Es ist viel von staatspolitischer Verantwortung und Amtseiden die Rede in dieser Nacht, die das Aus der Ampel besiegelt. SPD und Grüne auf der einen Seite und die FDP auf der anderen gehen hart miteinander ins Gericht. Die Opposition fordert unterdessen, Neuwahlen müssten deutlich schneller kommen.
Den Auftakt am Abend machte Bundeskanzler Olaf Scholz. Seine Rede wird regelrecht zur Abrechnung mit Finanzminister Christian Lindner. Scholz wirft Lindner Egoismus vor, er habe zu oft "kleinkariert parteipolitisch taktiert". Der Kanzler betont seine Verantwortung für Deutschland. Mit dem Rauswurf Lindners habe er "Schaden vom Land" abwenden wollen.
SPD-Fraktion: langer Applaus für Scholz
In seiner kämpferischen Rede, die er vom Teleprompter abliest, präsentiert der Kanzler einen ganz anderen Scholz, als den bedacht zwischen Grünen und FDP moderierenden, wie er seine Rolle zuvor oft definiert hat. Dafür bekommt er langen, stehenden Applaus später in der Fraktionssitzung der SPD. Der SPD-Fraktionsvorsitzende Rolf Mützenich teilt unterdessen ebenso gegen Lindner aus. Die Verhandlungen seien auf gutem Weg gewesen, "aber dann hat Lindner plötzlich Neuwahlen gefordert". Dass das sofort öffentlich wurde, sei ein "krasser Vertrauensbruch" gewesen. Scholz hätte da nicht mehr weitermachen können.
Die FDP hingegen sieht die Rede von Scholz als Beweis für einen kalkulierten Bruch. Der Kanzler habe das Statement lange vorbereitet, sagt Noch-Finanzminister Christian Lindner. Die Vorschläge des Kanzlers, um noch eine Einigung herbeizuführen, nennt Lindner "matt" und "unambitioniert". Auch Lindner sieht sein Handeln als verantwortungsvoll. Er habe einen Weg zu Neuwahlen vorgeschlagen, um die Handlungsfähigkeit des Landes zu jedem Zeitpunkt zu gewährleisten.
FDP spricht von kalkuliertem Bruch
Die FDP-Politikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann verortet die Schuld für den Bruch beim Kanzler. Sie betont, die FDP habe das Gespräch konstruktiv angesetzt, aber der Kanzler hatte schon ein vorbereitetes Statement für den Bruch.
Die Grünen wiederum teilen deutlich gegen die FDP aus. Die Fraktionschefin Britta Haßelmann beklagt bei Lindner "Egoismen" und eine "destruktive Herangehensweise". Der Finanzminister habe seine Arbeit nicht gemacht. Das Schwarz-Peter-Spiel ist in vollem Gange.
Union drängt auf frühe Neuwahlen
CDU und CSU drängen darauf, nun schnell Neuwahlen durchzuführen. Der Zeitplan des Kanzlers sieht vor, die Vertrauensfrage erst im Januar zu stellen. Verliert er diese, kann der Bundespräsident Neuwahl veranlassen, muss das aber nicht tun. Danach gibt es Fristen für eine mögliche Neuwahl, die im März stattfinden könnte. Die Union fordert, Scholz müsse schon kommende Woche die Vertrauensfrage stellen. Denn der Kanzler habe jetzt kein Vertrauen mehr, sagt der CDU-Bundestagsabgeordnete Andreas Jung.
Jung hält den Fahrplan des Kanzlers für Taktiererei. In der Tat verschafft Scholz sich und der SPD damit etwas mehr Zeit, um den Wahlkampf vorzubereiten. Außerdem ist Anfang März Bürgerschaftswahl in Hamburg, von der sich die SPD Rückenwind erhoffen könnte, da sie dort traditionell stark ist. Scholz begründet den Zeitplan damit, dass er so einen halbwegs geordneten Übergang schaffen kann, und hofft noch in paar wichtige Gesetze, wie eine Rentenreform, bis Ende des Jahres durch den Bundestag zu bekommen.
Arbeitgeber wollen "handlungsfähige Mehrheiten"
Unterstützung für ihre Forderung bekommt die Union von der FDP. Deren Fraktionschef Christian Dürr wünscht sich im ARD-Morgenmagazin ebenfalls früher Neuwahlen. Auch der Arbeitgeberverband Gesamtmetall plädiert dafür. Deutschland brauche eine "Wirtschaftswende" sagt Verbandspräsident Stefan Wolf der Bild-Zeitung. "Dafür braucht es eine Richtungsentscheidung und handlungsfähige Mehrheiten."
Der Deutsche Gewerkschaftsbund wiederum fordert, dass jetzt parteiübergreifend zusammengearbeitet werde, um wichtige Beschlüsse noch zu beschließen. "Es darf jetzt kein Zurückziehen allein in den Wahlkampfmodus geben", sagt DGB-Chefin Yasmin Fahimi. Die Statements der Parteien seit gestern Abend zeigen, der Wahlkampf hat bereits begonnen.
In voller Länge: Scholz erklärt Ampel-Aus
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