Zweinutzungshühner der Rasse Coffee und Cream
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Zweinutzungshühner der Rasse Coffee und Cream

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Nach Kükentöten-Verbot: Keine Lösung für Bruderhähne

Das Töten von Küken ist in Deutschland seit Anfang 2022 verboten. Schwierig bleibt es jedoch mit den männlichen Küken, da sie kaum Fleisch ansetzen. Zwar gibt es Rassen, bei denen dies anders ist, doch hier sind Eier und Fleisch vielen zu teuer.

Über dieses Thema berichtet: Notizbuch am .

Als Hühnerhalter alles richtigzumachen, das ist gar nicht so einfach. Diese Erfahrung teilt auch Landwirt Johann Limmer in Wurmsham bei Landshut: Vor fünf Jahren hat er den Hof seiner Eltern übernommen und den alten Kuhstall zu einem Bio-Hühnerstall umgebaut. "Ich hab mir gedacht: ja super, jetzt hast Tierwohl, jetzt hast einen Stall mit viel Auslauf, jetzt hast Bio, jetzt hast eigentlich alles gemacht, die nächsten 30 Jahre läuft das jetzt."

Doch schon ein Jahr, nachdem der Umbau für die 3.000 Legehühner fertig war, kam ein Thema auf Limmer zu, das er vorher nicht auf dem Schirm hatte: Die Bruderhahn-Problematik.

Spezialisierte Hochleistungszucht bei Legehennen

Die meisten modernen Legehühner-Rassen sind sogenannte Hybridrassen und so gezüchtet, dass die weiblichen Tiere viele Eier legen. Ihre männlichen Geschwister dagegen legen nicht nur keine Eier, sie sind auch als Mastgockel nicht tauglich, weil sie kaum Fleisch ansetzen. Deshalb wurden die Küken in Deutschland bis vor Kurzem gleich nach dem Schlüpfen sortiert: Die weiblichen durften leben. Ihre männlichen Geschwister wurden getötet.

Seit vergangenem Jahr müssen in Deutschland geschlüpfte Hähne aufgezogen werden. Was vonseiten des Tierschutzes ein Fortschritt ist, verschlingt aber wertvolle Ressourcen, wie Landwirt Limmer feststellt: "Die fressen ein teures Eiweißfutter, das sowieso knapp ist." Das steigere die Preise für das Eiweißfutter zusätzlich, was ein großes Problem darstelle.

Im Video: Unser Land - Hochleistungs-Legehennen

Lösung Bruderhahn-Mast und Zweinutzungsrassen?

Bruderhähne werden jetzt auf Spezial-Betrieben ein paar Wochen lang aufgezogen. Das Fleisch der Tiere kann aber zum großen Teil nur als Tierfutter verwertet werden. Um diese unrentable Mast zu finanzieren, zahlt Limmer eine Umlage, wenn er neue Legehühner kauft. Ein paar Euro Aufschlag pro Tier. Besser wäre eine Hühnerrasse, die auch Fleisch ansetzt, sogenannte "Zweinutzungsrassen" wie zum Beispiel "Coffee und Cream".

Vor ein paar Jahren hat sich Limmer bereits Hühner dieser Rassen auf seinen Hof geholt. Vorteil: Die Gockel können als Masthähne vermarktet werden, wie Gerlinde Wagner von der Erzeugergemeinschaft Biohennen AG erklärt. Mit einem Augenzwinkern sagt sie: "Bei denen ist es so, dass die Jungs sich selber finanzieren, bei den ganzen Hybriden müssen die Frauen die Männer mitziehen. Also da sind die Jungs einfach eine Nullnummer."

Eier und Fleisch zu teuer für viele Verbraucher

Wagner ist als Geschäftsführerin bei der Biohennen AG für die Vermarktung der Eier zuständig und sie berät Landwirte, welche Rassen sie am besten in ihren Ställen halten sollten. Neben Limmer sind weitere 34 Hühnerhalter an der kleinen Aktiengesellschaft beteiligt. Am liebsten würde Wagner ganz auf Zweinutzungshühner setzen. Das Problem ist nur: Sie legen etwas weniger Eier und brauchen mehr Futter als Hybridrassen. Deshalb ist das einzelne Ei im Laden ungefähr 20 Cent teurer. Zu viel für die meisten Verbraucher.

Und: Obwohl die Hähne dieser Rasse gut Fleisch ansetzen, ist die Vermarktung schwierig. Denn im Vergleich zu normalen Masthähnchen kosten sie dann doch wieder mehr, wie Wagner erklärt: "Der Naturkostfachhandel hat sich gar nicht dafür interessiert, ich dachte eigentlich, die sind begeistert, dass wir diese Lösung bringen. Nein, überhaupt nicht. Zu teuer." Inzwischen nehmen einige Filialen von Edeka Süd Fleischprodukte von Zweinutzungshühnern ab. Doch die Nachfrage ist auch dort gering.

Zweinutzungsrassen robuster und weniger krankheitsanfällig

Landwirt Limmer hatte ein Jahr lang "Coffee und-Cream"-Hühner, also Zweinutzungsrassen in seinem Stall. Doch der mangelnde Absatz ließ ihn wieder zu einer Hybridrasse zurückkehren. "Ich hätte es gern weiterhin gemacht mit den Zweinutzungshühnern", sagt er, "weil's einfach richtig wäre in meinen Augen." Und Wagner von der Biohennen AG versucht trotz der Absatzprobleme weiterhin Landwirte zu motivieren, Zweinutzungshühner zu halten.

So wie Christine und Georg Steckermeier in Neufraunhofen bei Landshut. Sie halten in ihrem Stall 1.000 Bio-Legehühner der Rassen "Coffee und Cream" und haben damit gute Erfahrungen gemacht: "Weil die Hühner sehr robust sind und sehr zutraulich. Also wirklich, die sind ein ganz geselliger Haufen", erklärt Christine.

Die Tiere seien auch sehr selten krank und brauchten keine Antibiotika. Wie lange die Steckermeiers allerdings noch Zweinutzungshühner halten, hängt auch davon ab, wie stark die Eier und das Fleisch der Tiere von den Verbrauchern nachgefragt werden. Möglicherweise kehren auch sie - wie Landwirt Limmer - wieder zu hybriden Hochleistungshühnern zurück.

Kükentöten-Verbot: Nicht ganz zu Ende gedacht?

Landwirt Limmer findet, das Verbot des Kükentötens sei nicht ganz zu Ende gedacht worden. Die Politik hätte gleichzeitig auch die Haltung von Zweinutzungshühnern fördern müssen. Nun kämen viele Legehennen aus dem Ausland, wo das Kükentöten weiterhin erlaubt ist.

Aus Sicht von Tierschützern ist das Gesetz zwar richtig, aber weder die Aufzucht der Bruderhähne noch die auch im Gesetz festgeschriebene Geschlechtsbestimmung im Ei seien eine tierschutzgerechte Lösung des ursächlichen Problems.

Wie Landwirt Johann Limmer hält auch die Akademie für Tierschutz in Neubiberg die Umstellung auf Zweinutzungsrassen für den sinnvollsten Weg. Dies erfordere aber ein Umdenken, auch beim Konsum, schreibt die Akademie für Tierschutz auf Anfrage von BR24.

Und Landwirt Limmer gibt noch zu bedenken: In Deutschland fehlen die toten männlichen Küken an anderer Stelle. Sie wurden nämlich bisher an Zootiere, Greifvogelstationen und Reptilienhalter verkauft, erklärt Limmer: "Und jetzt werden vielleicht Mäuse gemästet (...) damit diese Wild- und Zootiere überleben."

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