Für die Juso-Frau Carmen Wegge ist das Berliner Pflaster noch immer neu. Ihre Wahl in den Bundestag hatte sie im September selbst überrascht, weil sie einen wenig aussichtsreichen Listenplatz hatte. Inzwischen heißt der Kanzler Olaf Scholz und die Ampel regiert das Land. Noch übernachtet die Juristin aus Starnberg in den Sitzungswochen im Hotel.
Nach über vier Monaten soll sich das nun endlich ändern. "Ich bin so froh darüber, dass ich jetzt ab dem ersten Februar eine eigene Wohnung habe. Es ist zwar auch schön im Hotel, aber seine eigenen vier Wände – das ist schon ziemlich wertvoll", sagt sie im BR-Politikmagazin Kontrovers. Neue Wohnung, neues Büro, neue Aufgaben – Wegge hat sich viel vorgenommen und ist voller Tatendrang. Eigentlich. Denn so schnell und einfach wie erhofft, lassen sich politische Ideen doch nicht umsetzen. Das hat sie bereits erfahren.
Ein "alter Hase" hadert
Hans-Peter Friedrich ist seit 24 Jahren Mitglied des Deutschen Bundestages - ein "alter Hase". Er kennt sich aus auf der bundespolitischen Bühne, war zweimal Minister, Vorsitzender der CSU-Landesgruppe und in der letzten Wahlperiode sogar Bundestags-Vizepräsident. Die Abläufe, die Mitarbeiter, die ganze Maschinerie der Demokratie – für ihn ist das Routine. Eigentlich.
Denn seit Herbst ist für ihn wieder alles anders auf der politischen Bühne. Nach 16 Jahren in der Regierung sitzt er mit seiner Partei auf der Oppositionsbank. "Das war eine völlig unnötige Niederlage. Man hätte es anders machen können, anders haben können. Aber gut. So ist das." Friedrich hadert noch mit der neuen Rolle.
Jusos statt CSU - wie Politiker mit Macht(verlust) klarkommen
Lust auf Veränderung
Die junge Konkurrentin von der SPD sieht ihre Partei dagegen weiter im Aufwind: "Also mit der Ampel haben wir eine ganz neue Situation. Die Parteien, die Teil dieser Ampel-Regierung sind, haben Lust, richtig viel zu verändern – neue Zeiten eben." Lust und Frust liegen gerade in diesen ersten Legislatur-Monaten im Regierungsviertel eng beieinander.
Friedrich kann sich noch gut an die Arbeit in den Ausschüssen unter Altkanzler Schröder erinnern – auch damals war er in der Opposition: "Wenn in den Ausschüssen über strittige Gesetze abgestimmt wird, ist das natürlich frustrierend. Da können sie argumentieren, wie sie wollen. Das dringt nur in Ausnahmefällen durch. Am Ende hat immer die Gegenseite die Mehrheit." Arbeiten für das Bundesgesetzblatt heißt das im Politiker-Jargon.
Regierungsglück vs. Oppositionsfrust
Eine von 49 Jusos – auch das ist Carmen Wegge. Die Gruppe der jungen SPD-Abgeordneten ist so groß, dass sie theoretisch sogar Regierungsentscheidungen blockieren könnte – Wegge ist sich noch nicht sicher, ob sich die Jusos auf eine dezidierte, gemeinsame Meinung zu einem bestimmen Thema einigen könnten: "Vielleicht würde es irgendetwas geben in den nächsten vier Jahren, wo wir genau diese Karte spielen werden."
Die 32-Jährige ist Mitglied des Innenausschusses, wo in diesen Wochen an einem Gesetz zur Legalisierung von Cannabis gearbeitet wird. "Mit diesem Gesetz legen wir einen Schwarzmarkt trocken. Und das sind eben die schönen gesellschaftspolitischen Fortschritte, die wir jetzt in der neuen Regierungskonstellation erreichen." Die Cannabis-Legalisierung ist für den konservativen Friedrich ein politischer Irrweg, aber "… vor 20 Jahren hätte ich mich darüber fürchterlich echauffiert, aber irgendwann wirst Du gelassener und weißt, auch die kommen in der Realität an."
Der Landtagswahlkampf steht bevor
Friedrich will sich in den nächsten dreieinhalb Jahren auf die Arbeit in seinem Wahlkreis in Hof konzentrieren. Schließlich habe die CSU immer noch den Anspruch, gestaltende Kraft in Bayern zu sein. Von einer SPD-Konkurrenz im Freistaat will der 64-Jährige daher nichts wissen: "Die bayerische SPD konnte ja auf Bundesebene noch nicht mal so überzeugen, dass man einen bayerischen Minister gefunden hat!"
Weitermachen. Gegen die neue Regierung opponieren. Die Stimme erheben. Friedrich weiß, dass seiner Partei ein harter Landtagswahlkampf bevorsteht. Doch angriffslustig ist auch Carmen Wegge: "Das Ziel ist es 2023 die CSU auch in Bayern abzulösen und da Mehrheiten zu finden. Das wäre historisch." Rot gegen Schwarz – dieses Duell hat in Bayern schon viele Jahrzehnte nicht mehr ernsthaft stattgefunden. Vielleicht brechen diesbezüglich auch hier gerade neue Zeiten an.
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