Furkan Yüksel ist in Deutschland geboren. Heute ist er in der Jugend- und Erwachsenenbildung tätig, klärt unter anderem über Antisemitismus und Rechtsextremismus auf. Außerdem engagiert er sich im interreligiösen Dialog beim Projekt "Schalom und Salam".
Trotz seines Engagements ist er als Muslim immer wieder Anfeindungen ausgesetzt. Sobald sein Gegenüber merke, dass er gläubiger Muslim ist, werfe das für die Leute sofort bestimmte Fragen auf, so erlebt es Yüksel: "Wie stehst du zum IS oder bist du überhaupt in den Grundwerten demokratisch oder ähnliches."
Gefühl, nicht Willkommen zu sein
Obwohl er kein Land so gut kennt wie Deutschland, fühlt sich Furkan Yüksel zunehmend fremd in seinem Land. Der islamskeptische Ton in der Gesellschaft habe sich seit dem Angriff der Hamas auf Israel nochmal verschärft, findet er.
Und das Problem des Antisemitismus werde externalisiert, ganz nach dem Motto: "Das sind die anderen. Das sind nicht Leute von uns, das sind die Araber und die Muslime. Und jetzt reden wir über Abschiebungen, über Ausbürgerungen und so weiter." Bei Muslimen erwecke das nicht das Gefühl, Teil der Gesellschaft zu sein.
Islamwissenschaftler: Islamfeindlichkeit zunehmend salonfähig
Wissenschaftler bestätigen die Wahrnehmung: Der Islamwissenschaftler Matthias Rohe von der Universität Erlangen-Nürnberg stellt fest: Der Blick auf den Islam sei von Verallgemeinerungen und Pauschalisierungen geprägt. Die Diversität der Muslime in Deutschland werde nicht gesehen.
"Und wir haben mittlerweile auch deutliche politische Gruppierungen wie die AfD, die Islamfeindlichkeit zu ihrem Parteiprogramm gemacht hat", erklärt Rohe. All diese Faktoren beeinflussten die gesellschaftliche Haltung gegenüber dem Islam.
Zahl islamfeindlicher Straftaten gestiegen
Eine Haltung, die sich auch in Zahlen widerspiegelt: Nach vorläufigen Daten des Bundesinnenministeriums hat in diesem Jahr die Anzahl islamfeindlicher Straftaten zugenommen. Sie liegt für die ersten drei Quartale bei 686 – und überschreitet damit bereits jetzt die Gesamtzahl des Vorjahres. Laut Experten liegt die Dunkelziffer um vieles höher.
Muslime fühlen sich ausgegrenzt
Esma ist Sales-Managerin aus München. Auch sie erlebt, dass Menschen auf Distanz zu ihr gehen. Sich nach drei Generationen muslimischer Einwanderung in Deutschland noch immer nicht willkommen zu fühlen, das sei "einfach so traurig", sagt sie. Dabei sei Deutschland ihr Zuhause. "Die Leute lassen dich spüren, du bist ein Gast, und es ist nur eine Frage der Zeit, wann du gehen wirst."
Ausgrenzungserfahrungen machen aber nicht nur Erwachsene, sondern auch Kinder. Jasmina, die aus Angst vor Anfeindungen lieber anonym bleiben möchte, ist Lehrerin an einem Münchner Gymnasium. In der Schule beobachte sie sehr deutlich, wie Rassismus zunehmend salonfähig werde.
Kinder und Jugendliche leiden besonders unter Diskriminierung
Die Stimmung im Schulalltag sei völlig eskaliert, schildert sie: "Dahingehend, dass Schüler genötigt werden sich zu positionieren, Schüler, die gar keine Ahnung haben von diesem Konflikt, diese Kinder werden unter Generalverdacht gestellt." Einige Lehrerkolleginnen und Kollegen würden muslimischen Kindern grundsätzlich Antisemitismus unterstellen, so die Erfahrung der Pädagogin.
Auch die Kinderpsychologin Imen Belajouza erfährt von solchen Diskriminierungserlebnissen in ihrer Praxis. Mit Verunglimpfungen wie dem Begriff "Aggro-Araber" seien manche ihrer Klienten regelmäßig konfrontiert. Die ständige Diskriminierung, so Kinderpsychologin, könne zu Frust bei Betroffenen führen, "die dann in die totale Abgrenzung gehen, mit der Haltung: Ihr seht mich als "Aggro-Araber" - dann werde ich auch zu einem."
Islamwissenschaftler Rohe mahnt mehr Sachlichkeit an
Damit sich auch Muslime gehört fühlen, plädiert der Erlanger Islamwissenschaftler Matthias Rohe für Solidarität. Und zwar mit allen Menschen, die unter dem Hamas-Terror und dem Krieg in Gaza leiden. "Wir dürfen jetzt nicht solche schrecklichen Ereignisse zum Anlass nehmen, ganze Bevölkerungsgruppen auszugrenzen oder unter Verdacht zu stellen", mahnt Rohe und fordert mehr Sachlichkeit.
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