Russland hat die südukrainische Hafenstadt Odessa die zweite Nacht in Folge massiv mit Raketen und Drohnen angegriffen. Der Hafen war bislang Hauptausgangspunkt für ukrainische Agrarexporte im Rahmen des Getreideabkommens, das Moskau aufgekündigt hat. In Odessa vermutet Russland auch die Kommandozentrale für Angriffe von Schwimmdrohnen, die am Montag die Brücke auf die von Moskau besetzte Halbinsel Krim beschädigt haben.
Mindestens zehn Menschen verletzt - 60.000 Tonnen Getreide zerstört
Der Bürgermeister von Odessa, Hennadij Truchanow, schrieb bei Facebook: "Einen solchen großen Angriff haben wir seit dem Beginn des groß angelegten (russischen) Einmarsches nicht erlebt." In der Stadt seien mehrere Gebäude durch Explosionen beschädigt worden. Laut Staatsanwaltschaft wurden mindestens zehn Menschen verletzt, darunter ein neunjähriger Junge,
Dem Südkommando der ukrainischen Streitkräfte zufolge wurden Hafenanlagen mit einem Getreide- und einem Speiseölterminal getroffen. Beschädigt wurden auch Tanks und Verladeanlagen. Im Stadtgebiet von Odessa seien auch Lagergebäude zerstört worden. Zudem sei auf einer Fläche von 3.000 Quadratmetern ein Brand ausgebrochen. Laut ukrainischem Landwirtschaftsminister Mykola Solsky wurden 60.000 Tonnen Getreide, das im ukrainischen Hafen Tschornomorsk in der Nähe von Odessa gelagert wurde und exportiert werden sollte, zerstört. "Es wird mindestens ein Jahr dauern, bis die beschädigte Infrastruktur vollständig repariert ist", so Solsky.
Selenskyj: "Infrastruktur des Getreideabkommens ins Visier genommen"
Russland griff nach Angaben des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj in Odessa gezielt Standorte für den Getreideexport an. Moskau habe "absichtlich die Infrastruktur des Getreideabkommens ins Visier genommen", erklärte Selenskyj im Onlinedienst Telegram.
Auch militärische Ziele und Anlagen der wichtigen Infrastruktur seien getroffen worden, teilte die ukrainische Luftwaffe mit. Insgesamt habe die russische Armee am Mittwochmorgen über 31 Raketen unterschiedlicher Typen eingesetzt. Etwas mehr als die Hälfte habe nicht abgefangen werden können. Von 32 eingesetzten russischen Kampfdrohnen wurden demnach 23 abgeschossen.
Moskau: Angriff auf militärische Einrichtungen
Die russische Armee erklärte dagegen, die nächtlichen Angriffe hätten militärische Einrichtungen in der Nähe des Hafens von Odessa zum Ziel gehabt. Die russischen Streitkräfte hätten "militärisch-industrielle Anlagen, Infrastruktur für Treibstoff und Munitionsdepots der ukrainischen Streitkräfte in der Nähe der Stadt Odessa" angegriffen.
Berichte über abgefangene Flugobjekte gab es auch aus den Gebieten Kiew, Mykolajiw und Sumy. Im westukrainischen Gebiet Schytomyr ist Behörden zufolge ein Objekt der kritischen Infrastruktur getroffen worden. Raketeneinschläge gab es demnach auch im zentralukrainischen Gebiet Kirowohrad. Schon in der Nacht auf Dienstag war Odessa Hauptziel der russischen Angriffe gewesen. Dies wurde vom Verteidigungsministerium in Moskau ausdrücklich als Reaktion auf die Beschädigung der 19 Kilometer langen Krim-Brücke am Tag zuvor bezeichnet.
Zu dem aufgekündigten Getreideabkommen und den Angriffen sagte Andrij Jermak, Leiter des Präsidialamtes in Kiew: "Der russische Terror bei Odessa beweist ein weiteres Mal: Sie brauchen Hunger und Probleme in den Ländern des Globalen Südens. Sie möchten eine Flüchtlingskrise für den Westen schaffen." In Odessa und der Region liegen drei Häfen, die Teil der Vereinbarung zum Export von ukrainischem Getreide über das Schwarze Meer waren. Diese Vereinbarung war am Montag ausgelaufen, Russland hatte eine Verlängerung verweigert.
Baerbock: Jede von Putins Bomben "trifft auch die Ärmsten der Welt"
Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) schrieb auf Twitter, Putin habe nicht nur dieses Abkommen gesprengt. "Jetzt überzieht er die zweite Nacht in Folge die Hafenstadt Odessa mit Bombenhagel. Damit raubt er der Welt jede Hoffnung auf ukrainisches Getreide. Jede seiner Bomben trifft auch die Ärmsten der Welt." Man unterstütze die Ukraine dabei, alternative Transportwege zu finden.
- Zum Artikel: Was das Ende des Getreideabkommens für Bayern bedeutet
Mit Informationen von dpa, AFP
Karte: Die militärische Lage in der Ukraine
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