Rosneft hat der Bundesregierung eine "Zwangsenteignung" seiner deutschen Tochterfirmen vorgeworfen. Das Öl-Unternehmen sprach in einer Mitteilung am Freitagabend in Moskau von einem "illegalen" Zugriff auf sein Vermögen. Man prüfe alle Optionen, um seine Aktionäre zu schützen, darunter auch gerichtliche Schritte. Das Vorgehen der Bundesregierung verstoße gegen alle "grundlegenden Prinzipien einer Marktwirtschaft".
Rosneft argumentiert gegen Entscheidung der Bundesregierung
Der Konzern betonte, dass er zu jeder Zeit seine Verpflichtungen erfüllt habe. Es seien auch weitere Investitionen und Projekte geplant gewesen. Die bisherigen Investitionen in Deutschland bezifferte der Konzern auf 4,6 Milliarden Euro.
Rosneft machte in seiner Mitteilung von Freitagabend deutlich, durch die Entscheidung aus Berlin nun keine Möglichkeit mehr zu haben, "die industrielle und ökologische Sicherheit des Werkes zu gewährleisten". Der Konzern sei aber auch bereit, einen möglichen neuen Vertrag auszuhandeln - unter der Bedingung, dass es eine Garantie gebe für die Bezahlung der Öllieferungen, für die Investitionen und die Rechte der Beschäftigen des Unternehmens.
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Wirtschaftsweise Grimm sieht staatliches Einschreiten positiv
Die "Wirtschaftsweise" Veronika Grimm hat die Übernahme der Kontrolle bei der deutschen Rosneft-Gruppe durch den Bund begrüßt. "Das staatliche Einschreiten erscheint sinnvoll, um den Weiterbetrieb der wichtigen Ölraffinerie in Schwedt zu sichern", sagte sie der "Rheinischen Post" (Samstag).
Deutschland wolle ab 2023 auf Pipeline-Öl aus Russland verzichten. "Deshalb braucht Schwedt Alternativen zu russischem Öl, was Stand jetzt nur mittels Lieferungen über polnische Häfen funktioniert", sagte das Mitglied im Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung. "Die Anbindung über Rostock kann die benötigten Mengen nicht kurzfristig leisten." Polen weigere sich aber zu liefern, solange russische Firmen mit der Weiterverarbeitung Geld verdienten, sagte Grimm.
Es sei unklar, ob die Treuhandverwaltung ausreiche, um Polen zu überzeugen, Öllieferungen über polnische Häfen zuzulassen, so Grimm. "Außerdem gehen Geldgeber auf Distanz, weil man aufgrund der russischen Beteiligung Unsicherheiten sieht", sagte sie.
Habeck: Versorgungssicherheit "nicht mehr gegeben"
Das Bundeswirtschaftsministerium hatte am Freitag die Rosneft Deutschland GmbH (RDG) und die ebenfalls zu Rosneft gehörende RN Refining & Marketing GmbH (RNRM) unter die Treuhandverwaltung der Bundesnetzagentur gestellt. Die Treuhand übernimmt damit auch die Kontrolle über den jeweiligen Anteil der Rosneft-Töchter an den Raffinerien PCK im brandenburgischen Schwedt, Miro in Karlsruhe und Bayernoil in Vohburg. Die drei Raffinerien vereinen dem Ministerium zufolge rund zwölf Prozent der deutschen Erdölverarbeitungskapazität auf sich.
Die Versorgungssicherheit sei "nicht mehr gegeben", begründete Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) den Schritt. Der Betrieb der betroffenen Raffinerien sei gefährdet, weil "zentrale kritische Dienstleister wie Zulieferer, Versicherungen, Banken und IT-Unternehmen, aber auch Abnehmer" zu einer Zusammenarbeit mit Rosneft nicht mehr bereit gewesen seien.
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Ostbeauftragter: Neue Perspektive für Werk in Schwedt
Die Bundesregierung schnürte ein "Zukunftspaket", damit auch weiterhin in Schwedt Öl zu Benzin und Diesel verarbeitet wird und die Arbeitsplätze in der dortigen Raffinerie erhalten bleiben. Das Paket hat einen Gesamtumfang von über einer Milliarde Euro, wie Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sagte.
Brandenburgs Wirtschaftsminister Jörg Steinbach (SPD) sieht die staatliche Kontrolle der Mehrheitseigner der PCK-Raffinerie als Grundlage für einen Erhalt, aber noch nicht als Garantie dafür. Mit diesem Schritt schaffe der Bund die notwendige Handlungsfreiheit. Er betonte aber auch: "Nun kommt es auf eine erfolgreiche Umsetzung an."
Der Ostbeauftragte der Bundesregierung, Carsten Schneider, sagte, mit Rosneft habe es am Standort Schwedt keine Fortschritte mehr gegeben. Mit der Entscheidung des Bundes sieht er nun eine Perspektive, sagte der SPD-Politiker dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND/Samstag). "Ich wage sogar die Prognose, dass es in Schwedt in einigen Jahren deutlich mehr Arbeitsplätze als heute geben wird", sagte er. Auf die Frage, ob er den Mitarbeitern guten Gewissens sagen könne, dass sie eine berufliche Zukunft haben, antwortete der Ostbeauftragte: "Definitiv ja!"
(mit Material der dpa)
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