Normalerweise sehen es Unternehmen nicht so gern, wenn der Staat sich bei ihnen einmischt. Im Fall der Treuhand-Verwaltung für Rosneft Deutschland aber ist die Stimmung insgesamt positiv. Denn ohne die Entmachtung der deutschen Tochter des russischen Öl-Unternehmens hätte es passieren können, dass die Marktpreise für Öl nochmal deutlich ansteigen.
Rosneft Deutschland wollte nach eigenem Bekunden ungern vom russischen Öl ablassen, deshalb wären vermutlich mit Inkrafttreten des Öl-Embargos, mit einem Schlag etwa 13 Prozent weniger am deutschen Markt verfügbar gewesen.
Bayernoil war auf Vorgehen eingestellt
Insofern ist auch der Geschäftsführer der größten Raffinerie Bayerns, Alexander Struck, zufrieden mit der Entscheidung der Bundesregierung. Struck arbeitet für Bayernoil, die Unternehmensgemeinschaft, die die größte Raffinerie im Freistaat betreibt. "Wir haben jetzt deutlich mehr Planungssicherheit", sagt er. Bislang habe man nicht wirklich gewusst, wie genau das Embargo umgesetzt werden soll. An Bayernoil hält Rosneft Deutschland gut 28 Prozent der Anteile. Die anderen beiden Eigner sind Eni Deutschland mit 21 Prozent und Varo Energy, die mit 51 Prozent Hauptanteilseigner sind.
Die heutige Entscheidung sei zwar spontan, aber nicht überraschend, sagt Struck. "Wir haben uns schon auf dieses Szenario vorbereitet und uns war klar, dass so etwas nicht vorher groß kommuniziert werden kann."
Fehlendes russisches Öl wird von anderen Ländern ersetzt
Zwar wisse er noch nicht ganz genau, wie es weitergeht, aber an seiner täglichen Arbeit dürfte die Treuhand-Verwaltung nicht viel ändern, hofft Struck. Bislang kamen in den beiden Bayernoil-Raffinerien in Vohburg und in Neustadt an der Donau etwa 10 bis 15 Prozent des verarbeiteten Öls aus Russlands. Jetzt, mit der neuen Verwaltung, kann der russische Anteil relativ unkompliziert durch Importe aus anderen Ländern der Welt ersetzt werden. "Diese Umstellung ist nicht so kompliziert wie beim Gas", erklärt Struck.
Aiwanger: Entscheidung war richtiger Schritt
Auch Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) sieht durch die Kontrollübernahme, die Versorgung mit Öl und Gas in Bayern gesichert. "Der Einstieg des Bundes bei Rosneft Deutschland ist ein richtiger Schritt", sagte er am Freitag in München. "Damit wird die Produktion der Bayernoil-Raffinerien in Vohburg und Neustadt bei Ingolstadt weiterhin sichergestellt." Es habe sich bereits abgezeichnet, dass Rosneft Deutschland Probleme beim Bezug von Rohöl und dem Verkauf von Produkten bekommen hätte, so Aiwanger weiter.
Umstellung der Rosneft-Strukturen durch Treuhand gesichert
Durch die Entmachtung der bisherigen Rosneft-Geschäftsleitung in Deutschland kann die Bundesnetzagentur nun Mitglieder der Geschäftsführung abberufen und neu bestellen, außerdem kann sie der Geschäftsführung Weisungen erteilen. Die Maßnahme ist zunächst auf sechs Monate befristet. Die Kosten dafür haben die betroffenen Unternehmen zu tragen.
Wäre dieser Schritt nicht gekommen, wären vermutlich die üblichen Markteffekte eingetreten: Durch die fehlenden russischen Öllieferungen hätte es weniger Angebot auf dem Markt gegeben, die Nachfrage aber wäre mindestens gleich hoch geblieben. Damit wäre der Preis für Öl vermutlich massiv angestiegen.
- Zum Artikel: "Preisexplosion bei Öl und Gas: Was können Verbraucher tun?"
Branchenverband: Versorgung kompliziert geworden
Auch für den zuständigen Branchenverband ist die Treuhand-Lösung für Rosneft "nachvollziehbar". Sie sei Voraussetzung für eine Normalisierung der Geschäftstätigkeit, so der Wirtschaftsverband Fuels und Energie. Unter der Hand ist auch zu hören, dass sich schon länger einige zentrale Dienstleister wie Versicherungen, IT-Firmen oder Banken geweigert hatten, mit der deutschen Tochter des russischen Staatskonzerns zusammenzuarbeiten.
Hätte sich dieser Zustand verstetigt, wäre es bei Bayernoil vielleicht schwierig geworden. Noch viel dramatischer aber hätte die Situation in Schwedt an der Oder werden können. In der brandenburgischen Raffinerie ist man nämlich noch weit mehr abhängig von russischem Ö als in den beiden bayerischen. Deshalb hat Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) gemeinsam mit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) für Schwedt Umbau-Mittel in Höhe von 825 Millionen Euro in Aussicht gestellt, die von Bund und Ländern kommen sollen. Damit solle der Standort erhalten bleiben.
Treuhand soll "bestehende Gefahr" abwenden
Die Treuhandverwaltung durch den Staat bei Rosneft Deutschland ist möglich, weil das Unternehmen für die strukturelle Versorgung von Wirtschaft und Privathaushalten zuständig ist.
Ähnlich war die Bundesregierung auch im April schon bei Gazprom Germania vorgegangen, um "eine bestehende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder eines anderen Mitgliedstaates der Europäischen Union abzuwenden". So wurde es per Außenwirtschaftsgesetz begründet.
Allerdings ist die jetzt realisierte Treuhand-Lösung noch nicht das schärfste Mittel. Formal bleibt Rosneft nämlich weiterhin Anteilseigner in den jeweiligen Unternehmen. Die Bundesregierung hätte noch die Option einer Enteignung gehabt. Das wäre von russischer Seite allerdings vermutlich als weitere Eskalationsstufe gewertet worden.
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