Es ist die dritte Krawallnacht in Folge: Nach dem tödlichen Schuss eines Polizisten auf einen 17-Jährigen bei einer Verkehrskontrolle ist es in Frankreich erneut zu Protesten und Vandalismus gekommen. In etlichen Städten lieferten sich Randalierer Auseinandersetzungen mit der Polizei.
Sie warfen Feuerwerkskörper und Steine, steckten Autos und Gebäude in Brand. Die Lage sei extrem angespannt; die Polizei könne angesichts der Vielzahl der Feuer, nicht alles in Schach halten, erklärte ein ranghoher Polizist der Nachrichtenagentur AFP.
In Frankreich 40.000 Polizisten im Einsatz
Nach den Ausschreitungen der vergangenen beiden Tage und Nächte hatte die Polizei ihre Einsatzkräfte noch einmal verstärkt: 40.000 Polizistinnen und Polizisten waren im Einsatz, um die Gewalt einzudämmen. Zum Teil wurden Spezialeinheiten mit Hubschraubern in den von Randale betroffenen Vierteln abgesetzt. Nach Angaben von Frankreichs Innenminister Darmanin wurden landesweit rund 670 Menschen festgenommen. 250 Beamte wurden bei den Auseinandersetzungen verletzt.
Besonders angespannt war die Lage erneut in Nanterre, wo der Jugendliche am Dienstag getötet worden. Hier wurde eine Bankfiliale angezündet - die Flammen griffen dann auf ein Wohngebäude über. Die Feuerwehr konnte den Brand jedoch löschen, ohne dass Menschen zu Schaden kamen.
In Clichy, im Norden von Paris, wurde ein Busdepot in Brand gesteckt. In der Pariser Innenstadt sollen Jugendliche in Geschäfte eingedrungen sein und kistenweise Kleidung geplündert haben, berichten Augenzeugen. In der Hafenstadt Marseille wurden ebenfalls Geschäfte zerstört und geplündert. In Grenoble wurde ein Bus mit Feuerwerkskörpern beschossen und die Beschäftigten der Verkehrsbetriebe legten daraufhin die Arbeit nieder. Ausschreitungen gab es auch in Metz, Straßburg oder Toulouse. Ziel von Attacken waren meist öffentliche Einrichtungen wie Rathäuser oder Polizeistationen.
Proteste auch im Nachbarland Belgien
Und selbst in der belgischen Hauptstadt Brüssel kam es zu Auseinandersetzungen zwischen Jugendlichen und Ordnungskräften. Nach Angaben der belgischen Nachrichtenagentur Belga wurden etwa 30 Menschen festgenommen, ein Großteil davon waren Minderjährige.
Jugendliche hätten sich ein Katz-und-Maus-Spiel mit den Ordnungskräften geliefert und es habe mehrere Brände gegeben, erklärte die Polizei. Die Jugendlichen hätten in sozialen Netzwerken dazu aufgerufen, sich als Reaktion auf den Tod des 17-Jährigen in Frankreich zu versammeln.
Bundesregierung besorgt wegen der Ausschreitungen
Die Bundesregierung beobachtet die Ereignisse in Frankreich mit "einer gewissen Sorge". Das sagte Regierungssprecher Steffen Hebestreit am Freitag in Berlin. Es sei Sache der französischen Öffentlichkeit und der französischen Regierung, die massiven Proteste nun "wieder in den Griff zu bekommen". Sowohl Frankreichs Präsident Emmanuel Macron als auch Premierministerin Elisabeth Borne seien "sehr aktiv dabei".
Über eine mögliche Absage von Macrons geplantem dreitägigen Staatsbesuch in Deutschland wegen der Ausschreitungen habe er keine Informationen, sagte Hebestreit weiter. Derzeit ist geplant, dass Macron am kommenden Montag zum Auftakt seiner Reise nach Ludwigsburg kommt. Es wäre der erste Staatsbesuch eines französischen Präsidenten in Deutschland seit 23 Jahren.
Premierministerin schließt Notstand nicht aus
Die französische Regierung kam zu einer Krisensitzung zusammen. Angesichts der Krawalle schloss Premierministerin Borne die Ausrufung des Notstands nicht aus. "Wir prüfen alle Hypothesen mit einem vorrangigen Ziel: die Rückkehr der republikanischen Ordnung im gesamten Gebiet", sagte sie dem Fernsehsender BFMTV.
Frankreichs Präsident Macron verließ wegen der Krawalle vorzeitig den EU-Gipfel in Brüssel. Bereits am Donnerstag hatte er die Gewalt in seinem Land gegen "Institutionen und die Republik" verurteilt - diese sei absolut nicht zu rechtfertigen. Allerdings sagte Macron auch: Der Tod des Jugendlichen sei "nicht zu erklären und nicht zu entschuldigen".
Eine Polizeistreife hatte den 17-Jährigen nordafrikanischer Abstammung am Dienstagmorgen am Steuer eines Autos gestoppt. Als der junge Mann plötzlich anfuhr, feuerte einer der Polizisten den tödlichen Schuss aus seiner Dienstwaffe ab. Die Staatsanwaltschaft leitete wegen des Verdachts des Totschlags ein Verfahren gegen den Beamten ein. Er kam in Untersuchungshaft. Der Einsatz der Waffe bei der Kontrolle sei nicht gerechtfertigt gewesen, hieß es von der Staatsanwaltschaft.
Mutter des 17-Jährigen beschuldigt eine Person, nicht gesamte Polizei
Nach Angaben seines Anwalts entschuldigte sich der Polizist bei der Familie. "Er steht nicht morgens auf um Menschen zu töten. Er wollte nicht töten", fügte der Anwalt hinzu und kündigte an, Widerspruch gegen die Untersuchungshaft einzulegen.
Die Mutter des Getöteten sagte, sie gehe von einer rassistisch motivierten Tat aus, mache aber nicht die Polizei als Ganzes dafür verantwortlich. "Ich gebe nicht der Polizei die Schuld, ich gebe einer Person die Schuld", sagte sie im Sender France 5. Sie habe Freunde, die Polizisten seien, und diese "finden es nicht gut, was er getan hat".
Mit Informationen von dpa und AFP.
Im Audio: Die dritte Protestnacht in Frankreich
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