Die wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung und der Vorbereitung eines sogenannten hochverräterischen Unternehmens angeklagten Personen sitzen zusammen mit ihren Anwälten im Oberlandesgericht München im Gerichtssaal.
Bildrechte: dpa-Bildfunk/Sven Hoppe

Zwei Monate nach Beginn ist der Reichsbürgerprozess in München nun in die nächste Phase eingetreten: Die Beweisaufnahme.

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Reichsbürger-Prozess: Spinner oder Terroristen – oder beides?

Sie sollen geplant haben, die Bundesregierung gewaltsam zu stürzen. Deshalb müssen sich acht Angeklagte aus dem Reichsbürger-Milieu vor dem Oberlandesgericht verantworten. Zwei Monate nach Beginn ist der Prozess nun in die nächste Phase eingetreten.

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Der Prozess in München ist nur eines von insgesamt drei Verfahren gegen die Gruppe um den Frankfurter Immobilienhändler Heinrich Prinz Reuß, die Ende 2022 bei einer Großrazzia hochgenommen wurde. Während Reuß und weiteren mutmaßlichen Führungsfiguren in Frankfurt der Prozess gemacht wird, stehen in Stuttgart mutmaßliche Mitglieder des militärischen Arms der Gruppe vor Gericht. In München angeklagt ist eher die zweite Reihe.

Doch auch einige der acht Frauen und Männer, die sich in München verantworten müssen, gehörten zum engsten Kreis um Prinz Reuß. Kurz vor der dreiwöchigen Sommerpause hat das Verfahren die Beweisaufnahme begonnen. Am Freitagnachmittag hat der Senat die erste Zeugin vernommen, eine Polizistin des bayerischen Landeskriminalamtes. Zuvor wurde ein abgefangener Brief im Gerichtssaal verlesen und ein abgehörtes Telefonat vorgespielt.

Von angeblichen Geheimorganisationen und energetischen Angriffen

In dem Telefonat erzählt der Hauptangeklagte im Münchner Verfahren, Christian W., einem seiner Mitverschwörer von der sogenannten "Allianz", einer internationalen Geheimorganisation, die bald zuschlagen und die Bundesregierung absetzen werde. Er fabuliert von einer Atombombe, die im Atlantik gezündet werde, um mit einer riesigen Flutwelle "England zu spülen". Und schließlich eröffnet er seinem sichtlich erstaunten Gesprächspartner noch, dass die Gruppe jüngst "energetisch" angegriffen worden sei.

Hinter allem steckt die "dunkle Seite"

Hinter all dem stehe die "dunkle Seite", wie es Christian W. nennt. Wie ernstzunehmend sind solche Wahnideen? Wie gefährlich sind die acht Männer und Frauen, die in München angeklagt sind, wirklich? Sind es nur Spinner oder gefährliche Terroristen? Die Bundesanwaltschaft glaubt, sie waren sehr gefährlich, sagt der Sprecher des Oberlandesgerichts Laurent Lafleur: "Den acht Angeklagten wird die Mitgliedschaft und teilweise auch die Gründung einer terroristischen Vereinigung vorgeworfen, sowie die Vorbereitung eines hochverräterischen Unternehmens gegen den Bund."

Ausgebildete Elitesoldaten und hunderte Schusswaffen

Die Gruppe, zu der auch ausgebildete Elitesoldaten gehörten, hatte jedenfalls schon zahlreiche Waffen gehortet – allein 382 Schusswaffen beschlagnahmten Ermittler bei einer Großrazzia Ende 2022, dazu fast 150.000 Schuss Munition. Der militärische Arm der Gruppe, der in Stuttgart angeklagt ist, soll damit beauftragt gewesen sein, hunderte sogenannte "Heimatschutzarmeen" aufzubauen: kleine Zellen, die am "Tag X" zuschlagen sollten.

Auch einige der Angeklagten von München waren wohl gewillt, Waffengewalt einzusetzen, jedenfalls absolvierten sie ein Schießtraining. Das hat auch die einzige Aussagewillige der acht angeklagten Männer und Frauen bestätigt – die 70-jährige Hilde L.

Eine Astrologin und "spirituelle Beraterin" sagt aus

Die Astrologin war nach eigener Aussage die spirituelle Beraterin der Gruppe, insbesondere des Anführers Heinrich Prinz Reuß und der als zukünftige Justizministerin vorgesehenen Birgit Malsack-Winkemann. Mehrere Tage hat Hilde L. dem Münchner Oberlandesgericht Rede und Antwort gestanden und auch wenn die Astrologin ihre eigene Rolle in der mutmaßlichen Terrorgruppe herunterspielte, so hat sie doch weite Teile der Anklage bestätigt.

Offenbar scheint die Angeklagte inzwischen selbst fassungslos darüber zu sein, in welches krude Weltbild sie sich da verrannt hatte: Dass auch sie die offensichtlichen Lügen des QAnon-Verschwörungsmythos glaubte, wonach eine globale Elite angeblich satanistische Rituale an tausenden entführten Kindern verübe. Dass auch sie an die geheime "Allianz" glaubte, die bald die Bundesregierung hinwegfegen würde – und als deren Hilfstruppe sich die Reuß-Gruppe offenbar verstand. "Unfug" nennt die 70-Jährige das heute.

Antisemitische Verschwörungsmythen im Geburtstagsbrief

Der Hauptangeklagte im Münchner Verfahren, Christian W., scheint dagegen weiterhin tief in seinen Wahnideen gefangen zu sein. Das verdeutlicht der Brief, den Christian W. erst vor wenigen Wochen aus der Haft heraus an ein junges Mädchen aus seiner Nachbarschaft geschrieben hat, vorgeblich um der 14-Jährigen zum Geburtstag und zum Zeugnis zu gratulieren.

Doch dann führt er seitenlang sein krudes Weltbild aus, das am Ende genau dort mündet, wo die meisten Verschwörungsmythen am Ende landen: Bei antisemitisch konnotierten Wahnvorstellungen von angeblichen Strippenziehern der Hochfinanz, die hinter allem Bösen dieser Welt stecken.

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