Olaf Scholz, Emmanuel Macron und Mario Draghi in Kiew: Schnell häufen sich die Kommentare anlässlich dieser Reise des deutschen Bundeskanzlers, des französischen Präsidenten und des italienischen Ministerpräsidenten. Auch aus Russland und dem Osten der Ukraine sind spöttische Töne zu vernehmen.
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So zeichnete der Gouverneur der Region Luhansk im ukrainischen Donbass eine rote Linie: Der Besuch werde nichts bringen, falls sich die Europäer für einen Friedensvertrag mit Russland einsetzten, der die Aufgabe von Territorium beinhalte. Dies sei etwas, das die Ukrainer niemals akzeptieren würden, erklärte Serhij Hajdaj am Donnerstag.
Frieden in der Ukraine: Handel mit Territorien umstritten
"Ich bin sicher, dass unser Präsident Wolodymyr Selenskyj keine Zugeständnisse machen und mit unseren Territorien Handel treiben wird", erklärte Hajdaj. "Wenn jemand Russland aufhalten will, indem er ihnen Gebiete gibt, hat Deutschland Bayern, hat Italien die Toskana, die Franzosen können zum Beispiel die Provence abtreten."
Die Russen seien "wilde Menschen". Heute greifen sie nach dem einen Territorium, morgen nach einem anderen, sagte er weiter. Viele Ukrainer seien heldenhaft gestorben, während sie ihr Land als Ganzes beschützten. "Niemand wird uns vergeben, wenn Menschen sterben, aber wir Zugeständnisse an den Aggressor machen", so der Gouverneur der Region Luhansk.
Russlands Ex-Präsident spottet über "europäische Fans"
Auch aus Russland waren Kommentare zu dem Treffen zu vernehmen. Der frühere Präsident Dmitri Medwedew kritisierte die gemeinsame Kiew-Reise von Scholz, Macron und Draghi als nutzlos. Auf Twitter schmähte er: "Die europäischen Fans von Fröschen, Leberwurst und Spaghetti lieben es, Kiew zu besuchen." Vor einigen Wochen nannte der ukrainische Botschafter in Deutschland, Andrij Melnyk, Kanzler Scholz eine "beleidigte Leberwurst".
Medwedew provoziert während Scholz-Besuch in Kiew
Die Politiker müssten mit dem Zug reisen, wie vor 100 Jahren, provozierte Medwedew weiter, der mittlerweile stellvertretender Vorsitzender des russischen Sicherheitsrates ist. Sie stellten der Ukraine eine EU-Mitgliedschaft und "alte Haubitzen" in Aussicht. "Das ist alles gut. Aber es wird die Ukraine nicht näher in Richtung Frieden bringen. Die Uhr tickt."
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Russland warnt vor weiteren Waffenlieferungen
Außerdem warnte Russland vor weiteren Waffenlieferungen an die Ukraine. Diese wären "absolut nutzlos" und würden dem Land nur "weiter schaden", sagte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow zum Besuch der Politiker aus der EU. "Ich möchte hoffen, dass die Führer dieser drei Staaten (...) sich nicht nur darauf konzentrieren, die Ukraine zu unterstützen, indem sie die Ukraine weiter mit Waffen vollpumpen", sagte Peskow.
Zweimal Luftalarm in Kiew
Die europäischen Besucher sprachen sich am Nachmittag bei ihrem Besuch für eine rasche Gewährung des EU-Kandidatenstatus für die Ukraine aus. Kurz vor der Pressekonferenz hatte es zum zweiten Mal nach der Ankunft der Gäste Luftalarm gegeben. "Die Luftalarm-Sirenen zeigen, dass Russland nicht wählt, wen und wann es attackiert", sagte Selenskyj dazu. Schon am Morgen war der Luftalarm in der ukrainischen Hauptstadt gut 30 Minuten lang ausgelöst worden.
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Scholz, Macron und Draghi waren mit einem Sonderzug in die ukrainische Hauptstadt gereist. Rumäniens Staatspräsident Klaus Iohannis war ebenfalls in Kiew eingetroffen. Zunächst suchten die Politiker den Kiewer Vorort Irpin auf. Ähnlich wie im benachbarten Butscha wurden nach dem Rückzug der russischen Truppen dort Ende März knapp 300 teils hingerichtete Zivilisten gefunden. Zurzeit laufen internationale Ermittlungen wegen des Verdachts auf Kriegsverbrechen.
Scholz in Irpin: "Symbol für die unvorstellbare Grausamkeit"
"Irpin ist wie Butscha längst ein Symbol für die unvorstellbare Grausamkeit des russischen Kriegs geworden, für sinnlose Gewalt", ließ Scholz am Donnerstag über Twitter verbreiten. Macron sagte in Irpin, dort seien die "Zeichen der Barbarei" und "Spuren der Kriegsverbrechen" zu sehen und verwies auf die Arbeit der Experten.
Bundeskanzler Scholz hatte schon kurz vor der Ankunft in Kiew erklärt, es sei "wichtig, wenn jetzt die Regierungschefs der drei großen Länder, die schon bei der Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft dabei waren, nach Kiew fahren und in dieser ganz besonderen Situation des Krieges ihre Unterstützung für die Ukraine und die Bürgerinnen und Bürger der Ukraine zeigen". Scholz kündigte zudem weitere finanzielle und auch militärische Unterstützung aus Deutschland an. Konkrete Details nannte der SPD-Politiker aber nicht.
Politikwissenschaftler Kaim sieht Scholz' Reise als Erfolg
Dennoch habe sich der Besuch von Olaf Scholz in der Ukraine gelohnt, resümiert Markus Kaim von der Stiftung Wissenschaft und Politik. Der Politikwissenschaftler sagte im Interview mit BR24, Scholz habe sich dadurch als kluger Machtpolitiker präsentiert. Zwar bleibe der Sozialdemokrat bei der Frage nach Waffenlieferungen weiter sehr vorsichtig, mit seiner Zusage für eine EU-Perspektive stärke Scholz die Ukraine aber deutlich, so Kaim.
Mit Agentur-Material.
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