Eine fahrende Trambahn der MVG in München.
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Öffentlicher Nahverkehr

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Münchner Nahverkehr: Fahrgastschwund und Streit um Finanzierung

Münchner Nahverkehr: Fahrgastschwund und Streit um Finanzierung

Die Münchner Verkehrsgesellschaft hat ihr Leistungsprogramm fürs nächste Jahr vorgestellt mit Kürzungen bei U-Bahn, Bus und Tram. Fahrgastschwund wegen Corona ist ein Grund. Über die Finanzierung wird gestritten und das 9-Euro-Ticket kommt im Juni.

Immer im Frühjahr stellt in München die Verkehrsgesellschaft (MVG) ihr Leistungsangebot vor. Das sind die Strecken und Takte, die ab dem Fahrplanwechsel gelten sollen. Normalerweise ist es jedes Jahr ein bisschen mehr – zusätzliche Busse, dichterer Takt bei den Trambahnen. Doch in diesem Jahr schlägt die Verkehrsgesellschaft Kürzungen vor.

Wie neue Fahrgäste gewinnen?

Dagegen kam sofort Widerspruch von vielen Seiten. Hintergrund sind fehlende Finanzmittel durch Fahrgastschwund – wie bei anderen Verkehrsunternehmen in Bayern und – das 9-Euro-Ticket soll auch bald kommen, auch das sorgt für viel geringere Ticketeinnahmen.

Die öffentlichen Nahverkehrsunternehmen in Bayern tun sich schwer mit dem erklärten Ziel, viele neue Fahrgäste zu gewinnen, auch wenn die Pandemie langsam ausklingt. Sie sind auf Hilfen angewiesen – aus dem Rettungsschirm oder von ihren Auftraggebern. Das zeigte sich jüngst im Streik privater Busunternehmen im Raum Rosenheim und es zeigt sich beim Münchner Nahverkehr.

MVG verteidigt Kürzungen bei U-Bahn, Bus und Tram in München

Die Münchner Verkehrsgesellschaft MVG will ihr Angebot bei den städtischen Verkehrsmitteln U-Bahn, Bus und Tram bis 2023 ausdünnen: Die Streichung des Zehn-Minuten Taktes bis 22 Uhr bei Tram und Metrobus ("Takt 10 bis 10") bedeutet weniger Busse und Trambahnen in den Abendstunden. Weiter angekündigt wurden der Wegfall des Fünf-Minuten-Takts zwischen Olympia-Einkaufszentrum und Hauptbahnhof in den Sommer- und Weihnachtsferien, die Streichung von U-Bahn-Fahrten bei der U3/6 zwischen Harras und Münchner Freiheit und andere Maßnahmen.

Diese Angebote seien schlicht unterfinanziert wegen gesunkener Ticketeinnahmen, lautet die Begründung der MVG. Es könne nur aufrechterhalten werden, wenn die Stadt aus dem Haushalt dazu zahlt. Das forderten unter anderem mehrere Bezirksausschüsse, die CSU-Fraktion und der Fahrgastverband Pro Bahn. Auch die Grünen und die SPD hatten angekündigt, dass sie die Kürzungen verhindern wollen.

Dieter Reiter: "Keine Leistungskürzungen in meiner Amtszeit"

Beim Festakt zum 50-jährigen Bestehen der S-Bahn und des MVV war das Finanzthema allgegenwärtig. Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) versprach dem Publikum, "es wird in München, in meinem Verantwortungsbereich keine Leistungskürzungen geben, sondern den Ausbau von Leistungen". Doch diese klare Aussage ergänzte er, "wenn natürlich ein Bus um 22.34 Uhr leer fährt und der MVV und die MVG sagen, das mache jetzt keinen Sinn mehr, dann ist das keine Leistungskürzung". Sondern es sei vielmehr wirtschaftliches Handeln.

Im Stadtrat wird im Juni entschieden. Dann wird sich zeigen, wie viel die Stadt zusätzlich für den Nahverkehr in München zahlen muss. Oder ob mehr Geld vom Bund kommt.

Was ist ein gutes Angebot im öffentlichen Nahverkehr?

Wird der öffentliche Verkehr attraktiv gestaltet, so ergibt sich eine gute Auslastung von alleine: So lautet das Credo von Fahrgastverbänden wie Pro Bahn und auch verkehrswissenschaftliche Untersuchungen haben das nachgewiesen. Eine Buslinie wird dann interessant, wenn Menschen einfach zur Haltestelle gehen, weil sie wissen, nach einer kurzen Wartezeit kommt ein Bus. Oder wenn man sich die Abfahrten in einem Stundentakt gut merken kann, ist das ein passables Nahverkehrsangebot in ländlichen Gegenden.

Ein dichter Takt in den Abendstunden in der 1,5-Millionen-Metropole München erscheint anderswo als Luxus, aber in München gibt er Fahrgästen die Sicherheit, auch abends gut heimzukommen mit den Öffentlichen.

Teurere Tickets und gesunkene Fahrgasteinnahmen

Am 12. Dezember 2021 sind die Tickets im MVV um durchschnittlich 3,7 Prozent teurer geworden. Das heißt, die Verkehrsunternehmen im Münchner Verbund bekommen mehr Geld von den Fahrgästen, aber eben nicht genug, um die Kosten für das Angebot wirklich zu decken.

Denn auch die Kosten der Verkehrsbetriebe sind gestiegen, für Personal und Treibstoff – sei es der Diesel für die Busse oder der Strom für U- und Straßenbahnen. Zudem sind die Corona-Folgen noch spürbar.

Schätzungen: Erst 2024 wieder so viele Fahrgäste wie 2019

Das Hauptproblem sind die Fahrgastzahlen, die haben sich nämlich seit Corona-Beginn noch lange nicht wieder normalisiert. Es fahren immer noch deutlich weniger Menschen mit Bussen und Bahnen als noch 2019, sagt Michael Schulze, der die Fahrgasterhebungen beim MVV verantwortet. Die Zahlen seien zwar nach den Lockdowns wieder angestiegen, "allerdings sind noch nicht alle Fahrgäste wieder zurückgekommen".

Vielmehr liege die Einbuße immer noch bei "gut 20 Prozent", eher sogar mehr, je nach Verkehrsmittel und Strecke. Viele Menschen haben ihre Abos gekündigt und Bussen und Bahnen den Rücken gekehrt. Seriöse Prognosen zum Wachstum ließen sich momentan nicht abgeben, momentane Schätzungen gehen davon aus, dass erst 2024 wieder so viele Menschen mit den öffentlichen fahren wie vor der Pandemie, so MVV-Experte Schulze.

Experiment 9-Euro-Ticket startet im Juni

Es gibt viele Unwägbarkeiten. Wie wird der Rettungsschirm gestaltet? Wie entwickelt sich das 9-Euro-Ticket, das für die Sommermonate Juni, Juli und August kommen soll und einen Monat lang für die Fahrt in allen Verkehrsverbünden in Deutschland sowie Nah- und Regionalverkehrszügen gelten soll? Die Einnahmeausfälle durch das Sonderangebot hat der Bund angekündigt, tragen zu wollen.

Bislang sind sich aber Bund und Länder nicht einig über die Höhe des Rettungsschirmes und darüber, wie viel Geld die Länder bekommen sollen, um das Angebot im Nahverkehr aufrechtzuerhalten und auszubauen. Das 9-Euro-Ticket kostet etwa 2,5 Milliarden Euro. Geld, das für den Ausbau von Schienen und den Kauf von Fahrzeugen fehlt, kritisieren viele Verkehrsunternehmen.

Bund, Freistaat und Kommunen sind in der Pflicht

Überall werden die Preise so kalkuliert, dass ein Teil der Einnahmen von den Fahrgästen kommt, ein Teil von den Auftraggebern. Das sind bei den regionalen Busunternehmen die Landkreise, bei den S-Bahnen ist es der Freistaat Bayern, bei den städtischen Münchner Verkehrsunternehmen ist es die Landeshauptstadt München. Das Verhältnis liegt bei etwa 50 zu 50 im MVV – also die Fahrgäste zahlen rund die Hälfte. Genaue Zahlen schwanken und werden als Geschäftsgeheimnis betrachtet.

So steht also fest, dass Bund, Freistaat oder Stadt mehr Geld in den Nahverkehr werden stecken müssen. Über die genaue Verteilung wird seit Wochen gestritten. Angesichts der Versprechen und der Ziele für eine Verkehrswende und eine stärkere Unabhängigkeit von Öl- und Gas-Importen aus Russland durchs Umsteigen auf die Öffentlichen ist die Politik gefordert.

Nahverkehrsfinanzierung Thema bei Verkehrsministerkonferenz

Das oft wiederholte Ziel lautet: eine Verdoppelung der Fahrgäste bei den öffentlichen Bussen und Bahnen bis 2030 im Vergleich zu 2019. Ein ehrgeiziges Ziel, das ein gutes Angebot und sehr viel Geld erfordert.

Ab Mittwoch tagt in Bremen die Verkehrsministerkonferenz. Einer der ersten Tagesordnungspunkte lautet "Auswirkungen der Corona-Pandemie auf den Verkehrsbereich" – unter anderem geht es dabei um die Ausgestaltung des Rettungsschirms für den öffentlichen Personen-Nahverkehr.

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