Mit ernstem Blick tritt Olaf Scholz zu später Stunde im Kanzleramt ans Rednerpult. Da hat sich die Nachricht in Berlin schon wie ein Lauffeuer verbreitet: Das Krisentreffen an diesem Mittwochabend war das letzte der Ampel. Die Koalition ist gescheitert – und das am Tag nach der historischen Präsidentschaftswahl in den USA. Der Kanzler kommt gleich zur Sache: Er habe soeben den Bundespräsidenten gebeten, Finanzminister Christian Lindner zu entlassen.
Zur Begründung dieses Schritts wählt Scholz drastische Worte: "Ich sehe mich zu diesem Schritt gezwungen, um Schaden von unserem Land abzuwenden." Zu oft habe der FDP-Chef "kleinkariert taktiert". Auch den ausstehenden Bundestagsbeschluss zum Haushalt für kommendes Jahr habe dieser für parteipolitische Zwecke nutzen wollen. "So ist ernsthafte Regierungsarbeit nicht möglich", kritisiert der Kanzler. Doch sei nach dem Sieg von Donald Trump in den USA und angesichts der Kriege in der Ukraine und im Nahen Osten ein solcher "Egoismus" nicht mehr hinnehmbar.
Scholz wollte Paket für mehr Investitionen schnüren
Dann erläutert Scholz das Angebot, das er Lindner zuvor gemacht habe. Dazu hätte nach den Worten des SPD-Politikers eine Entlastung von Unternehmen bei Stromkosten gehört, ein Paket zur Rettung von Arbeitsplätzen in der Autoindustrie, steuerliche Anreize für mehr Investitionen und eine verstärkte Unterstützung der angegriffenen Ukraine. Das alles hätte allerdings Geld gekostet, viel Geld. Und diese Mittel hätte der Kanzler über einen sogenannten Überschreitungsbeschluss mobilisieren wollen. Also mit neuen Krediten, die über die verfassungsrechtliche Schuldenbremse hinausgehen.
Auch aus Sicht der Grünen wäre ein solcher Schritt nötig gewesen. Außenministerin Annalena Baerbock erinnert an den russischen Angriffskrieg und die besondere Rolle, die Deutschland für die Sicherheit in Europa zukomme. Die sei "kein guter Tag für Europa", so Baerbock. Dennoch versucht ihr Parteifreund Robert Habeck, der neben ihr steht, ein Minimum an Zuversicht zu verbreiten: Deutschland werde "trotz alledem seine internationale Verantwortung" wahrnehmen, verspricht der Wirtschaftsminister.
Lindner macht Scholz Vorwürfe
Von Verantwortung spricht kurz darauf auch der FDP-Chef. Allerdings wolle man die lieber in einer anderen Regierung als der bisherigen tragen, stellt Lindner bei einem Statement im Reichstagsgebäude fest. Er habe Vorschläge für einen wirtschaftspolitischen Kurswechsel gemacht – für weniger Bürokratie und eine geringere Steuerlast. Doch SPD und Grüne hätten diese Vorschläge nicht einmal als Grundlage für weitere Beratungen akzeptiert. Stattdessen habe der Kanzler "ultimativ" von ihm verlangt, die Schuldenbremse auszusetzen. Die Ideen von Scholz nennt Lindner "unambitioniert", dem Kanzler habe die Kraft für einen wirtschaftspolitischen Neuanfang gefehlt.
Deutschland steuert auf Neuwahlen zu
Und so ist das Ende dieser Koalition nach dramatischen Stunden in Berlin besiegelt. Scholz will in den nächsten Wochen noch einige Projekte umsetzen und dann im Januar die Vertrauensfrage stellen. Mit dem Ziel, dass im März ein neuer Bundestag gewählt wird. Die Art und Weise, wie Kanzler und Finanzminister an diesem denkwürdigen Abend übereinander gesprochen haben, lässt nur einen Schluss zu: Für eine weitere Zusammenarbeit hätte es in der Ampel definitiv keine Grundlage mehr gegeben.
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