Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) ist derzeit auf Schweden-Reise. Bei seinem Besuch geht es auch um die Verteidigungsfähigkeit Europas. Der Bundeswehr wurde zuletzt in der Frage nur ein mageres Zeugnis ausgestellt. Laut dem letzten Wehrbericht vom März hat die Truppe nach wie vor ein "enormes Personalproblem". Der Kanzler sieht das aber offenbar gelassen.
Kanzler hält Personalnot für "überschaubare Aufgabe"
Die Bewältigung des Personalmangels bei der Bundeswehr sei eine "überschaubare" Aufgabe, sagte Scholz bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit dem schwedischen Regierungschef Ulf Kristersson in Stockholm. "Es geht letztendlich darum, wie können wir es erreichen, dass wir genügend Frauen und Männer davon überzeugen, in der Bundeswehr zu arbeiten und dort eine Aufgabe für sich zu finden". Der Kanzler räumte aber ein, dass das Problem angegangen werden müsse.
Scholz: Reaktivierung der Wehrpflicht in Deutschland von niemandem erwogen
Wie das passieren soll, ließ Scholz aber offen. Eine Rückkehr zur Wehrpflicht in ihrer alten Form lehnte er ab. Die Wehrpflichtarmee sei unter einem CSU-Verteidigungsminister abgeschafft worden und würde heute nun nicht mehr funktionieren. Es habe damals "viel mehr Soldaten, viel mehr Kasernen und viel mehr Infrastruktur" gegeben, sagte Scholz. "Alles das wird heute weder benötigt, noch ist es der Plan, den irgendjemand verfolgt."
Das Ziel der Bundesregierung steht jedenfalls fest: Bis 2031 soll die Bundeswehr von derzeit 182.000 auf 203.000 Soldaten aufgestockt werden. In der Vergangenheit wurde öffentlich mehrfach über eine neue Wehrpflicht diskutiert. Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) will dazu in den nächsten Wochen einen Vorschlag machen. Er hatte immer große Sympathien für das schwedische System gezeigt. Im Kalten Krieg gehörten der Wehrpflichtarmee Bundeswehr bis zum Mauerfall fast 500.000 Soldaten an.
Schweden setzt auf Kombination von Freiwilligen und Berufssoldaten
Schweden hat die Wehrpflicht bereits 2017 wieder eingeführt. In dem skandinavischen Land werden Wehrpflichtige dabei mit Berufssoldaten kombiniert. Nachdem zunächst alle jungen Frauen und Männer einen Fragebogen von der Musterungsbehörde bekommen, wird nur ein Teil von ihnen zur Musterung eingeladen. Ein ausgewählter Kreis wiederum erhält dann am Ende Angebote für einen Dienst. Eingestellt werden aber nur so viele Freiwillige, wie die tatsächlich Armee benötigt.
Aus Sicht von Schwedens Ministerpräsident ein funktionierender Weg. "Natürlich trifft jedes Land seine eigene Entscheidung, wie es Soldaten rekrutiert und einsetzt. Ich denke, für Schweden haben wir ein Modell gefunden, das meiner Meinung nach geeignet ist", betonte Kristersson. Kein Land habe aber ein perfektes Modell.
Union will Entscheidung zur Aussetzung der Wehrpflicht rückgängig machen
Die CDU hatte auf ihrem Parteitag vergangene Woche beschlossen, dass die 2011 ausgesetzte Wehrpflicht mit Blick auf die Bedrohung aus Russland "schrittweise" zurückgenommen werden sollte. Bis zur Umsetzung eines verpflichtenden Gesellschaftsjahres soll eine Kontingentwehrpflicht eingeführt werden - ebenfalls nach dem Vorbild Schwedens.
Deutschland und Schweden wollen bei Verteidigung enger kooperieren
Scholz und Kristersson erweiterten bei ihrem Treffen auch die seit 2017 bestehende strategische "Innovationspartnerschaft", die nun auch in den Bereichen Sicherheit, Verteidigung und neue Technologien zu einer engeren Zusammenarbeit führen soll. Aufgrund der Verschlechterung der weltweiten Sicherheitslage und des Beitritts Schwedens zur Nato sei eine Vertiefung des Abkommens angemessen, heißt es in dem dazu am Dienstag unterzeichneten Dokument.
Die Ausweitung der bilateralen Partnerschaft auf den Bereich der Verteidigung biete Möglichkeiten zu Kooperationen in den Bereichen von Unter-Wasser-Technologien und Cyberverteidigung, zudem könne dadurch die europäische Stellung im Weltall verbessert werden, sagte Schwedens Ministerpräsident Kristersson. "Wir müssen unsere Wettbewerbsfähigkeit stärken, um gegen die USA und die asiatischen Länder anzukommen."
Mit Informationen von dpa und Reuters.
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