Der ukrainischen Armee ist bei ihrer Gegenoffensive nach eigenen Angaben ein wichtiger Durchbruch durch russische Stellungen nahe der kriegszerstörten Stadt Bachmut gelungen. Truppen hätten "die Verteidigungslinie des Feindes" durchstoßen, teilte der Kommandeur der ukrainischen Landstreitkräfte, Oleksandr Syrskyj, mit.
Drei russische Brigaden, die 31., 72. und 83., seien "zerstört worden" und hätten "ihre Kampfkraft vollständig eingebüßt", erklärte Syrskyj. Die "heftigen Kämpfe" nahe Bachmut in der Ostukraine gingen nach seinen Angaben jedoch weiter. Die ukrainischen Angaben ließen sich nicht unabhängig überprüfen.
Einige Stunden zuvor hatte Syrskyj bekanntgegeben, dass die ukrainische Armee die strategisch wichtige Ortschaft Klischtschijiwka nahe Bachmut zurückerobert habe. Am Freitag hatte die Ukraine bereits die Einnahme des Ortes Andrijiwka verkündet. Beide Ortschaften seien "ein wichtiger Teil der russischen Verteidigungslinie" zwischen Bachmut und dem 40 Kilometer weiter südlich gelegenen Horliwka gewesen, teilte Syrskyj weiter mit.
Ukrainischer Kommandeur: Lage im Osten weiter "kompliziert"
Russland hatte die ukrainische Rückeroberung von Andryjiwka allerdings am Samstag bestritten. Syrskyj erklärte nun, die Lage im Osten bleibe "kompliziert". Die russische Armee fahre "zahlreiche Gegenangriffe" in der Hoffnung, verlorene Positionen zurückzuerobern, und bereite sich darauf vor, ihre Angriffe im Gebiet der weiter nördlich gelegenen Städte Kupjansk und Lyman zu verstärken.
Karte: Die militärische Lage in der Ukraine:
Pistorius kündigt 400-Millionen-Euro-Hilfspaket an
Unterdessen kündigte Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) vor der am Dienstag stattfindenden Ramstein-Konferenz ein neues Hilfspaket im Volumen von 400 Millionen Euro für Kiew an. Die von der Ukraine gewünschten Marschflugkörper sind darin aber nicht enthalten, wie der Minister in einem Interview der "Bild"-Zeitung sagte.
Kiew: 51 Quadratkilometer seit Juni zurückerobert
Seit Juni läuft eine groß angelegte Gegenoffensive der ukrainischen Armee zur Rückeroberung russisch besetzter Gebiete im Süden und Osten des Landes. Insgesamt hat Kiew eigenen Angaben zufolge seitdem 51 Quadratkilometer im Gebiet um Bachmut und rund 262 Quadratkilometer an der Südfront zurückerobert. Die Stadt Bachmut mit einer Vorkriegsbevölkerung von rund 70.000 Menschen war nach einer monatelangen, verlustreichen Schlacht im Mai von den russischen Streitkräften eingenommen worden.
"Neustart" - Mehrere Vizeverteidigungsminister entlassen
Inmitten der zähen Gegenoffensive und kurz nach der Neubesetzung an der Spitze des Ressorts sind in der Ukraine sechs Vizeverteidigungsminister entlassen worden. Unter ihnen ist einer Mitteilung der ukrainischen Regierung zufolge auch die bekannte Vizeministerin Hanna Maljar. Das Kabinett gab keinen Grund für die Entscheidung an. Nur der Erste Stellvertreter, Olexander Pawljuk, bleibt demnach weiter im Amt. Der neue Verteidigungsminister Rustem Umjerow, der vor zwei Wochen Olexij Resnikow abgelöst hatte, sprach auf Facebook von einem "Neustart".
Resnikow war Anfang September entlassen worden, nachdem seiner Behörde Korruptionsskandale bei der Armeeversorgung und in den Wehrersatzämtern angelastet wurden. Der Jurist hatte die Vorwürfe gegen ihn zurückgewiesen.
Tote in Südukraine durch russische Luftangriffe
Zum Wochenbeginn überzog Russland die Ukraine erneut mit Luftangriffen. Das ukrainische Militär wehrte in der Nacht zum Montag laut eigenen Angaben alle 17 Marschflugkörper sowie 18 von 24 Kamikaze-Drohnen ab. Dennoch wurden in der Region Cherson im Süden Behörden zufolge mindestens zwei Menschen getötet, sieben weitere wurden verletzt.
Die Drohnen wurden nach Angaben des ukrainischen Militärs vom Osten der annektierten Schwarzmeer-Halbinsel Krim und vom russischen Westufer des Asowschen Meeres aus gestartet. Die Marschflugkörper seien über der Zentral- und Westukraine abgeschossen worden.
Moskau fordert von Weltgericht eine Abweisung der Klage der Ukraine
Unterdessen forderte Russland das höchste UN-Gericht auf, eine Klage Kiews im Zusammenhang mit der russischen Invasion abzuweisen. Der ukrainische Vorwurf, Russland habe die Völkermordkonvention von 1948 zur Rechtfertigung des Kriegs missbraucht, sei nicht haltbar, machte der juristische Vertreter Russlands, Gennadi Kusmin, bei einer Anhörung vor dem Internationalen Gerichtshof (IGH) in Den Haag geltend. Anwälte Kiews sollen am Dienstag zu Wort kommen.
Die Ukraine hatte den IGH wenige Tage nach dem Einmarsch Russlands im Februar 2022 angerufen. In der Klage wird Moskau unter anderem vorgeworfen, die Invasion mit der falschen Behauptung zu begründen, die russische Bevölkerung in den ukrainischen Regionen Luhansk und Donezk müsse vor einem Völkermord geschützt werden. In Wirklichkeit seien es die russischen Truppen, die in der Ukraine Verbrechen gegen die Menschlichkeit verübten.
Mit Informationen von dpa, AP und AFP
Zum Video: Die ukrainische Armee hat die Ortschaft Klischtschijiwka zurückerobert
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