Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat vor dem UN-Sicherheitsrat gefordert, Russland für die Gräueltaten im Kiewer Vorort Butscha zur Rechenschaft zu ziehen. Die Vereinten Nationen müssten angesichts der russischen "Kriegsverbrechen" sofort handeln, sagte Selenskyj in einer per Video übertragenen Rede vor dem wichtigsten UN-Gremium. "Rechenschaft muss unvermeidbar sein."
In Butscha waren nach dem Rückzug der russischen Armee aus der ukrainischen Hauptstadtregion hunderte Leichen von Zivilisten gefunden worden. Selenskyj betonte: "Die Welt hat jetzt gesehen, was Russland in Butscha getan hat, aber die Welt hat noch nicht gesehen, was sie in anderen besetzten Städten und Regionen unseres Landes getan haben." Butcha sei leider nur eines von vielen Beispielen dafür, was die Besatzer getan hätten.
Selenskyj will Rauswurf Moskaus aus Sicherheitsrat
Selenskyj brachte unter anderem einen möglichen Rauswurf Russlands aus dem UN-Sicherheitsrat ins Spiel. Eine Option sei es, "Russland als Aggressor und Kriegsauslöser zu entfernen, damit es nicht länger Entscheidungen über seine eigene Aggression blockieren kann". Der ukrainische Präsident spielte damit auf das Vetorecht Russlands im UN-Sicherheitsrat an. Ohne Reformen könnten die Vereinten Nationen "dichtgemacht" werden, sagte der ukrainische Präsident.
Selenskyj schilderte mit drastischen Worten die Gräueltaten in Butscha. Menschen seien "in ihren Wohnungen, in ihren Häusern getötet" worden. "Zivilisten wurden einfach aus Spaß mit Panzern zerquetscht, als sie mitten auf der Straße in ihren Autos saßen." Zu seiner Ansprache zeigte der Präsident ein Video, in dem blutige Leichen zu sehen waren. Selenskyj endete mit den Worten: "Stoppt die russische Aggression."
Videos und Satellitenbilder widerlegen Moskaus Lügen-Vorwurf
Russlands UN-Botschafter Wassili Nebensja sprach bei der Sitzung des Sicherheitsrats erneut von "unbegründeten Anschuldigungen" gegen das russische Militär, die "von keinerlei Augenzeugen" bestätigt worden seien. Es handele sich um eine "große Menge Lügen". Die Leichen auf den Fotos aus Butscha seien direkt nach dem Rückzug des russischen Militärs noch nicht dort gewesen, dafür gäbe es Videobeweise.
Videos und Satellitenbilder aus Butscha widerlegen allerdings die Moskauer Behauptungen. Mehr dazu hier im #Faktenfuchs.
China lehnte eine Verurteilung Russlands wegen Gräueltaten in Butscha zunächst ab. Zwar seien die Berichte und Bilder aus Butscha sehr verstörend, sagte der chinesische UN-Botschafter Zhang Jun. Die genauen Umstände müssten aber aufgeklärt werden und alle Vorwürfe müssten sich auf Fakten gründen.
Viele Hinweise auf "gezielte" Tötungen von Zivilisten
Das UN-Hochkommissariat für Menschenrechte (OHCHR) sieht zunehmend Hinweise darauf, dass Zivilisten in Butscha "gezielt" getötet wurden. "Alles deutet darauf hin, dass die Opfer absichtlich ins Visier genommen und direkt getötet wurden. Und diese Beweise sind sehr beunruhigend", sagte OHCHR-Sprecherin Elizabeth Throssell in Genf. Das humanitäre Völkerrecht verbiete aber bei bewaffneten Auseinandersetzungen absichtliche Angriffe auf Zivilisten, diese kämen somit einem Kriegsverbrechen gleich.
Es lasse sich kaum ein militärischer Zusammenhang vorstellen, "wenn ein Mensch mit einer Kugel im Kopf auf der Straße liegt" oder Leichen mit verbrannten Körpern gefunden würden, sagte Throssel mit Blick auf Fotos von toten Zivilisten mit gefesselten Händen und von teilweise nackten Frauen, deren Körper verbrannt worden waren. Sie wies darauf hin, dass das Hochkommissariat selbst derzeit keine Mitarbeiter vor Ort in Butscha habe.
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