Wie steht es denn nun um die deutsche Autoindustrie? Je nachdem, wem man auf der IAA Mobility in München zuhört in diesen Tagen, steht sie entweder kurz vor dem Überlastungskollaps oder sie befindet sich nur im Wandel, weg vom Verbrenner des 20. Jahrhunderts, hin zur vernetzten Mobilität der Zukunft.
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Müller: "Standortbedingungen werden immer schwieriger"
Bei ihrer offiziellen Eröffnungsrede am Dienstag zeichnete Hildegard Müller, die Präsidentin des Verbands der Deutschen Automobilindustrie, eher das erste Bild: "Standortbedingungen werden hierzulande immer schwieriger", sagte Müller in ihrer Rede auf dem Messegelände in München-Riem. Und das seien keine Cassandra-Rufe, sondern die "traurige und gefährliche wirtschaftspolitische Realität", so Müller weiter.
Sie beklagte vor allem, dass Steuern und Abgaben für die Autobauer und ihre Zulieferer in Deutschland zu hoch seien. Noch dazu würden die Unternehmen sehr unter den vergleichsweise hohen Strompreisen leiden. Mehrfach sprach sie den Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) direkt an: "Entfesselung wäre das Gebot der Stunde. Stattdessen wird immer neue Belastung draufgesattelt", so Müller. Die Gefahr sei da, dass immer mehr Unternehmen ins Ausland abwandern, Deindustrialisierung wäre die Folge.
Scholz zur Mobilitätswende: "Ich bin Teil des Teams"
Bundeskanzler Olaf Scholz sprach direkt im Anschluss an die VDA-Präsidentin und zeichnete ein ganz anderes Bild. Während Müller die Probleme der Automobilindustrie hervorhob, stimmte Scholz eine Art Lobeshymne auf die Branche an. Mit ihrer mehr als 130-jährigen Geschichte habe sie eine immense Bedeutung für den deutschen Wirtschaftsstandort. Immerhin seien ihretwegen mehr als 750.000 hier beschäftigt, wie Scholz hervorhob.
Der Bundeskanzler nutzte die Chance, um der Autoindustrie für ihren Einsatz zu danken, hin zur nachhaltigeren Mobilität: "Wir sehen, dass neue Unternehmen neben die etablierten treten. Faire Konkurrenz belebt das Geschäft, Konkurrenz sollte uns anspornen, nicht schrecken." Die Mobilitätswende, weg vom Verbrenner, hin zu Elektroautos und anderen alternativen Antrieben, sei eine "große Teamaufgabe", so der Kanzler. Und er sei "Teil dieses Teams."
Deutschland investiere aktuell so viel Geld wie nie zuvor in den Ausbau erneuerbarer Energien, man stärke die internationalen Beziehungen, um sicherzustellen, dass genügend Rohstoffe zur Verfügung stehen. Außerdem arbeite man gemeinsam mit der Europäischen Union in Brüssel daran, die bürokratischen Belastungen zu verringern und die notwendigen Infrastrukturen auszubauen. So würden Windräder gebaut, Ladestationen für E-Autos installiert und subventioniert und auch Straßen- und Schienennetze modernisiert. Zum Industriestrompreis, also zur Idee eines staatlich subventionierten Strompreises für Großverbraucher, fiel jedoch kein Wort von Scholz.
Zwischenfall mit Protestlern bei Rundgang
Wen er allerdings erwähnte, das waren die Protestierenden, die die IAA Mobility schon seit der Eröffnung begleiten: "Ich glaube, dass es schlauer ist, die Probleme der Zukunft mit Hirn statt mit Kleber zu lösen." Zumindest in diesem Punkt sind sich Politik und Industrie einig.
Diese ‚Klima-Kleber‘, wie Scholz sie nannte, sehen das naturgemäß anders. Beim anschließenden Messerundgang des Bundeskanzlers kam es zu einem kleinen Zwischenfall. Aktivisten der Umweltorganisation Greenpeace stiegen an einem Stand auf Fahrzeuge und Möbel. Auf ihren Bannern stand "The Party is over".
- Zum Artikel: "Deindustrialisierung Deutschlands: Wie schlimm ist es?"
Im Video: BR24live von der IAA Mobility
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