Von Montagabend bis Dienstagfrüh hielt Brüssel den Atem an: Ein bewaffneter Angreifer war noch nicht gefasst und hatte zuvor zwei Menschen erschossen. Erst am Morgen kam die Nachricht, dass der Angreifer tot sein soll.
Todesschüsse in Brüssel: Was war passiert?
Der Angreifer hatte am Montagabend in Brüssel vor einem EM-Qualifikationsspiel zwischen Belgien und Schweden zwei schwedische Fans getötet und war anschließend geflohen. Der bewaffnete Mann war laut der belgischen Nachrichtenagentur Belga im Norden der Innenstadt von einem Roller abgestiegen und hatte auf der Straße Schüsse abgegeben. Er konnte anschließend fliehen. Am Dienstagmorgen wurde der mutmaßliche Täter dann von der Polizei niedergeschossen und starb. Innenministerin Annelies Verlinden schrieb auf der Plattform X, der Täter sei identifiziert worden und nicht mehr am Leben.
Seine beiden Opfer waren durch die Kugeln rund fünf Kilometer entfernt vom Brüsseler Fußballstadion, wo die Nationalmannschaften Belgiens und Schwedens in einem EM-Qualifikationsspiel gegeneinander spielten, gestorben. Die Nachricht vom Tod der beiden Fußballfans verbreitete sich in der Halbzeitpause. Das Match wurde abgebrochen. Mehrere tausend Menschen mussten aus Sicherheitsgründen zunächst im Brüsseler Fußballstadion ausharren, bis sie evakuiert werden konnten.
Wer sind die Opfer?
Auf einer Pressekonferenz in Stockholm sagte der schwedische Ministerpräsident Ulf Kristersson, alles deute darauf hin, dass es sich um einen gezielten terroristischen Anschlag gegen schwedische Bürger gehandelt habe. Die getöteten Schweden waren zwei Männer im Alter von ungefähr 60 und ungefähr 70 Jahren. Das bestätigte das schwedische Außenministerium dem Fernsehsender TV4. Der Ältere habe demnach im Großraum Stockholm gelebt, der Jüngere außerhalb Schwedens. Wie das Schweizerische Eidgenössische Departement für auswärtige Angelegenheiten mitteilte, hatte eines der Todesopfer seinen Wohnsitz in der Schweiz.
Bei dem Anschlag in Brüssel wurde auch eine dritte Person verletzt. Dabei handelt es sich dem Sender TV4 zufolge ebenfalls um einen schwedischen Mann im Alter von etwa 70 Jahren. Dieser war den Angaben zufolge außer Lebensgefahr.
Was ist über den Täter bekannt?
Polizisten spürten den mutmaßlichen Täter, einen 45-jährigen Tunesier, nach einem Hinweis am Dienstagmorgen in einem Café im Stadtteil Schaerbeek in Brüssel auf. Die Staatsanwaltschaft teilte mit, beim Versuch, den Verdächtigen festzunehmen, sei er von der Polizei angeschossen worden. Sanitäter hätten noch versucht, ihn zu retten, er sei jedoch später im Krankenhaus gestorben. Eine Waffe und eine Tasche mit Kleidungsstücken seien sichergestellt worden, hieß es in der Mitteilung.
Der mutmaßliche Täter hatte nach Angaben belgischer Behörden im November 2019 Asyl beantragt und im Oktober 2020 einen negativen Bescheid bekommen. Der belgische Justizminister Vincent Van Quickenborne erklärte, der Mann sei polizeibekannt, mutmaßlich in Menschenschmuggel verwickelt gewesen und sei verdächtigt worden, eine potenzielle Gefahr für die Staatssicherheit zu sein. Eine ausländische Regierung soll den belgischen Behörden vor Jahren Informationen zugespielt haben, wonach der Mann sich radikalisiert und die Absicht gehegt habe, zum Dschihad ins Ausland zu gehen. Da die belgischen Stellen dies jedoch nicht bestätigen konnten, wurde er nicht als Gefährder eingestuft.
Da der Mann nach Ablehnung seines Asylantrags abgetaucht sei, hätten ihn die Behörden nicht aufspüren und seine Abschiebung in die Wege leiten können, sagte die zuständige Staatssekretärin Nicole de Moor. Die Polizei überprüft jetzt, mit wem der Mann zuletzt Kontakt hatte und sucht nach möglichen Komplizen.
Die schwedische Migrationsbehörde gab am Abend bekannt, dass der Attentäter vor Jahren in Schweden im Gefängnis war. "Er verbüßte zwischen 2012 und 2014 eine Haftstrafe", sagte ein Behördensprecher. Warum der Tunesier zu einer Gefängnisstrafe verurteilt worden war, wurde nicht bekannt.
Welches Motiv hatte der Täter?
Die genauen Motive für die Tat liegen noch im Dunkeln, auch wenn Regierung und Staatsanwaltschaft sehr klar von Terror sprechen. In sozialen Netzwerken wurde nach Angaben der Bundesanwaltschaft ein Beitrag einer Person geteilt, die sich als der Angreifer ausgegeben habe und behauptete, von der Terrororganisation Islamischer Staat (IS) inspiriert zu sein.
Ein Zusammenhang mit dem Krieg zwischen Israel und der islamistischen Hamas wurde am Tag zuvor noch ausgeschlossen, am Dienstag sagte ein Sprecher der Staatsanwaltschaft dem Sender VRT: "Aber wir haben inzwischen festgestellt, dass er in seinen sozialen Medien eine Reihe von Unterstützungsbekundungen für das palästinensische Volk geteilt hat." Das könnte also doch eine Rolle gespielt haben.
Auch die schwedische Staatsangehörigkeit der Opfer könnte nach Angaben der Bundesstaatsanwaltschaft eine Motivation für die Tat gewesen sein. In diesem Jahr hatten Menschen in Schweden und später auch in Dänemark mehrmals Koran-Exemplare verbrannt und damit wütende Reaktionen unter Muslimen ausgelöst.
Wie ist die Lage in Belgien am Tag nach der Tat?
Am Dienstag galt in Brüssel immer noch die höchste Terrorstufe. Schulen und Behörden blieben teilweise geschlossen, die Polizeipräsenz war deutlich erhöht. Auch für das restliche Land wurde die Bedrohungsstufe hochgesetzt - auf die zweithöchste. In den nächsten Tagen wird die Aufarbeitung beginnen.
Welche Reaktionen kommen aus Schweden?
Derweil sieht Schwedens Regierungschef Ulf Kristersson sein Land so bedroht wie nie zuvor. "Noch nie in der Neuzeit stand Schweden unter einer so großen Bedrohung wie jetzt." Vor zwei Monaten hatte der schwedische Geheimdienst Sapo die zweithöchste Terror-Warnstufe ausgerufen. Durch den Anschlag in Brüssel zeige sich mit "erschreckender Deutlichkeit", dass die Befürchtungen des Geheimdienstes und der Regierung begründet gewesen seien, sagte Kristersson. Die Regierung in Stockholm forderte zudem mehr Sicherheit in Europa. Die aktuelle Situation erfordere mehr Grenzkontrollen und eine Verbesserung der inneren Sicherheit.
Mit Informationen von dpa, AFP, AP und Reuters
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