Rechtsanwalt Marc Jüdt nennt den Vorfall einen "dicken Hund": Mitten in der Beweisaufnahme tönt es von der Richterbank - das habe er in den vielen Jahren, die er schon als Verteidiger arbeitet, noch nie erlebt. Offenbar war auf dem Laptop eines Richters ein Video einer Nachrichtenseite laut abgespielt worden - während der laufenden Hauptverhandlung gegen mutmaßliche Mitglieder der "Gruppe Reuß", die einen gewaltsamen Umsturz geplant haben soll.
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Verteidiger stellen Befangenheitsantrag
Jüdt und zwei weitere Verteidiger stellten daraufhin im Namen ihrer Mandanten einen Befangenheitsantrag gegen das Gericht. Durch das Abspielen des Videos sei der Eindruck entstanden, dass der Richter sich während der Hauptverhandlung mit verfahrensfremden Dingen beschäftige, er habe sich aber voll auf das Prozessgeschehen zu konzentrieren, so die Argumentation.
Gericht gibt dem Antrag statt
Der Vorfall hatte sich bereits in der vergangenen Woche ereignet. Das Oberlandesgericht München gab dem Antrag der Verteidiger nun statt, der betroffene Richter war am heutigen Prozesstag nicht anwesend. Der weitere Ablauf der Hauptverhandlung werde dadurch allerdings nicht gestört, sagte Laurent Lafleur, Leiter der Pressestelle für Strafsachen. Der abgelehnte Richter sei lediglich als Ergänzungsrichter hinzugezogen worden; Ergänzungsrichter treten nur auf, wenn ein Richter ausscheidet. Damit wird verhindert, dass das Verfahren von vorne beginnen muss. In dem Prozess ist nun noch eine Ergänzungsrichterin übrig.
Einblicke in eine bizarre Weltanschauung
Insgesamt acht Angeklagte müssen sich in München verantworten. Sie sollen Teil der sogenannten Gruppe Reuß gewesen sein. Die Bundesanwaltschaft wirft ihnen vor, geplant zu haben, die politische Ordnung Deutschlands zu stürzen und dabei auch politische Gegner und Repräsentanten des Staates umzubringen.
Melanie R., einer Ärztin aus dem Raum Braunschweig, war laut Anklage in einem neuen Staat die Rolle der Gesundheitsministerin zugedacht. Sie hat bereits ausgesagt und sagte heute erneut aus. Dabei gab sie Einblicke in die bizarre Weltanschauung der mutmaßlichen Verschwörer. Alle hätten geglaubt, dass es zu einem "Weltenwechsel" kommen werde, sagte R. Zunächst würde es dunkel werden, doch danach herrsche überall auf der Welt Gerechtigkeit. Man war der Ansicht, dass es weltweit in über 100 Staaten zu Regierungswechseln kommen und "Gut gegen Böse" gewinnen werde, sagte die 58jährige. Nach eigener Aussage hat sie sich von den esoterisch-verbrämten Verschwörungsmythen der mutmaßlichen Terrorgruppe distanziert und alles nicht so ernst genommen.
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