Bestehende Aufträge werden storniert und es kommen immer weniger Neuaufträge rein: Die Krise im Wohnungsbau setzt sich fort. Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD) möchte Leute, die Häuser bauen, entlasten. "Aus meiner Sicht ist die Situation jetzt nicht so, dass man bei den Baupreisen und den ganz stark zurückgegangenen Bauanträgen noch weitere Standardverschärfungen machen sollte", sagte die SPD-Politikerin am Montag den Sendern RTL/ntv.
Bundesbauministerin: Neubau-Energiestandards jetzt nicht verschärfen
Geywitz sprach sich in dem Interview dafür aus, die im Koalitionsvertrag vereinbarte Verschärfung von Neubaustandards nicht wie geplant umzusetzen. Der Energieeffizienzstandard EH-40 sollte eigentlich ab Anfang 2025 vorgeschrieben werden.
Die Kennzahl gibt an, wie energieeffizient ein Haus gebaut ist. Derzeit gilt der niedrigere Standard von EH-55. Zwei wichtige Kriterien für die Energieeffizienz sind laut Bundesregierung der Gesamtenergiebedarf und die Wärmedämmung der Immobilie. Mit EH-40 müssten neu gebaute Häuser eine bessere Dämmung haben.
Strengere Vorgaben zur Dämmung würden die Baukosten erhöhen, sagte eine Sprecherin des Bauministeriums. Deshalb stelle Geywitz die Frage, ob die Dämmung ein Allheilmittel sei oder eher die Lebenszykluskosten eines Gebäudes betrachtet werden müssten. Mit dem Wirtschaftsressort werde nun der Entwurf für ein Gebäudeenergiegesetz zu diesen Fragen erarbeitet, wozu die zwei Ministerien "zeitnah" die Gespräche aufnehmen würden.
Die Verbraucherzentrale argumentiert hingegen auf ihrer Webseite, dass die Mehrkosten eines energetisch höherwertigen Neubaus sind "oft gar nicht so hoch" seien und sich insbesondere bei hohen Energiepreisen lohnen würden". Zudem würden Fördermittel winken, wenn die Anforderungen des Gebäudeenergiegesetzes (GEG) übertroffen würden. Der Standard "KfW-Effizienzhaus 40" würde beispielsweise gefördert.
Die Vorgaben an die Energieeffizienz von neu gebauten Häusern ist im Gebäudeenergiegesetz (GEG) festgelegt. Das GEG ist seit 1. November 2020 in Kraft, seine Änderung wurde in der letzten heftig diskutiert und bisher nicht beschlossen. Dies soll nach der Sommerpause geschehen.
Bauunternehmer klagen über Auftragsmangel
Wie das Münchner Ifo-Institut am Montag mitteilte, klagten im Juli 40,3 Prozent der Unternehmen über einen Auftragsmangel - das war ein neuer Höchstwert. "Nach einem langjährigen Boom würgen die höheren Zinsen und die drastisch gestiegenen Baukosten das Neugeschäft förmlich ab", erklärte Klaus Wohlrabe vom Ifo. Der Anteil der Unternehmen mit Auftragsmangel stieg demnach stark: Im Juni waren es noch 34,5 Prozent und vor einem Jahr nur 10,8 Prozent.
Im Rahmen der jüngsten Umfrage meldeten 10,5 Prozent der Wohnungsbaufirmen Finanzierungsschwierigkeiten. Im Vorjahr waren es nur halb so viele. "Viele Projekte sind unter den neuen Rahmenbedingungen für Investoren nicht mehr rentabel, und auch private Bauleute haben zunehmende Probleme, eine Finanzierung auf die Beine zu stellen", so Wohlrabe. Für die kommenden Monate rechne eine Mehrheit der Betriebe mit einer weiteren Abkühlung.
Geywitz plant Hilfspaket für Baubranche
Geywitz möchte im September ein Hilfspaket für die kriselnde Baubranche vorstellen. "Wichtig ist, dass wir in so einer Situation einen Impuls setzen", hatte sie am Sonntag in Berlin gesagt. Die Baubranche brauche einen Nachfrageimpuls, weil Kreditfinanzierungen deutlich teurer geworden seien. Im Rahmen des sogenannten Wachstumschancengesetzes von Finanzminister Christian Lindner (FDP) werde es Hilfen geben. In der jetzigen Anpassungsphase mit höheren Zinsen wäre es das Schlimmste, Baukapazitäten abzubauen.
In der jetzigen Anpassungsphase mit höheren Zinsen, so Geywitz, wäre es das Schlimmste, Baukapazitäten abzubauen.
Im ersten Halbjahr sind die Baugenehmigungen eingebrochen, wie das Statistische Bundesamt zuletzt mitgeteilt hatte. Es waren 50.600 oder 27,2 Prozent weniger als im ersten Halbjahr 2022. Geywitz hatte zuletzt bereits eine degressive Abschreibung im Wohnungsbau vorgeschlagen. Bauherren könnten dann innerhalb der ersten acht Jahre 48 Prozent der Kosten bei der Steuer abschreiben.
Grüne für mehr staatliche Förderung
Die Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bundestag, Katharina Dröge, sprach sich hingegen für mehr staatliche Förderung aus. "Die Baubranche kann Impulsgeber für Konjunktur, Jobs und Klimaschutz sein", erklärte sie. "Um ihre Auftragslage zu stärken und bezahlbaren und energetisch hochwertigen Wohnraum zu schaffen, schlagen wir ein Programm vor, das die staatliche Förderung für die energetische Gebäudesanierung und sozialen Wohnungsbau deutlich erhöht."
Mit Informationen von dpa, Reuters, AFP
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