Ein Mädchen versteckt ihr Gesicht in einem Teddybär und sucht Trost. (Symbolbild)
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Schutz vor Missbrauch: Mehr Rechte für Kinder und Jugendliche?

Schutz vor Missbrauch: Mehr Rechte für Kinder und Jugendliche?

Münster oder Bergisch Gladbach: Viele haben die Skandale, bei denen Kinder misshandelt wurden und sexuelle Gewalt erlebten, noch lebhaft in Erinnerung. Unter dem Eindruck solcher Fälle entstand ein Gesetz, das Minderjährige besser schützen soll.

Über dieses Thema berichtet: BR24 im Radio am .

Damit Vernachlässigung, Misshandlung oder sexuelle Gewalt an Kindern und Jugendlichen entdeckt wird, muss sich das Jugendamt gut mit Ärzten, Gerichten und Polizei vernetzen. Das "Kinder- und Jugendstärkungsgesetz" soll bewirken, dass die Zusammenarbeit besser funktioniert.

Ärzte, Gerichte und Jugendämter sollen enger zusammenarbeiten

Laut dem Gesetz, das heute durch den Bundestag ging, wird es zum Beispiel Änderungen bei der Vernetzung der Behörden geben. Werden bei Strafverfahren "gewichtige Anhaltspunkte" dafür festgestellt, dass das Wohl eines Kindes gefährdet ist, haben Polizei oder Gerichte die Jugendhilfe zu verständigen. Oder: Wenn ein Kinderarzt auf verdächtige blaue Flecken aufmerksam wird und das mitteilt, soll er künftig eine Rückmeldung vom Jugendamt bekommen, was aus dem Hinweis geworden ist. In Bayern gibt es bereits eine Meldepflicht für Ärzte, in vielen anderen Bundesländern noch nicht. Die SPD-Bundestagsabgeordnete Ulrike Bahr spricht davon, dass mit dem Gesetz nun eine "bedingte Meldepflicht" für Ärzte und andere Heilberufe kommen soll – wenn es starke Hinweise auf eine Gefährdung eines Kindes gibt. Unter Fachleuten ist allerdings umstritten, ob das nun wirklich eine Pflicht ist oder eher eine erweiterte Befugnis und was für Auswirkungen das hat.

"Ärztehopping" verhindern

Neu ist auch, dass bundesweit prinzipiell die Möglichkeit geschaffen wird, dass sich Ärzte untereinander konkret über verdächtige Fälle austauschen. Das soll "Ärztehopping" vermeiden, bei denen Familien regelmäßig die Praxis wechseln, damit niemand die Platzwunden in Verbindung mit Misshandlung bringt. Bisher gibt es für einen solchen Austausch begrenzte Modellprojekte: Schon 2005 gründete der Kinder- und Jugendarzt Ralf Kownatzki aus Duisburg eine elektronische Informationsplattform für Ärzte, auf die Jugendamt und Polizei keinen Zugriff haben. Das soll verhindern, dass es zu falschen Verdächtigungen kommt – aber rasches Handeln ermöglichen, wenn sich ein Verdacht erhärtet. Ob und wie sie so einen Austausch umsetzen, liegt bei den Bundesländern. Dafür müssen auch datenschutzkonforme Regeln entwickelt werden. Allerdings: "Ärztehopping ist nicht das vorrangige Problem im Kinderschutz", schreibt der bayerische Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte. Das Vertrauensverhältnis zum Arzt sei auch bei Risikofamilien in der Regel gut – es müsse etwa bei überforderten Eltern darum gehen, Probleme frühzeitig zu erfassen und Hilfe anzubieten. In Bayern können Ärzte über die Plattform REMED auch anonym Fälle vorstellen, bei denen sie sich nicht sicher sind, ob Misshandlung vorliegt.

Pflegekinder müssen künftig weniger an den Staat abgeben

Durch das Gesetz soll sich auch die Situation von Pflegekindern verbessern. So sollen sie weniger an den Staat zahlen müssen. Momentan müssen sie bis zu 75 Prozent ihres Einkommens ans Jugendamt zahlen – als Kostenbeitrag für ihre Unterbringung. Was das bedeuten kann, hat Alexander Merz von "Pfad für Kinder", dem Landesverband der Pflege- und Adoptivfamilien in Bayern, selbst erlebt. Sein Pflegesohn war mitten in der Zimmererlehre, als er von seinen rund 900 Euro drei Viertel abgeben sollte. "Das war so demotivierend für den jungen Mann, dass er die Lehre glatt ein halbes Jahr vor Ende abgebrochen hat." Für viele Pflegekinder lohne sich so eine Ausbildung oder ein Nebenjob nicht, viele könnten nur schwer auf den Führerschein oder die erste eigene Wohnung sparen.

Nach dem neuen Gesetz sollen Jugendliche in Pflegefamilien und Heimen nur noch maximal ein Viertel abgeben müssen. Alexander Merz sieht das positiv. "Aber wir hatten uns eigentlich gewünscht, dass das ganz wegfällt." Aus der Koalition wird argumentiert: Der Beitrag sei fair – denn Einkommen aus Ferienjobs werde nicht angetastet, bei Schülerjobs, Praktika und Ausbildungsvergütungen gebe es geringe Freibeträge. Die FDP-Bundestagsfraktion schätzt, dass sich das nicht einmal wirtschaftlich lohnen würde – weil die Verwaltungskosten das eingenommene Geld übersteigen. Sie scheiterte mit einem Antrag, die Kostenheranziehung ganz abzuschaffen.

Inklusion soll besser verankert werden

Das Gesetz will auch besser auf die Belange von Kindern mit Behinderung eingehen. So sollen Kinder mit und ohne Handicap grundsätzlich gemeinsam in der Kita betreut werden. Für Heinz Kindler vom Deutschen Jugendinstitut ist das ein überfälliger Schritt in Richtung Inklusion. Allerdings sei dafür viel Vorarbeit nötig. "Das geht bei den baulichen Gegebenheiten los, aber vor allem ist es eine pädagogische Aufgabe." Erzieherinnen und Erzieher müssten auf Kinder mit Behinderung eingehen, ohne dass andere Kinder zu kurz kommen. Dafür brauche es auch mehr Personal.

Das Gesetz macht den Weg dafür frei, im Lauf mehrerer Jahre die Kinder- und Jugendhilfe und die Eingliederungshilfe zusammenzufassen – bisher sind das zwei getrennte Systeme. Verschiedene Ämter, verschiedene Formulare: Wenn Eltern von behinderten Kindern Leistungen beantragen und Unterstützung brauchen, stehen sie oft einem Bürokratiedschungel gegenüber. Ein Verfahrenslotse soll Familien künftig helfen.

Kritik gibt es daran, dass keine zusätzlichen Gelder für den Umbau des Systems eingeplant sind. "Es soll sich etwas verändern, es soll aber nichts kosten", sagte etwa Ekin Deligöz von den Grünen in der Bundestagsdebatte. Viele betroffene Eltern begrüßen die Regelungen zwar prinzipiell, bezweifeln aber, dass es eine echte Erleichterung sein wird – es ist nur ein Bruchteil des Behördenwirrwarrs, der jetzt vereinfacht wird, sagen Kritiker. Außerdem finden manche, dass gemeinsame Betreuung in der Kita nicht weit genug geht und es auch in der Schule mehr Inklusion bräuchte.

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