Kanzler Olaf Scholz (SPD) hat finanziellen Anschub für mehr Zuverlässigkeit bei der bundeseigenen Deutschen Bahn zugesagt. "Den Investitionsstau bei der kaputtgesparten Bahn gehen wir an", sagte Scholz am Mittwoch in der Generaldebatte zum Haushalt 2024 im Bundestag. "24 Milliarden Euro an zusätzlichem Investitionsspielraum erhält die Bahn in den kommenden vier Jahren." Das sei das größte Investitionsprogramm in so kurzer Zeit "seit der Dampflok".
Scholz betonte, die Leute wollten, dass Deutschland ordentlich funktioniere, und auch dass die Bahn pünktlich fahre. "Wer heute mit der Bahn oder mit dem Auto von Hamburg nach München fährt, der erlebt bei jeder Weichenstörung oder jeder Brückenbaustelle, wie sehr unsere Infrastruktur auf Verschleiß gefahren wurde."
Scholz: Bisher zu wenig Investition "in die Zukunft"
"Statt in die Zukunft zu investieren, haben wir über die Pkw-Maut diskutiert", sagte Scholz mit Blick auf die gescheiterte Einführung einer Nutzungsgebühr. "Was stauanfällige Straßen und marode Brücken angeht, sorgen wir per Gesetz dafür, dass schneller geplant und gebaut werden kann. Das muss jetzt auch passieren."
Die für Sanierung zur Verfügung gestellten 24 Milliarden speisen sich aus den bereits vor mehreren Wochen angekündigten 11,5 Milliarden aus dem Haushalt und 12,5 Milliarden aus einem Klimaschutzfonds. Aber genügt das, um das Schienennetz der Deutschen Bahn zu sanieren?
Bundesregierung: 88 Milliarden Euro bis 2027 benötigt
Bereits Mitte des Jahres hatte die Regierung angegeben, dass aus ihrer Sicht eine Gesamtinvestition von rund 88 Milliarden Euro bis 2027 nötig wäre, um das Schienennetz in Deutschland wieder fit und die Bahn damit attraktiver und zuverlässiger zu machen. Auch die Deutsche Bahn geht von einem Bedarf in dieser Höhe aus. Für knapp die Hälfte dieser Summe, 43 Milliarden Euro, steht die Finanzierung im Bundeshaushalt bereits.
Der von der Bahn bezifferte Restbedarf von 45 Milliarden Euro war vor einigen Monaten auch in einem Beschlusspapier der Koalitionsspitzen aufgegriffen worden – verbindlich zugesagt wurde er jedoch bislang nicht.
Probleme wurden "20 Jahre lang schleifen gelassen"
Professor Christian Böttger von der Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) in Berlin beobachtet seit 20 Jahren in seinen Forschungen die Entwicklung und Probleme bei der Deutschen Bahn. Er sieht die 24 Milliarden Euro der Bundesregierung als wichtigen Schritt – aber nicht ausreichend: "Es geht in die richtige Richtung. Diese Regierung macht mehr als die letzten Regierungen, aber weil man das hat 20 Jahre schleifen hat lassen, hat man jetzt eben auch mehr Probleme", erklärt er im BR24-Interview.
Schneller bauen per Gesetz: "So einfach geht das nicht!"
Ein großes Problem ist zudem die Umsetzbarkeit: Die Gelder seien nun zwar zugesagt, deswegen könne aber noch nicht umgebaut werden, erklärt Christian Böttger im BR24-Interview. Olaf Scholz’ Aussage, dass man nun per Gesetz dafür sorgen müsse, dass schneller gebaut werden kann, kritisiert Böttger: "So einfach geht es nicht. Das Ganze ist sehr aufwändig und sehr komplex", sagt er. Der Gesetzentwurf zur Planungsvereinfachung liege zwar vor, jedoch rege sich politisch viel Widerstand. So sähen sich beispielsweise Naturschutzverbände in dem neuen Gesetz in ihrer Mitsprache eingeschränkt, und versuchten ein solches Gesetz zu verhindern.
Deutsche Bahn: "Wichtige Schritte" zu den dringend benötigten Geldern
Auf BR24 Anfrage begrüßte die Deutsche Bahn die geplanten Investitionen: "Die Erhöhung der Haushaltsmittel in Höhe von 11,5 Milliarden Euro sowie die Bereitstellung der Mittel aus dem Klima- und Transformationsfonds in Höhe von 12,5 Milliarden Euro sind wichtige Schritte auf dem Weg zu den dringend benötigten 45 Milliarden Euro."
Aus den Geldern müssten das "überalterte und störungsanfällige Bestandsnetz und die Bahnhöfe" saniert werden, außerdem solle die Digitalisierung sowie die Elektrifizierung des Schienennetzes vorangetrieben werden.
Bahn-Chef Lutz 2020: Rückenwind hat "Sturmstärke"
2020 äußerte der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Bahn Richard Lutz – in Bezugnahme auf die Unterstützung der Bundesregierung – den viel zitierten und klangvollen Ausspruch, der Rückenwind habe inzwischen "Sturmstärke".
Doch immer wieder kommt unter Experten die Frage auf, ob der Konzern diesem Sturm gewachsen ist und ob die geplanten Umbauten tatsächlich umgesetzt werden können – ohne neue Probleme bei der Pünktlichkeit.
Mit Informationen von dpa.
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