In der Diskussion über eine allgemeine Corona-Impfpflicht hat Bundeskanzler Olaf Scholz die geplante Parlamentsabstimmung ohne Fraktionsvorgaben erneut verteidigt. Dies solle dazu beitragen, dass es "einen großen Konsens" ergeben werde, sagte der SPD-Politiker nach der ersten Klausur des neuen Kabinetts in Berlin. Scholz verwies darauf, dass angesichts der zu niedrigen Impfquote viele in der Politik, aber auch unter den Bürgern, ihre ablehnende Meinung geändert hätten. Deshalb sei es so wichtig, genau diesen Weg zu gehen und nicht über einen Antrag der Regierung.
Vorgehen bei Impfpflicht-Debatte bekräftigt
Der Bundeskanzler begrüßte es, dass die auf den Weg gebrachte Diskussion jetzt "konkretisiert" werde. Sieben Abgeordnete von SPD, FDP und Grünen hatten am Freitag eine erste konkrete Initiative für eine Impfpflicht ab 18 Jahren gestartet, die auf mehr Schutz im Herbst und Winter zielen soll. Dafür wollen sie nach der für diesen Mittwoch geplanten Orientierungsdebatte im Parlament einen Entwurf erarbeiten. Derzeit zeichnen sich drei Richtungen ab: eine Impfpflicht für alle Erwachsenen, eine auf Ältere begrenzte Impfpflicht ab 50 Jahren oder ein Votum gegen die allgemeine Impfpflicht.
"Eine Impfpflicht ist kein Vorhaben der Koalition", sagte der Finanzminister und FDP-Vorsitzende Christian Lindner. Die Entscheidung darüber solle aus der Mitte des Bundestags erfolgen. "Die Frage der Impfpflicht hat ganz offensichtlich hohes Konfliktpotenzial in der Gesellschaft", sagte er nach einer Kabinettsklausur der Bundesregierung am Freitag in Berlin. Bei solchen Themen biete es sich an, dies nicht zur Frage zwischen Regierung und Opposition zu machen.
Scholz: Gute Wirkung der Corona-Maßnahmen
Mit Blick auf die Beratungen zwischen Bund und Ländern am Montag sagte Scholz, Maßnahmen wie 3G, 2G, Kontaktbeschränkungen und die Booster-Kampagne hätten gute Wirkung gehabt. Gegenwärtig habe Deutschland bei den Kontaktbeschränkungen wahrscheinlich die strengsten Regelungen im europäischen Vergleich und zugleich die erfolgreichste Booster-Kampagne in der EU auf den Weg gebracht.
"Und diesen Weg, den werden wir im Wesentlichen weitergehen." Scholz sprach von einer geordneten, vernünftigen und unaufgeregten Diskussion bei den Corona-Maßnahmen zwischen Regierung, Ländern und Parlament. "Diesen Stil, den wollen wir auch gerne fortführen".
Regierungsvorhaben sollen beschleunigt werden
Beim Wohnungsbau, der Energiewende sowie beim Ausbau der Verkehrswege und der digitalen Infrastruktur will die Bundesregierung Tempo machen. Die Regierung wolle "es hinkriegen, dass dieses Land Fahrt aufnimmt", sagte Bundeskanzler Olaf Scholz. Scholz verwies auf schleppende Planungs- und Genehmigungsverfahren, bei denen man deutlich schneller werden müsse als bisher. "Wir müssen da Tempo hineinbekommen."
Lindner (FDP) erklärte, dass man im Laufe des ersten Halbjahres "vorzeigbare Ergebnisse" haben wolle. "Unser Land ist gefesselt, wir haben uns selbst gefesselt." Es gebe zu viel Bürokratie.
Vizekanzler und Klimaschutzminister Robert Habeck (Grüne) sagte mit Blick auf die Energiewende mit neuen Windenergieanlagen oder dem Aufbau einer Wasserstoff-Infrastruktur, in den derzeitigen Planungszeiträumen sei dies nicht zu schaffen. Es müssten "ein paar alte Zöpfe" abgeschnitten werden.
Die Beschleunigung von Planungsprozessen bei zentralen Zukunftsprojekten war ein Hauptthema der ganztägigen Klausurtagung im Kanzleramt. "Wir glauben, dass das einen Aufbruch für unser Land ermöglicht, und wir glauben auch, dass der notwendig ist", sagte Scholz.
G7-Präsidentschaft: Klimaschutz und Pandemie als Hauptthemen
Ein weiteres großes Thema der Klausur war die deutsche Präsidentschaft in der G7-Gruppe der führenden demokratischen Wirtschaftsmächte. Deutschland hatte am 1. Januar von Großbritannien den Vorsitz übernommen. Scholz bekräftigte das Ziel, einen "Klima-Club" zu schaffen, damit nicht jedes Land für sich alleine agiere. Höhepunkt der einjährigen Präsidentschaft wird ein Gipfeltreffen unter Leitung von Scholz vom 26. bis 28. Juni 2022 auf Schloss Elmau in den bayerischen Alpen sein. Thematisch im Mittelpunkt stehen werden der Klimaschutz, die Pandemiebekämpfung sowie die Stärkung der internationalen Zusammenarbeit und der Demokratien weltweit.
Umweltministerin Steffi Lemke (Grüne) erklärte, es solle ein "G7-Ocean Deal" auf den Weg gebracht werden, um die gemeinsamen Initiativen zum Schutz der Ozeane und gegen die Verschmutzung der Meere voranzubringen. Habeck nannte als Ziel einen "klaren Impuls" der G7 für die internationale Zusammenarbeit und den Multilateralismus.
Ukraine-Konflikt: Vorbereitung für Entscheidungen
Scholz kündigte an, dass die westlichen Regierungen im Hintergrund Sanktionen gegen Russland für den Fall einer möglichen Aggression gegen die Ukraine vorbereiten. "Wenn es zu einer militärischen Aktion kommt, dann wird das hohe Kosten haben", sagte Scholz nach der Kabinettsklausur. "Darüber, was wir dann machen und welche einzelnen Maßnahmen wir konkret ergreifen werden, wird dann zu gegebener Zeit eine Verständigung herbeigeführt werden", fügte er hinzu. "Wir bereiten jetzt vor, dass wir dann diese Entscheidung jeweils konkret treffen können", sagte er, ohne Details zu nennen.
Es würden derzeit aber alle Anstrengungen darauf liegen, eine Eskalation zu vermeiden. Erneut forderte der Kanzler Russland zu einer Reduzierung seiner Truppen an der ukrainischen Grenze auf. Waffenlieferungen an die Ukraine lehnte Scholz erneut ab. Auf die Frage, ob sich die Ampel-Parteien auch beim Thema Nord Stream 2 einig seien, sagte Vizekanzler Robert Habeck (Grüne): "Eine Regierung ist im Prinzip immer einig."
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