"Meine Reise nach Israel ist ein Besuch bei Freunden", teilte Olaf Scholz (SPD) nach seiner Ankunft auf der Plattform X mit. Zehn Tage nach dem Terrorangriff der Hamas machte sich der Kanzler auf den Weg, um die deutsche Solidarität mit dem attackierten Land zu unterstreichen. Deutschland stehe fest an der Seite Israels.
Scholz: Eingreifen von außen wäre "unverzeihlicher Fehler"
Ausländische Akteure warnte Scholz vor einem Eingreifen in den aktuellen Konflikt. "Kein Akteur sollte es für eine gute Idee halten, von außen in diesen Konflikt einzugreifen", sagte er in Tel Aviv nach einem Treffen mit dem israelischen Regierungschef Benjamin Netanjahu. "Es wäre ein schwerer, ein unverzeihlicher Fehler und in den vergangenen Tagen haben wir diese Botschaft über verschiedene Kanäle an jene vermittelt, an die sie gerichtet ist." Die Bundesregierung setze sich mit aller Kraft dafür ein, dass dieser Konflikt nicht eskaliert. "Es gilt, einen Flächenbrand in der Region zu verhindern." Scholz betont erneut, dass Israel das völkerrechtliche verbriefte Recht habe, auf den Hamas-Überfall zu reagieren.
Antisemitismus habe "in Deutschland keinen Platz", sagte Scholz zudem. "Jüdisches Leben in Deutschland ist ein Geschenk." Mit Blick auf Israel-feindliche Demonstrationen in Deutschland fügte er hinzu: "Das Verherrlichen, das Feiern von Gewalt ist menschenverachtend, abscheulich."
Scholz sicherte Israel die uneingeschränkte Solidarität des deutschen Volkes zu: "Die Sicherheit Israels und seiner Bürgerinnen und Bürger ist deutsche Staatsräson", betonte er. "Unsere aus dem Holocaust erwachsene Verantwortung macht es uns zu unserer Aufgabe, für die Existenz und die Sicherheit des Staates Israel einzustehen."
Netanjahu zieht Vergleich zu Massaker von Babyn Jar
Ministerpräsident Netanjahu bezeichnete den Hamas-Terroranschlag in Israel als "schlimmstes Verbrechen gegen Juden seit dem Holocaust". Menschen seien enthauptet worden, Kinder mit hinter dem Rücken verbundenen Händen oder vor den Augen ihrer Eltern erschossen worden. Auch Holocaust-Überlebende seien von Hamas-Terroristen in den Gazastreifen verschleppt worden.
Netanjahu verglich das Vorgehen der Hamas-Angreifer mit dem Massaker von Babyn Jar. In der engen Schlucht von Babyn Jar am früheren Stadtrand von Kiew erschossen die Nationalsozialisten am 29./30. September 1941 mehr als 33.000 jüdische Männer, Frauen und Kinder. "Dies ist eine Grausamkeit, die wir nur von den Nazi-Verbrechen während des Holocaust erinnern", sagte Netanjahu. "Die Hamas sind die neuen Nazis." Er verglich die Organisation auch mit dem Terrornetzwerk Islamischer Staat (IS). Fragen der Journalisten wurden nicht zugelassen.
"Only Scholz can save Shani"
Bei seiner Reise geht es Scholz nicht zuletzt um die Freilassung der rund 200 in den Gaza-Streifen verschleppten Geiseln der Hamas - darunter sind mehrere Deutsche, zu denen die Bundesregierung keinen Kontakt hat. Mit Angehörigen von ihnen traf sich Scholz in Tel Aviv. Vor der Botschaft standen Freunde der verschleppten Shani Louk mit einem Plakat: "Only Scholz can save Shani" - "Nur Scholz kann Shani retten".
Scholz muss mehrfach in Schutzraum
Während der Pressekonferenz mit Scholz wurde der Großraum Tel Aviv zweimal mit Raketen beschossen. Im Stadtzentrum selbst waren keine Warnsirenen zu hören, aber zwei laute Explosionen. Wegen eines Raketenalarms musste Scholz in einen Schutzraum der deutschen Botschaft. Er habe sich dort wenige Minuten aufhalten müssen, hieß es aus seinem Umfeld. Im Zentrum der Stadt waren mehrere dumpfe Explosionen des Raketenabwehrsystems Iron Dome zu hören. Auch während des Besuchs von Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) sowie EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen vor ein paar Tagen heulten die Sirenen.
Am Abend reiste Scholz nach Ägypten weiter, das als einziges Nachbarland Israels direkt an den Gazastreifen grenzt. Dort will er mit Ägyptens Präsident Abdel Fattah al-Sisi zusammenkommen.
Vor dem Abflug von Tel Aviv nach Kairo dann nochmals Raketenalarm am Flughafen. Die Kanzler-Delegation musste schlagartig das Flugzeug verlassen. Scholz wurde mit einem Auto in ein Gebäude gefahren und dann nach Medienberichten in einen Schutzraum gebracht. Die anderen Passagiere wurden aufgefordert, sich auf dem Flugfeld auf den Boden zu legen. Es wurden zwei Flugabwehrraketen abgefeuert, die auf dem Flugfeld deutlich zu hören waren. Nach wenigen Minuten konnten die Passagiere wieder in das Flugzeug steigen.
Scholz will Flächenbrand verhindern
Neben der Unterstützung Israels im Kampf gegen die Hamas geht es Scholz vor allem darum, der Gefahr eines Flächenbrands in der Region entgegenzuwirken. Die libanesische Hisbollah und den Iran warnte er immer wieder eindringlich davor, in den Konflikt einzugreifen.
Auch für humanitäre Hilfe für die Menschen im Gazastreifen, die von Israel vor einer möglichen Bodenoffensive zu Hunderttausenden zur Flucht aufgefordert wurden, soll gesorgt werden. Scholz betonte am Dienstag vor dem Treffen in Israel, dass Deutschland weiter solche Hilfe für die notleidenden Menschen in Gaza leisten werde. Und: "Wir setzen uns dafür ein, dass es einen humanitären Zugang zum Gazastreifen gibt." Das soll auch ein Schwerpunkt sein, wenn US-Präsident Joe Biden am Mittwoch nach Israel kommt.
Angriff der Hamas am 7. Oktober
Die radikalislamische Hamas hatte am 7. Oktober vom Gazastreifen aus einen Großangriff auf Israel gestartet. Sie feuerte tausende Raketen ab und drang mit hunderten Kämpfern nach Israel ein, die dort ein Blutbad unter Zivilisten anrichteten und Geiseln in den Gazastreifen verschleppten. Die israelische Armee nahm daraufhin den Gazastreifen unter Beschuss und bereitet derzeit offenbar eine Bodenoffensive in dem dicht besiedelten Palästinensergebiet vor.
Mit Informationen von dpa, AFP und Reuters
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