Mit einer Großrazzia in sieben Bundesländern ist das Bundesinnenministerium am Donnerstag gegen das "Islamische Zentrum Hamburg" (IZH) und mögliche Teilorganisationen vorgegangen. Bei den Durchsuchungen sind laut Ministerium zahlreiche potenzielle Beweismittel gefunden worden, unter anderem größere Bargeldmengen, CDs, Schriftstücke und Flugblätter. Die Beamten nahmen zudem Mobiltelefone, Tablets, Laptops und USB-Sticks mit.
Verdacht: IZH richtet sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung
Die Durchsuchungen erfolgten laut Bundesinnenministerium im Rahmen eines vereinsrechtlichen Ermittlungsverfahren gegen das IZH. Dieses stehe im Verdacht, "sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung und gegen den Gedanken der Völkerverständigung zu richten". Wenn dem so wäre, würden Verbotsgründe erfüllt. Zudem gingen die Sicherheitsbehörden den Angaben zufolge dem Verdacht nach, dass das IZH die Aktivitäten der libanesischen Terrororganisation Hisbollah unterstützt, die aktuell auch Raketen gegen Israel einsetzt. Für die Hisbollah gilt in Deutschland seit 2020 ein Betätigungsverbot.
Das IZH erklärte als Reaktion auf die Razzia, es werde "vollständig mit den Behörden" kooperieren. Es habe "volles Vertrauen in den deutschen Rechtsstaat" und sei zuversichtlich, "dass die Ergebnisse der Durchsuchung diesen Anfangsverdacht nicht erhärten können".
Innenministerin Nancy Faeser (SPD) betonte am Donnerstag, dass für ein Verbotsverfahren gegen das IZH Beweismittel notwendig seien. Das beschlagnahmte Material müsse deshalb erst ausgewertet werden. Dann würden "weitere Schritte" geprüft.
Durchsuchungen auch bei "Islamischen Vereinigung Bayern"
Wie Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) mitteilte, durchsuchte die Polizei in München in diesem Zusammenhang drei Objekte im Umfeld der "Islamischen Vereinigung Bayern" (IVB). Zwischen dem IZH und der IVB bestehen nach Einschätzung des Bayerischen Landesamts für Verfassungsschutz enge Verflechtungen. Der Verein mit Sitz in München wird deshalb von der Behörde beobachtet.
Bei der IVB bestehe der dringende Verdacht, dass es sich hierbei um eine Teilorganisation beziehungsweise Außenstelle des IZH handelt, hieß es am Donnerstag entsprechend aus dem bayerischen Innenministerium. Mit rund 50 Einsatzkräften durchsuchte die Polizei die Objekte in der Landeshauptstadt. Laut Herrmann stellten die Ermittler unter anderem eine Reihe von Datenträgern sowie weitere Unterlagen sicher. "Wir ziehen alle Register, um Extremisten den Nährboden zu entziehen", teilte der Innenminister mit. Die Durchsuchungen zielten darauf ab, "die Vereinsstrukturen und Aktivitäten weiter aufzuklären, um ein mögliches Verbot vorzubereiten". Dafür würden alle sichergestellten Beweismittel "akribisch ausgewertet".
Verfassungsschutz Bayern: IZH schickt Imame zur IVB
Der bayerische Verfassungsschutz rechnet die IVB dem schiitischen Islamismus zu. Schiitisch-islamistische Organisationen treten demnach in ihren Heimatstaaten militant in Erscheinung und nutzten Deutschland als Rückzugsraum und beispielsweise zum Spendensammeln. Die "Herrschaft der Rechtsgelehrten" ist von zentraler Bedeutung. Westliche Demokratien sollen unterwandert werden. Im Verfassungsschutzbericht Bayerns 2022 heißt es: "Neben der iranischen Botschaft ist das IZH die wichtigste offizielle Vertretung Irans ins Deutschland und gleichzeitig eines seiner bedeutendsten Propagandazentren in Europa." Die enge Anbindung an den Iran zeige sich daran, dass der Leiter des "Islamischen Zentrum Hamburg" ein ausgewiesener islamischer Rechtsgelehrter sein müsse, der vom iranischen Außenministerium bestimmt werde. Der Iran versuche auf diese Weise, Schiiten aller Nationalitäten an sich zu binden und die Werte der "Iranischen Revolution" von 1978/79 zu verbreiten.
Das IZH soll laut bayerischem Verfassungsschutz in den vergangenen Jahren immer wieder Imame zur Predigt an die IVB in München entsandt haben. Zudem sei in der Satzung des Münchner Vereins festgelegt, dass das Vermögen bei einer Auflösung an das IZH fallen solle.
Nach außen hin will das Islamische Zentrum München in seinem eigenen Auftreten ein religiöses, weltoffenes Bild erzeugen, das zwischen den Nationen vermitteln möchte.
Razzien zu spät?
Weil es ein offenes Geheimnis sei, dass die IVB eng mit dem IZH kooperiere, kritisieren Beobachter, dass erst jetzt solche Durchsuchungen stattfanden. Islamwissenschaftler Ahmad A. Omeirate etwa schrieb auf der Plattform X: "Seit Monaten ist bekannt, dass solche Razzien bevorstehen. In dieser Zeit hatten die betroffenen islamistischen Vereine die Gelegenheit, sich darauf vorzubereiten und potenzielle Beweise zu vernichten."
Erst kürzlich waren Betätigungsverbote für die islamistische Hamas-Bewegung und das Netzwerk Samidoun in Kraft getreten. Die Hamas ist eine sunnitisch-islamistisch geprägte Organisation. Die deutsche Innenministerin sagte diesbezüglich vor rund einer Woche im Bundestag: "Wir arbeiten schon an weiteren Verboten."
Vereinsverbot: Hohe Hürden zur Wahrung der Grundrechte
Um Vereine in Deutschland zu verbieten, müssen hohe rechtliche Hürden überwunden werden. So muss die Verfassungsfeindlichkeit nachgewiesen werden. In Artikel 9, Absatz 2 des Grundgesetzes heißt es: "Vereinigungen, deren Zwecke oder deren Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder die sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder gegen den Gedanken der Völkerverständigung richten, sind verboten." Im Bereich des Islamismus listet das Bundesinnenministerium derzeit 14 verbotene Vereine auf.
Mit Informationen von AFP und dpa
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