Für den bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder (CSU) steht fest: Der Freistaat soll "kein Kiffer-Paradies" werden. Deswegen greife Bayern mit "harten Bußgeldern konsequent durch", schrieb er kürzlich in den sozialen Netzwerken, listete exemplarisch einige Bußgelder auf, die bei Verstößen im Freistaat gegen das Cannabis-Gesetz des Bundes fällig werden sollen - und verwies auf den achtseitigen bayerischen "Bußgeldkatalog 'Konsumcannabis'". Staatskanzleichef Florian Herrmann (CSU) betonte: "Es soll natürlich abschreckend wirken, denke, es wird es auch tun."
- Zum Artikel: "Cannabis-Konsum: Hohe Bußgelder zur Abschreckung in Bayern"
Die härtesten Bußgelder hat Bayern allein schon deshalb, weil das Land Erster ist: Obwohl das Gesetz seit 1. April gilt, sei Bayern das "erste Bundesland, das einen Bußgeldkatalog für diese Ordnungswidrigkeit erlassen" habe, sagte der Freilassinger Strafverteidiger Konstantin Grubwinkler im ZDF. Unabhängig davon sind die Bußgelder dem Experten für Betäubungsmittelrecht zufolge "deutlich überzogen". Scharfe Kritik kommt auch von Grünen und SPD im Landtag, während Gesundheitsministerin Judith Gerlach (CSU) die hohen Bußgelder als "nur konsequent" verteidigt.
Die bayerischen Cannabis-Bußgelder
Wer Cannabis in Gegenwart Minderjähriger konsumiert, muss in Bayern mit einem Bußgeld von 1.000 Euro rechnen. Für den Konsum in Sichtweite von Schulen oder Spielplätzen sieht der Bußgeldkatalog einen Regelsatz von 500 Euro vor, in militärischen Bereichen von 300 Euro. Zwischen 500 und 1.000 Euro drohen allen, die zu viel Cannabis mit sich führen oder besitzen. Wer eine Ordnungswidrigkeit wiederholt begeht, soll jeweils doppelt so viel zahlen.
Empfindliche Bußgelder sind zudem für Verstöße gegen die Vorgaben für Anbauvereinigungen vorgesehen. Bei Werbung oder Sponsoring für Cannabis- oder Anbauvereinigungen sollen 150 bis 30.000 Euro fällig werden. Kontrolliert eine Anbauvereinigung das Alter der Mitglieder nicht zuverlässig, soll es ein Bußgeld von 750 Euro geben. Wer Mitglied in gleich zwei Anbauvereinigungen ist, muss mit einem Bußgeld von 300 Euro rechnen.
SPD: "Vollkommen unverhältnismäßig"
Der Rechtsexperte der bayerischen SPD-Landtagsfraktion, Horst Arnold, hat wenig Verständnis für die Höhe der Regelsätze. "Die Bußgelder sind aus meiner Sicht vollkommen unverhältnismäßig und in ihrer Tragweite nicht überdacht", sagt der ehemalige Staatsanwalt auf BR24-Anfrage. "Wenn ich so 'hoch' einsteige, dann muss ich mir meiner Sache sicher sein."
In der Praxis könne Aussage gegen Aussage stehen. "Letztendlich entscheiden dann die Gerichte über die Angemessenheit der Bußgeldhöhe - oder sprechen frei, weil keine gerichtsfeste Beweisbarkeit vorliegt." Arnold fügt hinzu: "Auch Abschreckung sollte durchdacht sein und nicht auf vordergründig blinden Emotionen - wie bei der Staatsregierung - aufbauen."
Grüne: Söder verliert jedes Maß
Deutliche Worte kommen auch vom Grünen-Innenexperten Florian Siekmann: "Markus Söder verliert jedes Maß aus den Augen", kritisiert er. Söder und sein Kabinett beschäftigten sich seit Wochen vor allem damit, wie sie Bürgerinnen und Bürger bestmöglich schikanieren könnten. Die CSU stehe schon lange nicht mehr für "Leben und Leben lassen", sagte er mit Blick auf den Leitspruch der Christsozialen.
Siekmann hofft, dass Gerichte einem möglichen harten Vorgehen der Staatsregierung einen Riegel vorschieben werden: "Ich setze auf eine schnelle gerichtliche Überprüfung überzogener Maßnahmen."
Rechtsanwalt: Raser zahlt weniger als Cannabis-Konsument
Als "unverhältnismäßig" stuft auch Strafverteidiger Grubwinkler die bayerischen Bußgelder ein, "insbesondere wenn man sie jetzt mit anderen Ordnungswidrigkeiten und anderen Bußgeldern vergleicht". Wer mit 80 km/h durch eine 30er-Zone vor einer Schule rase, müsse weniger zahlen, als jemand, der in Sichtweite der Schule einen Joint rauche. Dabei bringe der "vorbeidonnernde" Autofahrer Kinder und Jugendliche in viel größere Gefahr als der Cannabis-Konsument.
Der Jurist nennt noch ein anderes Beispiel: In einem Park, in dem Cannabis legal konsumiert werden dürfe, sitze eine achtköpfige Gruppe. Sieben seien schon 18 und rauchten Cannabis, der Achte sei erst 17 und schaue zu. Einzig wegen dessen Anwesenheit müsse jeder der sieben 1.000 Euro Bußgeld zahlen. Falls sie ihm etwas abgeben, sei es sogar eine Straftat. Wenn sich dagegen alle acht gemeinsam "im Park mit Wodka ins Koma saufen", koste es sie gar nichts.
Gerlach hält Kritik für "völlig unbegründet"
Gesundheitsministerin Gerlach weist die Kritik zurück. "Die Attacken von SPD und Grünen sind völlig unbegründet", sagt sie gegenüber dem BR. "Unser Ziel ist es, dass nach der gefährlichen Cannabis-Legalisierung insbesondere Kinder und Jugendliche möglichst gut geschützt werden." Deshalb sei es "auch nur konsequent", dass der vom Bund für die Bußgelder vorgesehene Rahmen ausgeschöpft werde.
Damit sende Bayern vor allem das klare Signal, "dass uns Jugendschutz vor Drogenkonsum geht", betont die CSU-Politikerin. Falsch sei dagegen, wenn Bayerns Opposition genauso wie die Bundesregierung die Cannabis-Risiken verharmlose.
Jurist: "Kluger Schachzug"
Dass Bayern mit seinem Bußgeldkatalog ein Signal sendet, sagt auch Strafverteidiger Grubwinkler. "Man muss Markus Söder eins lassen: Strategisch war's ein relativ kluger Schachzug." Da Bayern als erstes Bundesland einen Cannabis-Bußgeldkatalog erlassen habe, habe dieser eine "Ankerwirkung": "Die anderen Bundesländer werden sich daran erst mal orientieren", vermutet der Jurist. "Sie werden es zumindest im Hinterkopf haben und werden jetzt nicht drastisch drunter gehen."
Er gehe zwar nicht davon aus, dass die meisten Länder den bayerischen Bußgeldkatalog eins zu eins übernehmen. "Aber es wird jetzt kaum ein Bundesland kommen und dann sagen: Wir machen jetzt 50 Euro Bußgeld oder sowas - wenn es in Bayern 1.000 Euro sind. Das wird schon irgendwie in Relation bleiben." Söder habe damit also ein Zeichen gesetzt: "So werden die Bußgelder sein."
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