Lisa Paus soll neue Bundesfamilienministerin werden. Die Grünen haben die Berliner Bundestagsabgeordnete für die Nachfolge von Anne Spiegel nominiert. Eigentlich ist Paus Finanzpolitikerin und hat dem damaligen Minister Scholz bei Wirecard auf die Finger geklopft. Ob ihr diese Erfahrung im neuen Job hilft?
Mit Baumaschinen groß geworden
Tunnelbaufahrzeuge, Gabelstapler, Lifte – Lisa Paus wird mit Baumaschinen groß. Ihr Vater führte einen Maschinenbaubetrieb im niedersächsischen Emsbüren. Das Emsland: eine Hochburg der CDU. Lisa Paus geht politisch andere Wege.
Die 53-Jährige sitzt seit 2009 für die Grünen im Bundestag. Sie gehört dem linken Flügel ihrer Partei an – ein entscheidender Faktor bei der Suche einer Nachfolgerin für die bisherige Bundesfamilienministerin Anne Spiegel. Aber nicht der Einzige.
Erfahrung als Bundestagsabgeordnete
Als stellvertretende Fraktionschefin ist Paus im Bundestag gut vernetzt – anders als Spiegel, die aus der rheinland-pfälzischen Landespolitik nach Berlin gewechselt war und schnell feststellen musste, dass der politische Betrieb in der Hauptstadt besondere Härten bereithält.
In den vergangenen Jahren hat sich Paus vor allem als Finanzpolitikerin einen Namen gemacht. Sie saß zum Beispiel im Wirecard-Untersuchungsausschuss, um das Verhalten von Politik und Behörden beim insolventen Zahlungsdienstleister Wirecard aus Aschheim bei München zu untersuchen. Ein Zeuge war übrigens der damalige Bundesfinanzminister Olaf Scholz.
In den Ampel-Koalitionsverhandlungen hat die Diplom-Volkswirtin für die Grünen das Kapitel Finanzen und Haushalt federführend verhandelt.
Eine Finanz-Fachfrau als Familienministerin?
Die Finanzpolitikerin Paus hat in der Vergangenheit aber auch immer wieder familienpolitische Akzente gesetzt. Für ihre Partei entwirft sie ein neues Familienförderungskonzept – das sogenannte Familienbudget.
Sie macht sich dafür stark, das Ehegattensplitting abzuschaffen und stattdessen eine Kindergrundsicherung einzuführen. Paus gilt als einer der führenden Köpfe hinter dem zentralen familienpolitischen Konzept der Ampelkoalition.
Ihre größte Herausforderung: eine Kindergrundsicherung
Bei der Kindergrundsicherung wird es schnell kompliziert. Es geht um verschiedene staatliche Leistungen wie Kindergeld, Hartz IV und Steuerfragen. Eine Finanzpolitikerin im Familienministerium ist da kein Nachteil. Momentan sitzt eine Arbeitsgruppe aus sechs Ministerien an einem Konzept. Ergebnisse werden bis Ende 2023 erwartet.
Neben der Kindergrundsicherung tritt Paus für einen Ausbau der Kinderbetreuung ein. Das soll vor allem Alleinerziehende entlasten und die Vereinbarkeit von Familien und Beruf zu verbessern. Die Bundestagsabgeordnete erzieht ihren Sohn seit 2013 allein. Ihr Lebensgefährte ist an Krebs gestorben.
Grüne suchen drei Tage eine Nachfolge für Anne Spiegel
Drei Tage brauchten die Grünen, um eine Nachfolgerin für Anne Spiegel zu finden. Angesichts eines Krieges in Europa, der laufenden Pandemie und zwei bevorstehenden Landtagswahlen im nächsten Monat war Eile geboten.
Dass wieder eine Frau das Bundesfamilienministerium führen soll, war schnell klar. Grünen-Chefin Ricarda Lang begründete das damit, dass im Bundeskabinett gleich viele Frauen und Männer sitzen sollen. Ein weiteres wichtiges Kriterium sei Kompetenz.
Wie wichtig ist die Flügellogik der Grünen?
Dass die Wahl auf Paus fällt, dürfte aber auch mit der Flügellogik der Grünen zu tun haben. Paus zählt zum linken Parteiflügel – genau wie Anne Spiegel. Zwar betonen Grünen-Politikerinnen und Politiker gerne, dass die Einteilung in Realo- und linken Parteiflügel überholt sei. Die Besetzung der grünen Kabinettsposten im vergangenen Herbst hat allerdings das Gegenteil bewiesen.
Am Ende eines harten Machtkampfes musste Anton Hofreiter aus dem linken Lager dem Realo Cem Özdemir den Vortritt ins Landwirtschaftsministerium lassen. Die Wunden sind bis heute zu spüren. Paus‘ Nominierung bewahrt das fein austarierte Verhältnis von zwei Linken und drei Realos im grünen Regierungslager.
Baustelle Familienministerium
Dabei hätte es andere Kandidatinnen gegeben: Ekin Deligöz aus Senden in Bayern zum Beispiel. Die 50-Jährige ist momentan parlamentarische Staatssekretärin im Bundesfamilienministerium. Als Vizepräsidentin des Deutschen Kinderschutzbunds kennt sie sich bestens aus in der Familienpolitik. Doch Deligöz wird dem Realo-Flügel der Grünen zugerechnet.
Paus wäre die vierte Bundesfamilienministerin in nicht mal zwölf Monaten: Franziska Giffey (SPD) stolperte im Mai 2021 über eine Plagiatsaffäre. Christine Lambrecht (SPD) übernahm das Haus als damalige Justizministerin nur übergangsweise. Anne Spiegel musste nach 125 Tagen gehen, weil sie als Landesministerin in Rheinland-Pfalz nach der Flutkatastrophe für einen Monat in Familienurlaub ging und falsche Angaben dazu machte.
Bei so vielen Wechseln gleicht das Bundesfamilienministerium in der Berliner Glinkastraße einer Baustelle. Für Lisa Paus aus der Familie eines Baumaschinenherstellers also keine unbekannte Umgebung.
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