Tagelang hatten vor allem junge Menschen in Kenia gegen ein geplantes Steuergesetz protestiert – dabei sollen mindestens 22 Personen getötet und Hunderte verletzt worden sein. Nun hat Präsident William Ruto angekündigt, das Gesetz zurückzuziehen.
Präsident Ruto zieht umstrittenes Gesetz zurück
Ruto verkündete, sich dem Willen der Demonstrierenden zu beugen und das umstrittene Gesetz nicht zu unterschreiben. Der Entwurf habe "weit verbreitete Unzufriedenheit" hervorgerufen. Er höre auf die Menschen. Stattdessen möchte er in einen Dialog mit den Demonstranten treten, so Ruto. Er wolle Kürzungen im Staatshaushalt finden, die Steuererhöhungen ausgleichen sollen.
Gestern Abend hatte sich Ruto noch unnachgiebig geäußert. In einer Rede an die Nation hatte er erklärt, er werde die Unruhen beenden - "egal zu welchem Preis". Die Organisatoren der Proteste würden verfolgt. Er hatte von hochverräterischen Vorgängen und einer existenziellen Gefahr gesprochen.
Protestbewegung hat für Donnerstag weitere Aktionen angekündigt
Die Protestbewegung hat weiterhin vor, morgen zu demonstrieren. Die Menschen sind aufgerufen, morgen in der Innenstadt Nairobis den Amtssitz des Präsidenten und die Hauptzufahrtsstraßen nach Nairobi zu blockieren. Ziel der Proteste ist, dass der Präsident weitere Kürzungen im Haushalt findet und dass er ernsthafte Maßnahmen gegen Probleme wie Korruption ankündigt.
Menschen bei Protesten getötet
Im Zusammenhang mit getöteten Demonstranten versprach Präsident Ruto heute eine Untersuchung. Er sprach von sechs Getöteten.
Nach Angaben von Menschenrechtlern kamen bei den Protesten mindestens 22 Menschen um. 300 weitere hätten Verletzungen erlitten, so die Vorsitzende der kenianischen Menschenrechtskommission, Roselinde Odede. Es habe 50 Festnahmen gegeben.
Oppositionsführer Odinga verurteilte die Tötung von Demonstranten und sprach von brutaler Gewalt. "Kenia kann es sich nicht leisten, seine Kinder zu töten, nur weil sie um Essen, Arbeit und ein offenes Ohr bitten", erklärte Odinga und forderte einen Dialog.
Sturm aufs Parlament
Gestern hatten Demonstranten das Parlament in der Hauptstadt Nairobi gestürmt. Ein Feuer brach aus. Abgeordnete flohen in Panik. Kurz davor hatten fast zwei Drittel von ihnen in einer Abstimmung das neue Gesetz befürwortet. Es sollte Präsident Ruto daraufhin zur Unterschrift vorgelegt werden.
Die Polizei soll mit scharfer Munition auf Demonstranten geschossen haben. In anderen Vierteln der Hauptstadt und in anderen Städten des Landes gab es ebenfalls Proteste. Auch das Militär wurde auf die Straßen beordert und patrouillierte in der Nacht im Geschäftszentrum Nairobis.
Ärzte: "Noch nie ein solches Ausmaß an Gewalt"
Der Präsident des größten Ärzteverbandes in dem ostafrikanischen Land, Simon Kigondu, sagte, "wir haben so etwas noch nicht gesehen. Wir haben 2007 nach den Wahlen Gewalt gesehen, aber noch nie ein solches Ausmaß an Gewalt gegen unbewaffnete Personen", fügte der Chef der Kenya Medical Association hinzu.
Die Proteste hatten zunächst friedlich begonnen. Allerdings war die Stimmung nach dem harten Vorgehen der Polizei zunehmend aufgeheizt. Während der Stürmung des Parlaments verharrten Hunderte von Demonstranten weiter friedlich außerhalb des Parlaments.
Gesetz würde Windeln, Internet und andere Güter des täglichen Bedarfs verteuern
Der Protest richtete sich gegen einen vom Parlament beschlossenen Gesetzentwurf, durch den Steuern oder Gebühren auf Waren des täglichen Bedarfs entweder angehoben oder eingeführt werden, darunter Internetdaten, Treibstoff, Banküberweisungen und Windeln. Die Regierung will so ihre Einnahmen erhöhen, um Schulden abzahlen zu können.
In Kenia sind in den letzten zwei bis drei Jahren die Lebenshaltungskosten enorm gestiegen. Die Preise für Grundnahrungsmittel und für Transport sind in die Höhe geschossen. Gleichzeitig hat die Regierung die Steuern und Ausgaben erhöht. Das hat dazu geführt, dass viele Menschen sich ihr Leben nicht mehr leisten können. Auch die Kirchen und zahlreiche Geschäftsleute haben sich gegen das Gesetz ausgesprochen.
Mit Material von dpa und epd
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