Die Verteidigungsminister der 30 Nato-Staaten haben die Militärführung des Bündnisses mit der Entwicklung von Plänen für die Verstärkung der Abschreckung und Verteidigung gegen Russland beauftragt. Nach Angaben von Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg ist angedacht, substanziell mehr Streitkräfte im östlichen Teil des Bündnisgebiets zu stationieren. Zudem sollen auch die Luft- und Seestreitkräfte unter Nato-Kommando sowie die Fähigkeiten im Bereich der Cyberabwehr und im All gestärkt werden.
Sein Ziel sei es, die Staats- und Regierungschefs der Nato-Staaten beim Gipfel Ende Juni in Madrid über die dann vorliegenden Optionen entscheiden zu lassen, sagte Stoltenberg. Das müsse eine politische Entscheidung sein, betonte er.
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Bericht: Brisante Vorschläge
Wie viele zusätzliche Nato-Truppen im östlichen Bündnisgebiet stationiert werden könnten, ließ Stoltenberg offen. Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur (dpa) hat er intern allerdings bereits Größenordnungen in einem Positionspapier genannt. Diese sollen zunächst aber geheim gehalten werden. .
Wie die dpa unter Berufung auf mehrere Diplomaten berichtete, würden die Vorschläge aus russischer Sicht vermutlich gegen die Nato-Russland-Grundakte verstoßen. Über sie hat sich die Nato unter anderem verpflichtet, auf die dauerhafte Stationierung "substanzieller Kampftruppen" im östlichen Bündnisgebiet zu verzichten.
Bundesregierung offen für Truppenaufstockung
Die Bundesregierung zeigte sich offen für eine Erhöhung der Nato-Truppenstärke in den östlichen Mitgliedsländern in den kommenden Jahren. "Auch wenn es bisher keine Anhaltspunkte dafür gibt, dass das Bündnisgebiet angegriffen wird, so können wir das nicht gänzlich ausschließen, und wir müssen vorbereitet sein", sagte Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD). Über die Größenordnung bestehe aber noch Diskussionsbedarf
Stoltenberg: "Wir werden tun, was nötig ist"
Diplomaten betonten laut dpa, dass Russland nicht erwarten könne, dass sich die Nato nach dem russischen Angriff gegen die Ukraine noch an alle Vereinbarungen der Nato-Russland-Grundakte aus dem Jahr 1997 halte. Diese seien vor dem Hintergrund eines ganz anderen europäischen Sicherheitsumfelds getroffen worden. Dies gehe auch klar aus der Grundakte hervor.
Ähnlich äußerte sich auch Stoltenberg am Mittwoch auf die Frage, ob die Nato-Russland-Grundakte die Planungen der Nato einschränke. "Wir werden tun, was nötig ist", sagte er. Die Grundakte habe einen klaren Bezug zum Sicherheitsumfeld im Jahr 1997, als man Russland noch als strategischen Partner gesehen habe. Heute befinde man sich in einem völlig anderen Sicherheitsumfeld. Die Grundakte werde kein Hindernis für die notwendigen Entscheidungen darstellen, sagte Stoltenberg.
Hunderttausende Soldaten in erhöhter Alarmbereitschaft
Nach Angaben des Nato-Generalsekretärs sind derzeit "hunderttausende Soldaten" der Bündnisländer in erhöhter Alarmbereitschaft. Dazu zählen rund 40.000 Soldaten der Nato-Eingreiftruppe Nato Response Force (NRF). Die USA hatten ihre Truppenstärke in Europa demnach zuletzt auf 100.000 erhöht.
Nein zu polnischem Vorstoß
Den polnischen Vorstoß für eine "Friedensmission" der Nato in der Ukraine lehnten die Mitgliedsländer nach Angaben Stoltenbergs ab. "Die Verbündeten sind sich einig, dass die Nato keine Land- oder Luftstreitkräfte in die Ukraine entsenden sollte", sagte Stoltenberg.
Unter anderem Deutschland wies den polnischen Vorschlag zurück. Bundesverteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) warnte in Brüssel vor einem "Flächenbrand", sollte die Nato direkt militärisch in den Konflikt mit Russland eingreifen. Auch andere Nato-Länder wie die Niederlande und Großbritannien hatten sich skeptisch geäußert.
Nato-Russland-Grundakte 1997 geschlossen
Die Nato-Russland-Grundakte wurde 1997 von beiden Seiten geschlossen und regelt die gegenseitigen Beziehungen, die Zusammenarbeit und die Sicherheit zwischen den Nato-Staaten und Russland. In ihr bekräftigen die Nato-Staaten auch, dass sie nicht die Absicht haben, Atomwaffen bei neuen Bündnismitgliedern zu stationieren. Daran soll sich Angaben von Diplomaten zufolge erst einmal nichts ändern.
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