminister Robert Habeck und Finanzminister Christian Lindner im Bundestag
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Milliarden im Feuer: Das Haushaltsurteil und die Folgen

Milliarden im Feuer: Das Haushaltsurteil und die Folgen

Formal bezieht sich die Entscheidung des Verfassungsgerichts nur auf den Klimafonds. Doch in der Sache geht es um viel mehr: Die Ampel muss ihre gesamte Haushaltspolitik umkrempeln. Die wichtigsten Fragen und Antworten.

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Das Karlsruher Haushaltsurteil hat ein politisches Beben ausgelöst, dessen Ausläufer das ferne Berlin nach und nach mit voller Wucht erreichen.

Das Bundesverfassungsgericht gab vor einer Woche bekannt, dass die bisherige Finanzierung des Klima- und Transformationsfonds des Bundes gegen das Grundgesetz verstößt. Zum einen, weil die Ampel Kreditoptionen für den Klimaschutz verwenden wollte, die eigentlich zur Bekämpfung der Coronakrise gedacht waren. Zum anderen, weil dieses Manöver nach Überzeugung des Gerichts auf einen Vorrat an Schulden für kommende Jahre hinausgelaufen wäre – unter Umgehung der verfassungsrechtlichen Schuldenbremse. Immer deutlicher wird nun, dass die Haushaltsplanung des Bundes in Gänze auf dem Prüfstand steht.

Wie viel Geld fehlt dem Bund jetzt?

Das größte bisher bekanntgewordene Loch klafft im Klimafonds KTF: "Die Entscheidung hat zur Folge, dass sich der Umfang des KTF um 60 Milliarden Euro reduziert", stellt das Gericht fest. Ein schlichter Satz mit großer Sprengkraft. Denn die Ampel hatte das Geld fest eingeplant: beispielsweise für den Ausbau des Schienennetzes, den klimafreundlichen Umbau der Industrie oder Investitionen in neue High-Tech-Standorte.

Zu den fehlenden Klimamilliarden kommen noch Mittel aus dem Wirtschaftsstabilisierungsfonds WSF. Dahinter verbirgt sich der berühmte "Doppel-Wumms" – also die Strom- und Gaspreisbremse, mit der die Koalition die Folgen der Energiekrise für Verbraucher abgefedert hat. Laut Wirtschaftsministerium wurden bisher mehr als 30 Milliarden Euro für diese Preisbremsen ausgegeben. Das ist zwar weniger, als man angesichts der Preisexplosion infolge des russischen Angriffs auf die Ukraine befürchtet hatte. Aber: Im Lichte des Urteils hätte das Geld wohl nicht fließen dürfen, weil der "Doppel-Wumms" ähnlich wie der Klimafonds konstruiert ist.

Deshalb muss dieser Betrag wohl nachträglich anders verbucht werden. In diesem Zusammenhang wird auch darüber diskutiert, die Schuldenbremse für das laufende Jahr doch noch auszusetzen. Denn würden die Milliarden für die Preisbremse rückwirkend aus dem WSF in den regulären Haushalt umgeschichtet, dann würde das sonst die verfassungsrechtliche Obergrenze fürs Schuldenmachen sprengen. Wie genau sich das Urteil auf die Kassenlage des Bundes auswirken wird, ist allerdings offen. Zu den Folgen der Karlsruher Entscheidung teilt das Finanzministerium auf BR24-Anfrage lediglich mit, man werte das Urteil aus und prüfe mögliche Auswirkungen.

Welche Projekte in Bayern stehen jetzt auf der Kippe?

Zum jetzigen Zeitpunkt lässt sich nur schwer abschätzen, welche einzelnen Vorhaben gefährdet sind. Aus Regierungskreisen verlautet, dass allein die ursprünglich geplante Förderung einer wasserstoffbasierten Industrie etwa 45 Firmen zugutekommen sollte. Allerdings mit Schwerpunkt auf Nord- und Ostdeutschland.

Außerdem geht es um milliardenschwere Zuschüsse für den Bau von neuen Halbleiterfabriken in Magdeburg und Dresden. Auf BR24-Anfrage antwortet das Wirtschaftsministerium ähnlich wie das Finanzressort: "Was die Neuaufstellung des Wirtschaftsplans des KTF anbetrifft, so wird diese zügig und in aller Gründlichkeit gemeinsam in der Regierung erfolgen."

Was bedeutet die Haushaltssperre, die das Finanzministerium verhängt hat?

Trotz Sperre darf der Bund die Ausgaben tätigen, die für das laufende Haushaltsjahr eingeplant sind. Das heißt: Die Beschäftigten der Regierungsbehörden werden weiterbezahlt, und auch Sozialleistungen sowie bereits zugesagte Fördermittel fließen weiter. Aber der Bund darf keine weiteren Finanzzusagen machen. Auch hier gilt: Die Prüfung läuft, noch will sich die Regierung nicht zu konkreten Folgen äußern.

Mit dem Urteil zum KTF stehen auch andere "Sondervermögen" auf dem Prüfstand. Wie viele davon gibt es?

Der Bundesrechnungshof kommt in einer aktuellen Aufzählung auf 29 "Sondervermögen" des Bundes. Die Liste reicht vom "Treuhandvermögen für den Bergarbeiterwohnungsbau" aus dem Jahr 1951 bis zum WSF, der im vergangenen Jahr für die Energiepreisbremsen ertüchtigt wurde. Da es sich laut Rechnungshof überwiegend um schuldenfinanzierte Geldtöpfe handelt, sprechen die Rechnungsprüfer lieber von "Sonderschulden".

Das Prinzip, mittels solcher Nebenhaushalte einen Vorrat an Kreditoptionen für künftige Haushaltsjahre anzulegen, wurde nicht nur beim KTF angewandt. Deshalb sind wohl auch andere Geldtöpfe wie der WSF betroffen, nicht aber das 100-Milliarden-Programm für die Bundeswehr. Denn diesen Geldtopf hat die Ampel – mit Unterstützung von CDU und CSU – eigens im Grundgesetz verankert. Deshalb müssen die Kredite für die Modernisierung der Armee nicht auf die Schuldenbremse angerechnet werden.

Wie geht es jetzt weiter?

Das ist vielleicht die schwerste von allen Fragen. Noch ist die Ampel dabei, sich zu sortieren. Eigentlich sollten am Donnerstag die Schlussberatungen zum Haushalt 2024 im zuständigen Fachausschuss stattfinden. Doch diesen Termin hat die Ampel gestrichen, damit mehr Zeit zur Klärung der offenen Fragen bleibt.

Damit verschiebt sich auch die eigentlich für kommende Woche geplante Abstimmung im Bundestag. Falls bis zum Jahresende kein Etat für 2024 steht, würde die sogenannte vorläufige Haushaltsführung greifen. Die Bundesbeschäftigten würden dann zwar weiterbezahlt, damit die Behörden ihre Arbeit machen können. Aber es wären zunächst nur noch Ausgaben zulässig, die aus rechtlichen Gründen unaufschiebbar sind.

Video: Doppelinterview zur Haushaltskrise

CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt und der finanzpolitische Sprecher der SPD, Michael Schrodi, im Doppel-Interview.
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CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt und der finanzpolitische Sprecher der SPD, Michael Schrodi, im Doppel-Interview.

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