Das umstrittene Cannabisgesetz kommt am Freitag in den Bundesrat. Viele Kinder- und Jugendärzte warnen vor den negativen Folgen im Falle einer Legalisierung. "Die Bundesregierung sollte das Gesetz zurückziehen", sagte der Präsident des Bundesverbandes der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ), Michael Hubmann, den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Die Regierung sehe "die berechtigten Einwände von Ärzten und Juristen nicht".
Verbandschef: Jugendschutz gelingt in der Realität nicht
Hubmann warnte vor den negativen Folgen der Cannabis-Legalisierung für den Jugendschutz. "Wir sehen schon bei Alkohol und Nikotin, dass das in der Lebensrealität nicht gelingt", sagte er. Der Konsum sei problemlos an den gesetzlichen Regeln vorbei möglich: "Schutz und Kontrolle werden nicht leichter, wenn mit der Cannabis-Legalisierung jetzt eine dritte Substanz dazu kommt."
Lauterbach will Verzögerung verhindern
Im Bundesrat ist das Gesetz nicht zustimmungsbedürftig, aber die Länderkammer könnte den gemeinsamen Vermittlungsausschuss mit dem Bundestag anrufen und das Verfahren damit erheblich abbremsen. Nach dem bereits vom Bundestag beschlossenen Gesetz sollen Besitz und Anbau der Droge mit zahlreichen Vorgaben für Volljährige zum Eigenkonsum vom 1. April an erlaubt sein.
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hatte am Montag erklärt, er wolle ein mögliches Scheitern der Legalisierung von Cannabis zum angestrebten Termin am 1. April abwenden. Er werde die gesamte Woche über dafür kämpfen, dass es eine Anrufung des Vermittlungsausschusses im Bundesrat nicht gebe, sagte er. Lauterbach verwies auf Äußerungen unionsgeführter Länder wie Bayern und Sachsen, eine Befassung im Vermittlungsausschuss zu verzögern oder zu sabotieren.
SPD spricht von undemokratischen Verfahrenstricks
Die rechtspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, Carmen Wegge, warf der Union schlechten demokratischen Stil vor. "Ich finde das, um ehrlich zu sein, ziemlich erschreckend – so verhalten sich keine Demokraten", sagte sie der "Augsburger Allgemeinen". Wegge warf der Union vor, den Vermittlungsausschuss rein taktisch anrufen zu wollen, und die Legalisierung durch Verfahrenstricks aufhalten zu wollen.
Amnestie-Regelung stößt auf Bedenken
Bedenken sind aus den Bundesländern unter anderem gegen eine geplante Amnestie für Altfälle laut geworden, die nach dem neuen Recht nicht mehr strafbar wären. Befürchtet wird eine Überlastung der Justiz durch dadurch anfallende Fallprüfungen. So müsste in Bayern allein die Staatsanwaltschaft Landshut etwa 1.750 Strafakten prüfen.
Juristen machen zudem verfassungsrechtliche Bedenken gegen die geplante Amnestie geltend: Die Legislative greife stark in die Exekutive ein, wenn rechtmäßig ergangene und bereits rechtskräftige Urteile nicht mehr vollstreckt werden dürfen, so Oberstaatsanwalt Alexander Ecker von der Staatsanwaltschaft Landshut.
Deutscher Richterbund hofft auf Vermittlungsausschuss
Der Deutsche Richterbund appellierte aufgrund solcher Bedenken an den Bundesrat, das Cannabis-Gesetz zu stoppen. "Es kann doch politisch nicht gewollt sein, dass die ohnehin stark belastete Strafjustiz durch rechtsstaatlich nicht gebotene, fragwürdige Amnestie-Pläne nun massiv zusätzlich unter Druck gerät und andere Strafverfahren deshalb liegen bleiben müssen", erklärte der Bundesgeschäftsführer des Verbandes, Sven Rebehn.
Der Bundesrat solle aus seiner Sicht das Cannabisgesetz stoppen und den Vermittlungsausschuss einschalten. Die Bundesländer seien gefordert, "zumindest die gegen alle fachlichen Bedenken durchgesetzte Amnestie-Regelung der Ampel wieder aus dem Gesetz zu kippen".
Mit Informationen von dpa
Im Audio: Amnestie-Regelung bedeutet hohe Belastung für die Justiz
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