Der kommende Kanzler Olaf Scholz bleibt pragmatisch. Das hat er schon bei den Treffen über die neuen Corona-Regeln gezeigt. Er bleibt nicht stur bei seinem Kurs, sondern kommt entgegen, man könnte auch sagen: er lenkt ein. So kann man auch die Personalie Karl Lauterbach interpretieren.
Der Gesundheitspolitiker ist beliebt in der Bevölkerung, tourte in der Pandemie durch die Talkshows und sogar aus der Opposition kamen Stimmen, die Lauterbach als Gesundheitsminister forderten. "Er wird es." Das sagte Olaf Scholz bei der Vorstellung der Ministerinnen und Minister in Berlin.
Lauterbach: Das Volk hat gesprochen
Im Vorfeld wurde wild spekuliert: Scholz könne Lauterbach gar nicht als Gesundheitsminister nominieren, da Scholz auf die Geschlechterparität bei seinen SPD-Ministerinnen und -Ministern achten und das Gesundheitsministerium dann eine Frau übernehmen müsse. Doch es kam anders.
Scholz sagte bei der Vorstellung Lauterbachs: Die Pandemie sei noch lange nicht vorbei. "Und deshalb haben sich, anders kann man das gar nicht sagen, bestimmt die meisten Bürgerinnen und Bürger dieses Landes gewünscht, dass der nächste Gesundheitsminister vom Fach ist, es wirklich gut kann und dass er Karl Lauterbach heißt." An der Formulierung merkt man, dass sich Scholz nicht gegen die letzten Umfragen stellen will und vielleicht auch nicht kann. Und, dass der Epidemiologe Lauterbach vom Fach ist, kann auch keiner bestreiten.
Scholz: "Frauen haben die Hälfte der Macht"
Am Ende sind es vier Frauen und drei Männer. Scholz sagte stolz: "Frauen haben die Hälfte der Macht." In der Gesellschaft lebten zur Hälfte Frauen, so Scholz, daher sollten sie auch zur Hälfte im Kabinett vertreten sein.
Ein Ausrufezeichen sind auch die Nominierungen im Innen- und Verteidigungsressort. "Sicherheit wird in dieser Regierung in den Händen starker Frauen liegen", sagte Scholz bei der Vorstellung. Denn das Verteidigungsressort soll die derzeit geschäftsführende Justiz- und Familienministerin Christine Lambrecht übernehmen. Und das Innenministerium soll an die hessische Politikerin Nancy Faeser gehen.
Sie sei als langjährige innenpolitische Sprecherin der hessischen SPD-Landtagsfraktion "mit dem Thema bestens bekannt", sagte Scholz. Faeser gab bei der Vorstellung einen Einblick, welches Hauptthema sie in ihrer Amtszeit beschäftigen wird: "Ein besonderes Anliegen wird mir sein, die größte Bedrohung, die derzeit unsere freiheitlich demokratische Grundordnung hat, den Rechtsextremismus zu bekämpfen."
Dauerläufer und Neuankömmlinge
Das Ressort für Arbeit und Soziales soll erneut Amtsinhaber Hubertus Heil übernehmen. Heil ist der Dauerläufer bei den Sozialdemokraten und ein Zeichen für Kontinuität. Schon in der letzten Legislatur war er Sozial- und Arbeitsminister. Ihn bezeichnete Scholz als "ein Schlachtross, ein Niedersachsen-Ross", der unter anderem die Grundrente durchgesetzt habe.
Das neue Bauministerium soll die Brandenburger SPD-Politikerin Klara Geywitz leiten. Eine bundespolitisch eher unbekannte Personalie. Mit ihr hatte sich Scholz vor zwei Jahren erfolglos um den Parteivorsitz beworben. Im neuen Kabinett soll sie das Thema Wohnungsbau voranbringen. Ministerin für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung soll Svenja Schulze werden, die bisher Bundesumweltministerin war. Kanzleramtsminister wird der Scholz-Vertraute Wolfgang Schmidt. Er war unter Scholz Finanzstaatssekretär.
Seine SPD-Ministerinnen und -Minister sind ein Mix aus Dauerläufern, bundespolitischen Neulingen, Fachexpertinnen und Experten sowie engen Vertrauten. Mit Lauterbach gelang Scholz eine Überraschung, die sich viele in der Bevölkerung wünschten. Ein kluger Schachzug, um die Gemüter in der aufgeheizten Corona-Diskussion ein wenig zu beruhigen.
Insgesamt gehören dem gesamten Kabinett dann mit Scholz als Regierungschef neun Männer und acht Frauen an. Die FDP hielt sich nicht an Parität, sie hat drei Männer und eine Frau für die Regierung nominiert, die Grünen drei Frauen und zwei Männer. Scholz hatte bereits lange vor der Bundestagswahl eine paritätisch besetzte Bundesregierung angekündigt. Ganz paritätisch ist das Ergebnis jetzt nicht.
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