In einem Reformstaatsvertrag haben die Bundesländer Ideen formuliert, wie sich der öffentlich-rechtliche Rundfunk weiterentwickeln soll. Die Veränderungen könnten deutlich spürbar sein, zum Beispiel für alle, die die Angebote des BR nutzen. Es geht um Veränderungen in der Organisation, neue Regeln zur Transparenz, vor allem aber um Einsparungen bei den Programmen. Auf 112 Seiten formulieren die Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten weitreichende Vorschläge. Sie sind zuständig, weil Medienpolitik in Deutschland Ländersache ist. Dabei gilt: Die Politik gibt den Rahmen vor, einen Einfluss auf konkrete Inhalte hat sie nicht.
Im Video: BR-Chefredakteur Christian Nitsche äußert Bedenken zum Reformstaatsvertrag
Welche Sender könnten wegfallen?
Im Radiobereich sollen mindestens 16 Programme wegfallen – in allen neun Landesrundfunkanstalten, die in der ARD zusammengeschlossen sind. Dazu zählt auch der Bayerische Rundfunk. Entscheidend sind unter anderem die Zahl der Einwohner und die Frage, wie viele Bundesländer abgedeckt werden. Für den BR hieße das, er darf künftig noch sechs Radioprogramme anbieten. Im Moment sind es zehn, wenn man BR Verkehr und den Ereigniskanal BR24 live mit einbezieht.
Einschnitte sind auch im Fernsehen geplant. Es geht um Spartenkanäle, die stärker zusammenarbeiten oder wegfallen sollen. Dazu zählt zum Beispiel 3Sat, bekannt für Kulturberichterstattung. Der Sender ist eine Kooperation von öffentlich-rechtlichen Sendern in Deutschland, Österreich und der Schweiz. 3Sat soll, so liest sich der Entwurf, mit dem deutsch-französischen Kanal Arte verschmolzen werden. Auch Infosender wie Phoenix, Tagesschau24 oder ZDFinfo sollen zusammengelegt werden. Sogenannte Hauptprogramme wie Das Erste, das ZDF, aber auch das BR Fernsehen stehen nicht zur Debatte.
Was ist der Hintergrund dieser Reformen?
Die öffentlich-rechtlichen Sender sollen generell sparen, das ist der Wille der Politik. Aber wichtig sei auch, die Öffentlich-Rechtlichen besser für die Zukunft aufzustellen, erklärt Heike Raab im BR24-Interview. Die SPD-Politikerin aus Rheinland-Pfalz koordiniert die Rundfunkkommission der Bundesländer.
Aus Sicht von Heike Raab ist es problematisch, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk derzeit zu wenig jüngere Menschen erreiche. Um das zu ändern, sollen Gelder für neue Bereiche bereitgestellt werden. Geplant ist eine neue gemeinsame Online-Plattform von ARD und ZDF. Das Fazit der SPD-Politikerin: "Wenn etwas Neues geschaffen wird, muss man auch manchmal alte Zöpfe abschneiden."
Was bedeutet "Presseähnlichkeit"?
Im Reformentwurf ist gleichzeitig auch eine Beschränkung formuliert. Es geht um die Frage, wie viel Text im Netz, also zum Beispiel auf BR24, veröffentlicht werden darf. Zeitungsverleger kritisieren immer wieder, dass die Öffentlich-Rechtlichen in ihren Online-Angeboten und auch auf Social Media zu "presseähnlich" seien. Der Reformstaatsvertrag sieht jetzt vor, dass Texte kürzer werden müssen. Außerdem wird die Vorgabe enger gefasst, dass Inhalte einen Bezug zu einer Sendung, die zuvor im Radio oder Fernsehen gelaufen ist, haben müssen. Das werde oft "sehr extensiv ausgelegt", kritisiert Heike Raab.
Gudrun Riedl, die Redaktionsleiterin von BR24 digital, sieht diese Vorschläge kritisch. Im Fall von Breaking News dürfte BR24 online dem Entwurf zufolge nur eine Schlagzeile veröffentlichen. Dann müsse man warten, bis Radio- oder Fernsehsendungen digital ausgewertet werden könnten. "Das widerspricht dem Auftrag, die Menschen auf allen Wegen schnell zu informieren." Die Versorgung der Jüngeren mit aktuellen Informationen wäre durch die neuen Regelungen stark eingeschränkt. Auch Faktenchecks funktionieren oft am besten in Textform, erklärt Gudrun Riedl. Sollte dies nicht mehr möglich sein, wäre das das Gegenteil von dem, was in Zeiten von Verunsicherung und Desinformation nötig sei.
Wie geht es weiter?
Noch bis kommenden Freitag kann jeder eine Stellungnahme zum Entwurf des Reformstaatsvertrages abgeben. Über die Anmerkungen werden dann die Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten Ende Oktober beraten und den Reformstaatsvertrag verabschieden. Anschließend müssen die Landtage aller 16 Bundesländer zustimmen. Bis die Reformen in Kraft treten können, wird es wohl noch bis weit ins Jahr 2025 dauern.
Und was ist mit dem Rundfunkbeitrag?
Ursprünglich enthielt der Reformentwurf auch Vorschläge zur Weiterentwicklung des Rundfunkbeitrags. In der veröffentlichten Version fehlen diese allerdings. Die Vermutung: Die Bundesländer konnten sich nicht einigen. Geplant ist aktuell eine Erhöhung ab 1. Januar 2025 um 58 Cent. Der Rundfunkbeitrag würde dann bei 18,94 Euro liegen.
Auch hier müssen jedoch noch alle Landtage zustimmen. Auch wenn Niedersachsen seinen Widerstand gegen eine Erhöhung vor Kurzem zurückgezogen hat, ist vor allem im Osten Deutschlands die Kritik noch immer groß. Auch Bayerns Ministerpräsident Söder hat angekündigt, einer Erhöhung nicht zuzustimmen. ARD, ZDF und Deutschlandradio könnten dann – ähnlich wie 2021 – vor das Bundesverfassungsgericht ziehen, um eine Erhöhung durchzusetzen, auf die sie verfassungsgemäß Anspruch haben. Ob es so weit kommt, ist allerdings unklar.
Unterdessen hat der BR verkündet, dass er im kommenden Jahr massiv sparen muss, selbst wenn eine Erhöhung des Rundfunkbeitrags kommt. Die Planungen gehen von einer Finanzierungslücke von etwa 70 Millionen Euro aus. Dies hat – unabhängig von den Plänen im Reformstaatsvertrag – Folgen fürs Programm. So werden u. a. die Sendungen "Euroblick" und "Alpen-Donau-Adria" eingestellt. Auch der Bayerntext wird durch den ARD-Text ersetzt.
Im Video: Diskussion über die Zukunft des öffentlich-rechtlichen Rundfunks
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