Die rechtsextreme Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD), die inzwischen "Die Heimat" heißt, wird für sechs Jahre von der staatlichen Parteienfinanzierung ausgeschlossen. Mit dem Karlsruher Urteil stellt sich die Frage, ob es eine Signalwirkung im Umgang mit der rechtspopulistischen AfD gibt und ob auch diese von der staatlichen Parteienfinanzierung ausgeschlossen werden könnte.
Dies wird von politischen Gegnern der AfD mit der Begründung gefordert, die AfD sei eine potenzielle Gefahr für die Demokratie. Verwiesen wird unter anderem auf den sächsischen Verfassungsschutz, der den dortigen AfD-Landesverband als gesichert rechtsextremistisch einstuft.
Söder: "Zumindest Geldhahn abdrehen"
Nach Ansicht von Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) könnte das Urteil eine "Blaupause für die AfD" sein. Söder hatte dies schon vor dem Urteil ins Spiel gebracht. "Unterhalb der Schwelle des schwierigen und langwierigen Verbotsverfahrens gibt es jetzt eine neue Möglichkeit, verfassungsfeindlichen Organisationen den Geldhahn zumindest abzudrehen - und ihnen nicht die Chance zu geben, mit Steuergeld gegen unsere Verfassung zu hetzen und zu agieren", sagte Söder in München. "Das könnte am Ende auch eine Blaupause für die AfD sein und gegen die AfD." Jetzt sei wichtig, "dass die Verfassungsschutzbehörden akribisch genau dokumentieren und sammeln, ob es eine Verfassungsfeindlichkeit der AfD als Gänze gibt", sagte Söder.
Auch Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) begrüßte das Urteil: "Es ist völlig widersinnig, Parteien, die unsere Verfassung ablehnen und unsere Demokratie mit Füßen treten, hierfür auch noch mit staatlichen Geldern zu unterstützen", erklärte er.
Faeser: "Weiteres Instrument zum Schutz unserer Demokratie"
Bundesinnenministerin Nancy Faeser sagte: "Auch wenn die verfassungsrechtlichen Hürden für künftige Verfahren hoch bleiben, haben wir jetzt ein weiteres Instrument zum Schutz unserer Demokratie", erklärte die SPD-Politikerin. "Von der heutigen Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts geht ein klares Signal aus: Unser demokratischer Staat finanziert keine Verfassungsfeinde."
SPD-Chefin Saskia Esken sprach von einem "Signal" in der Auseinandersetzung mit der AfD: "Dieses richtungsweisende Urteil wird uns in der Auseinandersetzung mit der rechtsextremistischen Gefahr von heute hilfreich sein", sagte sie den Funke-Zeitungen. "Das Urteil macht deutlich, dass und unter welchen klar definierten Voraussetzungen unsere Demokratie sich derer erwehren darf, die ihre Mittel missbrauchen wollen, um sie zu zerstören."
Die Linkspartei forderte, einen Ausschluss der AfD von der staatlichen Parteienfinanzierung durch das Bundesverfassungsgericht auf den Weg zu bringen. Ein solches Vorgehen müsse ernsthaft geprüft werden, "um die politischen Handlungs- und Einflussmöglichkeiten der AfD deutlich zu reduzieren", erklärte die Linken-Bundestagsabgeordnete Clara Bünger.
FDP reagiert zurückhaltend
FDP-Chef Christian Lindner mahnte derweil Zurückhaltung bei der Frage an, ob auch der AfD die staatliche Parteienfinanzierung beschnitten werden solle. "Man sollte beim Umgang mit der AfD ganz exakt auf das verfassungsrechtlich Notwendige und Mögliche schauen", sagte Lindner dem Sender "Welt". "Es darf nicht der Eindruck entstehen, dass die Parteien des demokratischen Zentrums sich einer unliebsamen Konkurrenz erwehren wollen, indem sie auf Mittel des Parteienrechts zurückgreifen."
Ähnlich hatte sich am Montag bereits Bundestagsvizepräsident Wolfgang Kubicki geäußert: Er hielte eine Streichung staatlicher Zahlungen für "hochproblematisch" für die demokratische Kultur, sagte der FDP-Politiker der Nachrichtenagentur AFP. Der Wettbewerb mit der AfD müsse vielmehr mit politischen Ideen geführt werden.
AfD: "Keine Vorlage"
Der stellvertretende AfD-Vorsitzende Stephan Brandner sieht in dem Karlsruher Urteil nach eigenen Worten keine Vorlage für das Vorgehen gegen seine Partei. "Ich kenne die Programmatik der NPD nicht im Detail, aber die legen es wohl darauf an, unsere freiheitlich demokratische Grundordnung beseitigen zu wollen", sagte der AfD-Politiker zu t-online. Statt der AfD müssten die anderen Parteien ins Visier genommen werden - etwa jene, die durch Corona-Schutzmaßnahmen "das Grundgesetz mit Füßen getreten" hätten.
Kommunikationswissenschaftler Reinemann skeptisch
Auch der Münchner Kommunikations- und Medienforscher Carsten Reinemann zeigte sich skeptisch. Die juristische Umsetzung wäre sehr langwierig, sagte der Professor an der LMU München im Gespräch mit BR24. "Für die Europawahl, für Kommunalwahlen und für Landtagswahlen in diesem Jahr würden Verbote nichts bringen." Außerdem bestünde die Gefahr, dass sich die AfD als Opfer darstelle und sich noch mehr Menschen mit der Partei solidarisieren würden. Als der niederländische Rechtspopulist Geert Wilders wegen Volksverhetzung schuldig gesprochen wurde, "gab es einen Solidarisierungseffekt, und zwar nicht nur bei den Anhängern seiner Partei", erinnert Reinemann.
Der Wissenschaftler plädiert im Umgang mit der AfD stattdessen für eine lösungsorientierte Politik und klare Kommunikation. "Man braucht eine Politik, die in unsicheren Zeiten Sicherheit und Verlässlichkeit ausstrahlt und die erklärt, was sie tut und warum. Und ich glaube, da gibt es gerade bei der Bundesregierung eine Menge Nachholbedarf."
Demokratische Parteien müssten zudem noch deutlicher machen, was es für die Wähler bedeuten würde, wenn die AfD ihre Politik - wie im Parteiprogramm - umsetzen würde, zum Beispiel die geplanten Streichungen von Subventionen. Der Höhenflug der AfD sei wahrscheinlich die größte Herausforderung, vor der diese Demokratie bisher innenpolitisch gestanden habe. "Aber freiheitliche Demokraten sollten eigentlich so selbstbewusst sein, um zu sagen, wir schaffen das - und zwar ohne eine Verbotsschiene", so Reinemann.
Rechtliche Grenzen für Streichung von Finanzhilfen
Direkte staatliche Zuschüsse stehen Parteien zu, wenn sie bei Europa- oder Bundestagswahlen mindestens 0,5 Prozent oder bei Landtagswahlen mindestens ein Prozent der Stimmen erhalten - die Wahlergebnisse der AfD liegen weit über diesen Hürden. Hinzu kommen Steuervergünstigungen etwa bei Spenden, Schenkungen und Erbschaften - diese können von der Steuer abgesetzt werden.
Für die Streichung der staatlichen Finanzhilfen gibt es rechtliche Grenzen: Möglich ist das laut Grundgesetz Artikel 21 nur bei Parteien, "die nach ihren Zielen oder dem Verhalten ihrer Anhänger darauf ausgerichtet sind, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen oder den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden". Die Antwort auf die Frage, ob eine Partei verfassungsfeindlich ist, obliegt dem Bundesverfassungsgericht, das als einziges über das Streichen öffentlicher Gelder entscheiden kann.
Die Diskussion um den Umgang mit der AfD war durch die Enthüllung eines Treffens hochrangiger AfD-Politiker mit Rechtsextremen neu entfacht worden. Bei dem Treffen im November in Potsdam war laut dem Recherchenetzwerk "Correctiv" über die Vertreibung von Millionen Menschen aus Deutschland diskutiert worden.
Mit Informationen von AFP, dpa, Reuters und epd
Im Video: ARD-Rechtsexperte Kolja Schwartz zum Karlsruher Urteil
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