Energiewende von unten – das klingt nach einem vielversprechenden Konzept. Die Voraussetzungen dafür scheinen gut: Der private Solar-Ausbau in Europa boomt, dank Einspeisevergütung und Förderprogrammen. Und trotzdem ist auf vielen Dächern noch viel Platz, der ungenutzt bleibt. Der Grund: gesetzliche und technische Hürden – aber auch wirtschaftliche Interessen. Jetzt haben Bürger beschlossen, die Sache selbst in die Hand zu nehmen.
Gemeinsam, günstig und schnell zur Photovoltaikanlage
Eine Photovoltaikanlage ist durchaus eine kostspielige Investition – auch wenn sie sich beizeiten amortisiert, kann sich die Anschaffung und Montage längst nicht jeder leisten. In der Schweiz haben Ingenieure einen Weg gefunden, die dort übliche Deckelung der Förderung zu umgehen und gleichzeitig Baukosten zu minimieren. Sie haben sogenannte "Selbstbaugenossenschaften" gegründet.
Der Ansatz ist simpel: Ein Profi übernimmt die Planung, holt die Genehmigungen ein und besorgt den Einkauf des Materials. Die Genossenschaftsmitglieder helfen sich gegenseitig, die Photovoltaikanlage auf ihre Häuser zu montieren. Das ist nicht nur rund ein Drittel günstiger, es geht auch schneller: kein langes Warten auf freie Termine beim Handwerksbetrieb. Im Land der Eidgenossen haben Bündnisse zur Selbsthilfe eine lange Tradition. Aber könnten sie auch ein Vorbild für Deutschland sein?
Neuer Trend Balkonkraftwerke: Geringe Kosten – großer Nutzen
Genossenschaften gibt es auch bei uns. Angestoßen durch das Erneuerbare-Energien-Gesetz, erleben insbesondere Energiegenossenschaften seit Anfang der 2000er Jahre einen Aufschwung. Dabei geht es aber weniger um das sich gegenseitige Helfen bei der Anlagen-Montage als um die wirtschaftliche Beteiligung der Bürger vor Ort an der lokalen Energieerzeugung.
Auch im oberbayerischen Herrsching haben einige Bürger den Schritt gewagt: Sie möchten mit der "Energie-Genossenschaft Fünfseenland" die dezentrale Energiewende vorantreiben. Dafür bieten sie Dienstleistungen rund um den Solar-Ausbau an – von der Planung und Finanzierung einer PV-Anlage bis hin zu ihrem Betrieb. Im Unterschied zu den Selbstbaugenossenschaften in der Schweiz legen die Mitglieder in der Regel nicht selbst Hand an.
Trotzdem erleichtern die Angebote der Genossenschaften in vielerlei Hinsicht die Anschaffung. Und gerade Einsteigermodelle lägen im Trend: "Als Bürgerenergiegenossenschaft ist es ein Teil unseres Selbstverständnisses, dass wir versuchen, gerade auch mit Minikraftwerken oder 'Balkonkraftwerken', wie sie genannt werden, die Energiewende in fast jede Wohnung zu bringen", erklärt Barbara von der Ropp, die Mitglied im Vorstand der Genossenschaft ist in der BR-Sendung "DokThema".
Die Investition sei bei Balkonkraftwerken klein, der Nutzen aber groß. Ein Balkonkraftwerk mit einer Leistung von 400 Watt kann bereits bis zu zwei Drittel des Tagesbedarfs eines Einpersonenhaushalts abdecken.
Viel Bürokratie, eingeschränkte Nutzungsmöglichkeiten
Gerade ein Balkonkraftwerk ist attraktiv, da technisch unkompliziert: Die Montage durch einen Elektriker ist in der Regel nicht nötig, mit etwas handwerklichem Geschick kann es jeder selbst installieren. Einzelne Gemeinden bezuschussen mittlerweile sogar den Kauf und die Installation.
Doch anders als in der Schweiz ist neben einem Schreiben an den Netzbetreiber derzeit noch eine Anmeldung im Marktstammdatenregister erforderlich. Hier kommt die regionale Energiegenossenschaft ins Spiel. Sie übernimmt die Formalitäten sowie die Installation – falls die Montage doch zu kompliziert ist. Denn tatsächlich ist es schwierig dafür Handwerker zu finden, da sich der Einbau für sie kaum lohnt.
Balkonkraftwerke sind wie private Dachanlagen von der Mehrwertsteuer befreit. Die Module dürfen aber insgesamt nur über eine Leistung von maximal 600 Watt verfügen. Das soll sich bald ändern: Ab dem 1. Januar 2024 soll mit dem "Solarpaket I" die Obergrenze auf 800 Watt erhöht werden. Auch die Meldung beim Netzbetreiber ist dann nicht mehr Pflicht.
Probleme: Denkmalschutz – keine Einspeisung möglich
Eine weitere Hürde derzeit: In Deutschland dürfen Solaranlagen auf denkmalgeschützten Gebäuden nur so angebracht werden, dass sie nicht sichtbar sind – weder vom Boden noch aus der Luft. In der Schweiz genügt es, wenn sie von der Straße aus nicht zu sehen sind. Das erhöht die Effizienz.
Und dann gibt es noch ein weiteres Problem: Wenn die Anlage mehr Energie produziert, als verbraucht wird, kann der Überschuss häufig noch nicht ins Netz eingespeist werden, obwohl die Unternehmen eigentlich gesetzlich verpflichtet sind, den Solarstrom abzunehmen. Doch der Netzausbau hinkt immer noch hinterher. Ein Problem, das beide Länder – die Schweiz und Deutschland – gemeinsam haben.
Speicher auf vier Rädern? In Deutschland nicht erlaubt
Was also tun, damit der Strom nicht verpufft? Speichern ist die Lösung. Und solche Speicher haben immer mehr Menschen bereits in ihrer Garage – ohne es zu wissen! Denn im Grunde sind Elektroautos große Akkus auf vier Rädern. Es ist deshalb schon lange im Gespräch, sie auch als mobile Speicher für Photovoltaikanlagen zu nutzen.
Denn theoretisch können E-Autos den Strom eben nicht nur aufnehmen, sondern auch wieder abgeben – "bidirektionales Laden" nennt sich das. Und das funktioniert so: Der Strom fließt über die Photovoltaikanlage zur Wallbox und darüber ins Elektroauto – und bei Bedarf wieder zurück ins Haus. Noch darf sich das Fahrzeug aber nicht mit dem Netz eines Stromanbieters verbinden, das ist Zukunftsmusik.
Bidirektionales Laden noch kein Standard bei E-Autos
Hinzukommt: Die europäische Autoindustrie bietet noch nicht einmal die Option des bidirektionalen Ladens an. Wieso? Das fragt sich Stefan Schwarz von der Regionalwert AG Oberschwaben. Er möchte ein regionales Carsharing-Projekt mit Elektroautos aufbauen, die als mobile Speicher genutzt werden, und entwickelt nun selbst Lösungen dafür: Die Technik dazu kommt aus Asien, denn nach der Reaktorkatastrophe von Fukushima beschloss Japan, Elektroautos als Notstromversorgung zu nutzen.
Doch warum geht hierzulande nicht, was dort schon möglich ist? "Das ist das große Mysterium, was mich jetzt fast fünf Jahre beschäftigt hat. Es funktioniert technisch: Die Hardware funktioniert, die Software funktioniert", sagt Schwarz. "Warum der Markt das nicht umgesetzt hat, bis jetzt, das wundert mich selbst." Er will nicht länger warten und nutzt für sein Projekt nun E-Autos, die aus Japan kommen - wie zum Beispiel den Peugeot iOn, der von Mitsubishi gebaut wird.
Elektroautos – der Schlüssel zur Energiewende?
Auch Nikolaus Glocker würde gerne seine Elektrofahrzeuge als Batterien nutzen: Er erzeugt auf dem Scheunendach seines Bio-Obsthofs Solarstrom, den er für die Kühlung von eingelagertem Obst benötigt. Glocker hat schon vor Jahren seinen Hof auf Bio und erneuerbare Energien umgestellt – und er ist überzeugt davon. "Wir müssen uns vielleicht einmal an den Gedanken gewöhnen, dass die Elektrofahrzeuge mit ihren Batterien nicht das Problem der Energiewende, sondern die Lösung sein könnten", sagt er. Gerade in Zeiten mit hohem Stromverbrauch könnte der Strom aus den Autobatterien ins Netz zurückgeladen werden und damit die hohe Last abdecken, also das Netz stabilisieren.
Die Rechnung wirkt überzeugend: Nach den Plänen der Politik soll es bis 2030 in Deutschland 15 Millionen Elektroautos geben. Mit 750 Gigawattstunden böten sie die 20-fache Speicherkapazität aller deutschen Pumpspeicherkraftwerke. Deutschlands Speicherproblem wäre damit gelöst.
Doch warum geht es hier nur so langsam voran? Wolfgang Wegmann vom Bayerischen Solarverband sieht Versäumnisse. Seine Vermutung: Es geht ums Geld: "Wenn sich jetzt jeder seinen Strom selber macht, wo kommen wir denn da hin? Da geht es um Steuern, da geht es um andere Themen, die auch noch eine Rolle spielen – und um Einkünfte. Wir haben da viel versäumt in den letzten Jahren."
Sonnenenergie für alle – die Solarpioniere in der Schweiz und in Deutschland arbeiten daran.
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