Völlige Verwirrung im Botanischen Garten in München: Chlorophyll, wo man hinschaut. Photosynthese, die eigentlich nicht mehr sein dürfte. Frühlingsgefühle, ja geradezu verwegene Vegetation bei den Pflanzen. Manch hartnäckiges und zähes Exemplar betreibt noch immer seine Stoffwechselprozesse, produziert also Glucose und Sauerstoff, obwohl eigentlich nicht mehr die Zeit dafür ist. Nicht-heimische Exoten fangen nochmal an zu blühen.
Auch der Biologe und Pflanzen-Kurator des Münchner Botanischen Garten, Thibaud Messerschmid, hat das noch nicht oft gesehen. "Der Tabak, den wir hier sehen, der wäre jetzt eigentlich um die Jahreszeit auch schon eingefroren oder zurückgezogen."
- Zum Artikel: "Sonniger Oktober bricht alle Rekorde"
Zweite Blütenperiode bei exotischen Pflanzen
Aber der Tabak fühlt sich pudelwohl. Seine Blätter: Grün, groß und saftig. Genauso wie bei der Gunnera tinctoria, der Mammutblatt-Pflanze aus Chile. Dass sie um diese Jahreszeit nochmal zur Blüte kommt, sieht man in München selten, sagt Messerschmid. Kälteempfindliche, nicht-heimische Exoten fangen also langsam an, sich heimisch zu fühlen. Doch nur positiv ist das nicht. Denn die Mammutblatt-Gunnera ist eine invasive Pflanze, das heißt, sie könnte heimische Pflanzen verdrängen.
Außergewöhnlich sind auch die Aktivitäten der Rhagadiolus stellatus. Der sternfrüchtige Sichelsalat ist normalerweise ein einjähriges Kraut und blüht also eigentlich nur einmal im Jahr. "Aber jetzt durch die hohen Temperaturen ist diese Vegetationsperiode einfach so stark verlängert worden, dass sie noch ein zweites Mal zur Blüte kommt."
Erntezeit in diesem Jahr verlängert
Und wie schaut es auf den Feldern aus? Bei Getreide, Mais und Steckrübe? Die Erntezeit ist dieses Jahr deutlich länger, sagt Ackerbauer Hermann Greif aus dem oberfränkischen Pinzberg. Durch die extreme Wärme der vergangenen Tage würden vor allem die Gräser gerade wieder anfangen zu treiben.
"Die Vegetationszeit geht normalerweise bis Mitte Oktober", sagt Greif erstaunt. Auch bei den Zuckerrüben wirke sich diese Wärme aus, die Ernte dauere hier noch an. Viele Pflanzen hätten die Ernte aber schon hinter sich, wie zum Beispiel das Getreide, das ja im Sommer geerntet wird.
Wärmere Temperaturen begünstigen manche Schädlinge
Doch nicht alle Pflanzen freuen sich über die zunehmende Wärme. Die Eiche hatte dieses Jahr ganz schön zu kämpfen mit den Gallwespen. Die nämlich haben die Eichenblätter befallen wie Parasiten, erklärt der Botaniker Thibaud Messerschmid. "Da sehen wir jetzt, dass dieses wärmere Klima zum Teil auch die Schädlinge von Pflanzen begünstigen kann."
Profitieren von dem milden Herbst konnten also vor allem die exotischen und die Nutzpflanzen.
- Zum Artikel: "Ökosysteme im Wandel: Tiere und Pflanzen im Klimastress"
Das ist die Europäische Perspektive bei BR24.
"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!