Durch Forschung an Embryonen erhoffen sich manche Wissenschaftler neue medizinische Erkenntnisse, zum Beispiel im Bereich Demenz, Diabetes, Herzinfarkt sowie bislang unheilbare Krankheiten. In vielen Ländern, auch in Europa, wird daher an Embryonen geforscht, die zum Beispiel bei der künstlichen Befruchtung als "Nebenprodukt" entstehen.
Embryonenforschung in Deutschland verboten
In Deutschland ist solche Forschung verboten. Das regelt das Embryonenschutzgesetz aus dem Jahr 1990. Tausende Embryonen, die in deutschen Kältezentren lagern, können deswegen nicht für die Forschung genutzt werden. Geht es nach der Bundesforschungsministerin Bettina Stark-Watzinger von der FDP, soll sich das ändern. Man will im internationalen Wettbewerb nicht hinterherhinken – und die Forschung sei einfach zu wichtig.
Der Augsburger Weihbischof Anton Losinger, der lange im deutschen und auch bayerischen Ethikrat war, spricht sich dagegen aus, "dass embryonale Menschen, die ja mit dem Augenblick der Zeugung menschliche Embryonen sind, verwendet werden – entweder für kommerzielle medizinische Forschung oder für eine verbrauchende Forschung". Das werdende Baby habe Lebensrecht und Würde nach dem Recht der Bundesrepublik Deutschland.
"Eine Kommerzialisierung der Rolle der Frau"
Das Gesetz in Deutschland sei aus gutem Grund so streng, sagt Losinger. Die Verwendung von embryonalen Stammzellen bedeute die Tötung menschlicher Embryonen. "Und ich bin gegen Eizellspende und Leihmutterschaft, weil das im Grunde genommen eine Kommerzialisierung der Rolle der Frau, des Kinderkriegens und der Familie bedeutet."
Und genau das ist bisher verboten: Eizellspenden, Leihmutterschaften und das Forschen an und mit humanen embryonalen Stammzellen. Doch das Gesetz führt auch zu Problemen: Was tun mit den unzähligen überschüssigen Embryonen, die in deutschen Kältezentren eingefroren sind? Sie werden immer bei der künstlichen Befruchtung entstehen.
Ampelregierung und Forscher setzen sich für Reform ein
Unter anderem aus diesen Gründen setzt sich die Ampelregierung in Berlin für eine Reform des bestehenden Embryonenschutzgesetzes ein, daneben auch eine wachsende Anzahl von Forschern und Juristen. So wie Josef Franz Lindner von der Universität Augsburg. Er befasst sich mit Medizinrecht und Rechtsphilosophie.
Das Embryonenschutzgesetz sei ein Strafgesetz, da dort nur Straftatbestände enthalten seien, erläutert er. "Was ja der Thematik der Fortpflanzungsmedizin schon per se nicht angemessen ist." Für ihn enthält es vor allem zu viele Verbote, "insbesondere die Eizellspende, die Leihmutterschaft".
Viele Dinge seien auch überhaupt nicht geregelt, sagt Lindner. Das Gesetz sei von 1990 und seitdem mit Ausnahme der Präimplantationsdiagnostik nicht mehr angepasst worden. Der Augsburger Medizinrechtler ist daher dafür, dass künftig in Deutschland einige Dinge zugelassen werden: die Eizellspende für künstliche Befruchtung, vielleicht auch Leihmutterschaft.
Genauso solle die Forschung an überzähligen Embryonen und daraus gewonnenen Stammzellen bei uns legalisiert werden. Und es solle möglich sein, zu prüfen, wie überlebensfähig ein Embryo ist, bevor er einer Frau eingesetzt wird, so Lindner. Auch das ist bisher nicht erlaubt.
Eltern werden auch künftig nicht Augenfarbe des Kindes bestimmen dürfen
Worin Weihbischof Anton Losinger und Josef Franz Lindner sich allerdings einig sind: Eine Selektion menschlichen Lebens muss durch jede künftige rechtliche Regelung weiter ausgeschlossen bleiben. Eltern werden daher auch künftig keine Embryos anhand von Kriterien wie Augenfarbe oder ähnlichem auswählen dürfen.
Eine Reform des Embryonenschutzgesetzes wird kommen. Wie weit sie gehen wird, ist derzeit noch unklar. Eine von der Bundesregierung eingesetzte Kommission prüft momentan alle offenen Fragen.
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