Justizvollzugsanstalt in Berlin (Symbolbild)
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Zellenfenster, Justizvollzugsanstalt Moabit, Alt-Moabit (Symbolbild)

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Niedrige Löhne in Haft: Verfassungsbeschwerden erfolgreich

Häftlinge aus Bayern und Nordrhein-Westfalen haben sich vor dem Bundesverfassungsgericht erfolgreich gegen eine niedrige Entlohnung von Arbeit hinter Gittern gewandt. Das Gericht gab ihnen recht: Der Gesetzgeber soll bis Mitte 2025 nachbessern.

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    Stundenlöhne von zwei Euro oder weniger für Gefangene sind verfassungswidrig. Das Bundesverfassungsgericht hat dazu heute zwei arbeitenden Häftlingen aus Bayern und Nordrhein-Westfalen Recht gegeben, die gegen die Höhe ihrer Vergütung geklagt hatten.

    Die Bundesländer müssen die jeweiligen Gesetze bis spätestens Ende Juni 2025 neu regeln, wie die Vorsitzende des Zweiten Senats, Doris König, in Karlsruhe sagte. Die Länder seien aber nicht dazu verpflichtet, eine rückwirkende Vergütungsregelung zu schaffen.

    • Zum Artikel: Urteil erwartet: Mehr Geld für Gefangenenarbeit?

    Fragen des Strafvollzugs sind Ländersache

    Die Bundesländer regeln Fragen des Strafvollzugs selbst. In den meisten herrscht für Strafgefangene Arbeitspflicht. Sie soll der Resozialisierung dienen, sodass Gefangene schrittweise wieder in die Gesellschaft eingegliedert werden. Deshalb gilt für die Betroffenen auch kein Mindestlohn. Sie verdienten den Angaben nach je nach Qualifikation zwischen 1,37 Euro und 2,30 Euro pro Stunde.

    Arbeit ist Teil der Resozialisierung

    Das Verfassungsgericht habe das Gebot der Resozialisierung unter Rückgriff auf die Menschenwürde und das Sozialstaatsprinzip entwickelt, sagte König, die auch Vizepräsidentin des höchsten deutschen Gerichts ist. Die Gesetzgeber müssten dafür ein schlüssiges und widerspruchsfreies Konzept entwickeln.

    Wenn darin Arbeit als Behandlungsmaßnahme vorgesehen sei, müsse diese angemessene Anerkennung finden, führte König aus. "Diese braucht nicht allein in Geld gewährt zu werden, sondern kann sich auch aus einer monetären und einer nicht monetären Komponente zusammensetzen." Gemeint sind damit zum Beispiel sogenannte Freistellungstage, die auch für eine frühere Entlassung angespart werden können.

    Keine Höhe des Lohns vorgegeben

    Wie viel Bezahlung verfassungsrechtlichen Anforderungen genüge, hänge vor allem von den beabsichtigten Zwecken im Resozialisierungskonzept ab, sagte König. Diese müssten tatsächlich erreicht werden können. "Mit anderen Worten: Die Erreichung der gesetzlich festgelegten Zwecke darf angesichts der geringen Entlohnung von Gefangenenarbeit nicht unrealistisch sein."

    Dabei müsse auch berücksichtigt werden, wie die Häftlinge selbst die Vergütung wahrnehmen, sagte König. Denn das Gefühl, in ihrer Tätigkeit nicht genügend wertgeschätzt zu werden, könne sich negativ auf die Resozialisierung auswirken. Die Resozialisierungskonzepte in Bayern und NRW seien diesbezüglich nicht in sich schlüssig und widerspruchsfrei, befand der Senat. Er erklärte die Regeln für nicht mit der Verfassung vereinbar.

    Gefangene können an Kosten beteiligt werden

    Es sei nicht Aufgabe des Gerichts, ein bestimmtes Entlohnungsmodell vorzugeben, betonte König. Bei einer Neuregelung könne der Gesetzgeber auch einen Teil des Arbeitsentgelts für bestimmte Zwecke einbehalten oder die Gefangenen an den Kosten im Vollzug beteiligen - etwa durch einen Haftkostenbeitrag oder eine Stromkostenpauschale.

    Über die Höhe von Gefangenenvergütung hatten die Karlsruher Verfassungsrichterinnen und -richter schon einmal geurteilt. 1998 hatten sie beanstandet, dass sie zu niedrig sei. Danach wurde die Berechnungsgrundlage von fünf auf neun Prozent des durchschnittlichen Arbeitsentgelts von allen gesetzlich Rentenversicherten angehoben.

    Mit Material der Agenturen dpa und AFP.

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