Kanzler Olaf Scholz blickt im Airbus A350 der Luftwaffe auf dem Rückweg von Tokio in die Kamera des Fotografen.
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Olaf Scholz bei der Rückreise aus Japan

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Die Kommunikation des Kanzlers in Kriegszeiten

Abwartend, ängstlich, abgehoben – Bundeskanzler Olaf Scholz muss sich in der Diskussion über Waffenlieferungen an die Ukraine viel Kritik anhören. Was steckt hinter seiner Kommunikationsstrategie? Eine Analyse.

Olaf Scholz hat es sich gemütlich gemacht auf einem grau-beigen Sofa. Der Bildschirm hinter ihm zeigt an: 11.887 Meter Höhe, 913 km/h, sieben Stunden bis Berlin. Der Luftwaffen-Airbus fliegt gerade über Alaska. Aus dem Fenster sind Eisschollen an der Küste zu sehen. Der Bundeskanzler ist auf dem Rückflug aus Japan. Es war ein Kurzbesuch, um zu zeigen, dass nicht nur die EU und die USA zusammenstehen gegen Russland.

In kleiner Runde erklärt Scholz seine Ukraine-Politik. Daraus zitieren darf man nicht. Aber es bleibt der Eindruck: Der Bundeskanzler ist mit sich und seiner Kommunikationsstrategie völlig im Reinen. Falls der 63-Jährige irgendwelche Selbstzweifel haben sollte, zeigt er sie nicht. Scholz ist zufrieden, alles läuft nach Plan.

Unzufriedenheit in Opposition und Koalition mit der Ukraine-Politik

Diese Selbsteinschätzung steht allerdings im Widerspruch zu dem Bild, das der SPD-Politiker in den Augen vieler Menschen momentan abgibt. Nicht nur der ukrainische Botschafter Andrij Melnyk wirft ihm vor, zu zögerlich zu agieren. Auch die Opposition tut es. CSU-Chef Markus Söder zum Beispiel: "Ein solches Zögern, Sich-Verstecken oder Sich-davor-Drücken ist eines deutschen Kanzlers unwürdig", sagt der bayerische Ministerpräsident beim kleinen CSU-Parteitag in Würzburg.

Auch Abgeordnete der Koalition sparen nicht mit Kritik – allen voran Marie-Agnes Strack-Zimmermann von der FDP und Anton Hofreiter von den Grünen. Dem Bundeskanzler scheint das nicht egal zu sein. Ohne sie beim Namen zu nennen, bezeichnet Scholz seine Kritiker in einem Interview abschätzig als "Jungs und Mädels". Mit anderen Worten: Das ist nicht seine Liga.

Beliebtheitswerte des Kanzlers fallen deutlich

Im aktuellen ARD-DeutschlandTrend rutschen die Beliebtheitswerte des Kanzlers deutlich ab. 39 Prozent der Befragten geben an, mit der Arbeit von Olaf Scholz zufrieden zu sein. Ein Minus von zwölf Punkten gegenüber der vergangenen Erhebung Anfang April. Eine Mehrheit von 57 Prozent ist unzufrieden mit dem Kanzler.

Scholz macht nicht den Eindruck, als ob ihn solche Umfragewerte sonderlich beunruhigen würden. Er sieht sich auf dem richtigen Kurs. Kehrtwenden kann er nicht erkennen. In einem am Wochenende veröffentlichten Interview sagt er: "Ich treffe meine Entscheidungen schnell – und abgestimmt mit unseren Verbündeten. Übereiltes Agieren und deutsche Alleingänge sind mir suspekt." Es ist ihm wichtig, immer wieder zu betonen: Die Bundesregierung ist mit ihrer Ukraine-Politik in bester Gesellschaft der europäischen und amerikanischen Partner.

Scholz lässt Kritik ins Leere laufen – wie Merkel

Für Scholz' zurückhaltende Kommunikation gibt es zwei Gründe: Einen sachlichen und einen charakterlichen. Der sachliche: Scholz will öffentlich nicht sagen, was die Bundesregierung alles an die Ukraine liefert. Er will dem russischen Präsidenten Putin keine Argumente geben, Deutschland als Kriegspartei zu sehen.

Außerdem wird Scholz nachgesagt, großer Fan einer goldenen Regel der Queen zu sein: "Never complain, never explain", also: niemals über Kritik beschweren, niemals erklären. Man lässt Kritiker also ins Leere laufen und wertet sie nicht dadurch auf, indem man auf ihre Argumente eingeht. Ähnlich agierte Scholz‘ Vorgängerin Angela Merkel.

Scholz will aus der Defensive kommen

Es ist ja nicht so, als würde sich der Kanzler gar nicht erklären. In den Plenarprotokollen des Bundestags lässt sich das zum Beispiel nachlesen. Und in etlichen Interviews. Seit einigen Tagen ist zu beobachten, dass Scholz mehrere Einzelinterviews in Radio, TV und Magazinen gibt. Er und sein Regierungssprecher Steffen Hebestreit arbeiten also offensichtlich gegen das Image des zaudernden Kanzlers an – wenn auch vorsichtig.

Im Fachmagazin "journalist" betont Hebestreit, Scholz nicht verbiegen zu wollen. Es gehe um Glaubwürdigkeit und Authentizität: "Wenn man versuchen würde, aus dem Kanzler kommunikativ einen Barack Obama zu machen, ginge das definitiv nach hinten los."

Dass Scholz aber auch aufdrehen kann, zeigt er bei einer Kundgebung zum 1. Mai in Düsseldorf. Demonstranten pfeifen ihn aus, nennen ihn "Kriegstreiber". Der Bundeskanzler brüllt: "Das ist aus der Zeit gefallen!" Es müsse den Menschen in der Ukraine zynisch vorkommen, ihnen zu sagen, sie sollten sich ohne Waffen verteidigen. Er kann also auch laut – wenn es sein muss.

Ampel steht hinter dem Kanzler

Scholz sieht es als Erfolg, dass sich die Union im Bundestag in der vergangenen Woche hinter den Antrag der Ampel zur Lieferung schwerer Waffen an die Ukraine gestellt hat. Auch die Koalition steht zusammen – wie Beschlüsse des FDP-Parteitags und des Grünen-Länderrats zeigen. Auch wenn einzelne Abgeordnete den Kanzler angreifen, die offiziellen Linien ihrer Parteien vertreten sie damit nicht.

Der SPD-Politiker scheint darauf zu setzen, dass sich seine unaufgeregte Art langfristig auszahlt: Überlegt vorgehen, das große Ganze sehen und erst etwas verkünden, wenn es auch wirklich spruchreif ist – statt Aktionismus und Symbolpolitik.

Das will er jetzt offenbar häufiger erklären. Auf dem Sofa des Regierungsfliegers bleibt er für Gespräche mit den Journalisten jedenfalls deutlich länger sitzen als geplant.

  • Zum Artikel "Wie Helmut Schmidt: Lob für Scholz-Rede"
Unter Pfiffen und Buhrufen hat Bundeskanzler Scholz (SPD) in Düsseldorf die Entscheidung verteidigt, auch schwere Waffen in die Ukraine zu liefern.
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Unter Pfiffen und Buhrufen hat Kanzler Scholz (SPD) in Düsseldorf die Entscheidung verteidigt, auch schwere Waffen in die Ukraine zu liefern.

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