Israels Premierminister Benjamin Netanjahu hat vorsichtig Hoffnung auf eine mögliche Freilassung weiterer Geiseln aus den Händen der islamistischen Hamas gemacht. Auf die Frage, ob eine solche Vereinbarung kommen könnte, sagte Netanjahu am Sonntag dem US-Fernsehsender NBC: "Es könnte sein, aber ich denke, je weniger ich darüber sage, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass es zustande kommt."
Wenn eine Einigung gelinge, dann aufgrund des militärischen Drucks auf die Hamas, so Netanjahu. Die Verhandlungen seien bis zum Beginn der israelischen Bodenoffensive im Gazastreifen überhaupt nicht vorangekommen, erklärte er in der NBC-Sendung "Meet the Press". "Aber in dem Moment, als wir mit der Bodenoffensive begannen, begannen sich die Dinge zu ändern."
Berichte über mögliche Freilassung von 80 Frauen und Kindern
NBC und andere US-Medien berichteten unter Berufung auf Regierungskreise, diskutiert werde, dass die Hamas etwa 80 Frauen und Kinder freilassen könnte – im Gegenzug für palästinensische Frauen und Teenager, die in Israel in Gewahrsam seien. Eine offizielle Bestätigung dafür gab es nicht. Auch Netanjahu ging in keiner Weise auf Details eines potenziellen Deals ein.
Der Nationale Sicherheitsberater von US-Präsident Joe Biden, Jake Sullivan, sagte dem Sender ABC, es liefen Verhandlungen, an denen Katar beteiligt und die US-Regierung aktiv eingebunden sei. "Es wird versucht, eine Einigung zu erzielen, die die Freilassung von Geiseln beinhaltet", sagte Sullivan. Biden werde nicht ruhen, bis ein solches Abkommen erreicht sei.
Sullivan betonte aber: "Ich muss vorsichtig sein mit dem, was ich öffentlich dazu sage, weil es sich natürlich um eine heikle und sensible Verhandlung handelt." Der US-Regierung lägen keine genauen Zahlen der Geiseln vor. Es gebe nur eine Zahl von Vermissten. Unklar sei aber, wie viele von ihnen noch am Leben seien. Von US-Seite würden neun Menschen mit amerikanischer Staatsbürgerschaft vermisst, und eine Person mit einer permanenten US-Aufenthaltserlaubnis.
Laut israelischen Angaben 239 Geiseln in Händen der Hamas
Bei der verheerenden Attacke der Hamas und anderer Gruppierungen auf Israel Anfang Oktober waren mehr als 200 Menschen gewaltsam verschleppt worden. Nur einzelne wurden bislang freigelassen. Nach Angaben Israels hält die Hamas weiter 239 Menschen als Geiseln, darunter auch Frauen, Kinder und Ältere.
Schifa-Krankenhaus offenbar noch nicht evakuiert
Derweil steht die angekündigte Evakuierung des größten Krankenhauses im Gazastreifen, des Al-Schifa-Krankenhauses, offenbar weiter aus. Ein leitender Arzt berichtete dem ARD-Studio Tel Aviv, dass noch etwa 600 Patienten und 300 Personen des medizinischen Personals da seien. Der Ort sei aber kein Krankenhaus mehr, es gebe keinen Strom. Auch Operationen seien nicht mehr möglich. Die Patienten würden langsam sterben. Israel hatte gestern angekündigt, man wolle dabei helfen, Babys aus dem Krankenhaus in Sicherheit zu bringen.
Dem Sender CNN sagte Netanjahu, dass rund 100 Menschen aus dem Schifa-Krankenhaus in Sicherheit gebracht worden seien und dass Israel sichere Fluchtkorridore eingerichtet habe. Das Hamas-Ministerium hatte zuvor bestritten, dass es solche sicheren Korridore gebe. Berichten zufolge wird rund um das Krankenhaus gekämpft. Israel vermutet unter dem Gebäudekomplex Teile der Kommandostruktur der Terrororganisation Hamas.
Karte: Übersicht des Gazastreifens
Weiteres Krankenhaus in Gaza wohl nicht mehr betriebsfähig
Der palästinensische Rote Halbmond teilte indessen mit, dass ein weiteres Krankenhaus in der Stadt Gaza nicht mehr betriebsfähig sei, das Al-Kuds. Grund dafür sei, dass dem Krankenhaus der Treibstoff ausgegangen sei. Israel hat Treibstoffimporte in den Gazastreifen mit dem Argument verboten, dass die Hamas den Treibstoff für militärische Zwecke verwenden würde.
Auch in und um weitere Krankenhäuser im Norden des Gazastreifens ist die humanitäre Lage laut ARD-Informationen katastrophal. Tausende Menschen suchen dort offenbar immer noch Schutz. Immer noch kommen aber zu wenige Hilfsgüter in das Gebiet, um die Menschen zu versorgen, sagen die Vereinten Nationen.
Mit Informationen von dpa, AFP und dem ARD-Studio Tel Aviv
Im Video: Die aktuelle Lage in Israel und Gaza
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