Geht es nach Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach, werden Patientinnen und Patienten bald eine deutlich spezialisiertere Kliniklandschaft in Deutschland vorfinden. Ab Herbst werde es eine "starke Dynamik" geben, sagte Lauterbach am Donnerstag in Berlin.
Der SPD-Politiker äußerte sich zum Auftakt einer Reihe von Gesprächen zur geplanten Klinikreform mit kommunalen Spitzenverbänden, Selbstverwaltung und Ländern. Er zeigte sich zuversichtlich, dass der Zeitplan für das gesundheitspolitische Großprojekt gehalten werden könne.
Ab Mai: Per Klick zur Klinik
Ab Mai könnten Versicherte demnach mit dem neuen Online-Klinik-Atlas recherchieren, welcher Eingriff in ihrer jeweiligen Region in welcher Klinik wie häufig vorgenommen werde. Über Komplikationsraten werde dort in einem nächsten Schritt informiert, so Lauterbach. Der Bundesrat hatte das entsprechende Gesetz zum Aufbau eines staatlichen Online-Atlas im März passieren lassen. Das neue "Transparenzverzeichnis" soll als interaktives Portal verständlich über das jeweilige Angebot an den gut 1.700 Kliniken in Deutschland Auskunft geben.
Ab Herbst: Mehr Transparenz in der Klinik-Planung
Noch im laufenden Jahr bekommen auch die Länder laut Lauterbach ein neues Instrument für die Krankenhausplanung. Bisher sei das Krankenhaussystem in Deutschland im Blindflug gefahren worden, so Lauterbach - und das für rund 90 Milliarden Euro Behandlungskosten pro Jahr.
Künftig sollen beispielsweise die Folgen, wenn an bestimmten Häuser einzelne Leistungsangebote gestrichen werden, präziser abgeschätzt werden. Dafür sei Deutschland in 84.000 Zellen je 1.000 Einwohner eingeteilt worden. So könne etwa geprüft werden, wie viele Häuser in einer Region Wirbelsäulenchirurgie anböten, wo das für die Sicherstellung der Versorgung nötig sei - und ob ein Wegfall eines Angebots in vertretbarer Entfernung ausgeglichen werden könne.
Bundesregierung auf der Zielgeraden
Die eigentliche Klinikreform will Lauterbach möglichst am 24. April durchs Bundeskabinett bringen. In der aktuell laufenden Abstimmung innerhalb der Regierung gehe es noch um "sehr viele juristische Punkte", die bei dieser großen Reform geprüft werden müssten. Für 17. April ist noch einmal ein Bund-Länder-Treffen zu dem Projekt geplant. Die Länder hatten zuletzt Klarheit für ihre Klinik-Planungen angemahnt. Das Gesetz für den Online-Klinik-Atlas hatte der Bundesrat erst im zweiten Anlauf durchgehen lassen, nachdem er es zunächst in den Vermittlungsausschuss mit dem Parlament geschickt hatte.
Die Länder fordern mehr Geld
Eugen Brysch, Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, bleibt skeptisch. "Der Bundesgesundheitsminister läuft Gefahr, die Krankenhausreform mit vollem Tempo an die Wand zu fahren." Brysch kritisierte, dass Lauterbach an heute fehlender Koordination zwischen Patienten, Angehörigen und Mitarbeitern in den Kliniken nichts ändere.
Scheitern könnte die Reform noch an einzelnen Bundesländern, mehr Geld vom Bund fordern, und das noch in diesem Jahr. An vorderster Front der Kritiker: Bayern.
Gerlach fordert Sofortprogramm - Lauterbach verweist auf Milliardenhilfen
Bayerns Gesundheitsministerin Judith Gerlach bezeichnete die wirtschaftliche Situation der bayerischen Krankenhäuser auf BR-Anfrage als "alarmierend". Bundesgesundheitsminister Lauterbach dürfe die Forderung Bayerns und anderer Länder nach einem Soforthilfeprogramm nicht länger ignorieren. "Es darf keinen kalten Strukturwandel geben", so Gerlach.
Lauterbach hingegen ist überzeugt: "Wir werden kein dramatisches Krankenhaussterben bekommen." Vergangenes Jahr habe es 33 Insolvenzverfahren gegeben, 7 von 1.720 Kliniken hätten am Ende schließen müssen. Die jüngst von der Bundesregierung beschlossenen Milliardenhilfen und die Refinanzierung von Lohnsteigerungen würden weiter helfen, ein massenhaftes Aus für Kliniken trotz Reform des lukrativen Fallpauschalen-Systems zu verhindern.
Lauterbach: nicht alles überall vorhalten
Allerdings: Unterm Strich gebe es nach wie vor zu viele Krankenhäuser, für die längerfristig Personal und Geld fehle. "Die Hälfte der Krankenhäuser in Deutschland hat weniger als 150 Betten." Spitzenmedizin könne es hier etwa für kleinere chirurgische Eingriffe, innere Medizin, Geburtshilfe oder Notfallversorgung geben - aber nicht für komplizierte Krebsmedizin.
Rückendeckung erhält Lauterbach vom Sozialverband VdK, wo man überzeugt ist, dass die Schließung einiger unprofitabler Kliniken kaum zu verhindern sei. "Wer den Leuten etwas anderes sagt, verspricht etwas, das er nicht halten kann", so VdK-Präsidentin Bentele.
Audio: Sozialverband VdK für Schließung unprofitabler Krankenhäuser
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