"Rassistische Ideologie": Bayerns Verfassungsschutzchef besorgt
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Burkhard Körner, Präsident des Bayerischen Landesamts für Verfassungsschutz, im Interview

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"Rassistische Ideologie": Bayerns Verfassungsschutzchef besorgt

Nach dem Potsdamer Rechtsradikalen-Treffen ruft Bayerns Verfassungsschutzchef Körner die Menschen zum Einsatz gegen Extremismus auf. Vielen sei nicht klar, dass Grundrechte verteidigt werden müssten. Rechtsextreme Ideen würden zunehmend salonfähig.

Über dieses Thema berichtet: BR24 im BR Fernsehen am .

Der bayerische Verfassungsschutz sieht auch im Freistaat eine zunehmende Vernetzung rechter Kräfte. In Bayern habe es im vergangenen Jahr ebenfalls Vernetzungstreffen von AfD und rechtsextremistischen Gruppen gegeben, wenn auch nicht in dem Umfang wie in Potsdam, sagt der bayerische Verfassungsschutzpräsident Burkhard Körner im BR-Interview.

Mitte Februar 2023 beispielsweise habe die AfD eine Veranstaltung mit Mitgliedern der als rechtsextremistisch eingestuften Identitären Bewegung und der vom Verfassungsschutz beobachteten Burschenschaft Danubia organisiert. Ein Thema dort seien – wie später in Potsdam – Ideen zur sogenannten Remigration von Menschen mit Migrationshintergrund gewesen.

Körner: Zunehmende Radikalisierung der AfD

"Remigration bedeutet, dass Personen, die in Deutschland leben und einen Migrationshintergrund haben, Deutschland wieder verlassen sollen", erläutert Körner. "Das ist eine ganz klar rassistische Ideologie, die dem zugrunde liegt." Eine neue Qualität sieht der Verfassungsschutzpräsident in der Tatsache, dass sich die AfD "immer weniger von der Neuen Rechten abgrenzt". Eine Distanzierung von Begriffen wie "Remigration", der insbesondere von der Identitären Bewegung propagiert werde, finde in der AfD nicht mehr statt. Die Entwicklung der Partei zeige eine zunehmende Radikalisierung auf.

Nach Recherchen des Netzwerks Correctiv hatten sich AfD-Politiker, Neonazis und Unternehmer im November 2023 in einem Hotel nahe Potsdam getroffen, um die Vertreibung von Millionen Menschen mit Zuwanderungsgeschichte aus Deutschland zu besprechen. Dazu sollen der Unternehmer Hans Christian Limmer sowie ein Düsseldorfer Zahnarzt Gernot Mörig eingeladen haben, der mit rechtsextremen Positionen aufgefallen sein soll. Den Recherchen zufolge sollen auch zwei CDU-Mitglieder, die zugleich Mitglieder der rechtskonservativen Werteunion sind, dabei gewesen sein.

Der "Bereich des Sagbaren" weitet sich aus

Besonders besorgt zeigt sich der bayerische Verfassungsschutzpräsident darüber, dass rechtsextremistische Gruppierungen immer mehr "in die Mitte der Gesellschaft hineinwirken". Es gebe "ein riesiges Übergangsfeld" zwischen Rechtspopulisten, Rechtsextremisten, Verschwörungstheoretikern und Menschen, die einfach mit dem Staat unzufrieden seien. "Dieses Mischfeld ist der Nährboden, dass bestimmte rechtsextremistische Ideologieelemente, Sprachelemente in die Mitte der Gesellschaft hineinwachsen, dass der Bereich des Sagbaren immer mehr sich ausweitet."

Vor diesem Hintergrund sieht Körner auch die Bevölkerung in der Pflicht: Es sei notwendig, "dass sich die Mitte der Gesellschaft ganz klar gegen den Extremismus positioniert", sagt er. "Und da sehe ich starke Defizite." Von einigen würden Werte der Verfassung "auf dem Altar der Unzufriedenheit geopfert". Grundrechte wie Versammlungs- und Meinungsfreiheit seien "viel zu selbstverständlich geworden". Einem Teil der Menschen sei nicht mehr bewusst, dass um diese Werte jeden Tag gerungen werden müsse, um sie gegen Gefahren zu verteidigen.

Verfassungsschützer sieht AfD-Verbotsverfahren skeptisch

In der aktuellen Debatte über ein mögliches AfD-Verbotsverfahren mahnt der Verfassungsschützer zur Vorsicht. Die Hürden für Verbotsverfahren seien sehr hoch. Dadurch bestehe die Gefahr, dass ein solches Verfahren scheitern könne. Dies wäre laut Körner politisch "eine Katastrophe", da sich die AfD noch stärker als Opfer darstellen könnte. Und die Nutzung dieses Opfernarrativs könne sich auch auf Wahlergebnisse auswirken.

Letztlich sei es aber keine bayerische Entscheidung, "sondern die AfD müsste als Bundespartei auf Bundesebene verboten werden". Dazu müssten alle Erkenntnisse aus allen Bundesländern sowie des Bundesamts für Verfassungsschutz zusammengeführt und bewertet werden, erklärt er. Dabei genüge nicht die Feststellung, dass sich die AfD gegen die Verfassungsordnung wende. Vielmehr müssten die Behörden belegen, dass die Partei es in "aggressiv-kämpferischer Art und Weise" tue.

AfD inhaltlich stellen

Körner rät dazu, die AfD bei Themen inhaltlich zu stellen, zu denen sie bisher geschwiegen habe. Ihre Wählerschaft ziehe die Partei im Wesentlichen aus der Migrationsfrage und der Unzufriedenheit. "Viele Themen der AfD sind in der Öffentlichkeit bisher unbearbeitet geblieben oder sind auch von der AfD gar nicht in den öffentlichen Raum transportiert worden." Dort müsse man hinterfragen, welche Konzepte die Partei vorzuweisen habe.

Wichtig sei darüber hinaus Prävention. "Wir haben die Bayerische Informationsstelle gegen Extremismus, wo wir insgesamt auf rechtsextremistische Tendenzen in der Gesellschaft aufmerksam machen." Dringend geboten sei Aufklärung insbesondere bei Schülern – "wenn man bedenkt, dass die AfD gerade auch bei jüngeren Wählern einen großen Zuspruch hat".

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