Triftern nach dem Hochwasser 2016
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Triftern nach dem Hochwasser 2016

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Starkregen: Wie schützen sich Städte vor Überschwemmungen?

Starkregen werden wegen des Klimawandels immer häufiger und heftiger. Sturzfluten wie im Ahrtal richten dann immer größere Schäden an. Damit Wasser im Notfall überhaupt großflächig versickern kann, müssten Städte massiv umgestaltet werden.

Über dieses Thema berichtet: UNKRAUT am .

Die verheerende Flutkatastrophe im Ahrtal im vergangenen Juli hat 134 Menschen getötet und Schäden in Milliardenhöhe angerichtet. In Bayern erlebte die Stadt Landshut letztes Jahr eine historische Überschwemmung: 60 Liter Regen pro Quadratmeter in 25 Minuten kamen vom Himmel, die Wassermassen schossen mit großer Zerstörungskraft durch die Stadt.

"Damit müssen wir uns befassen"

Wie können sich Städte vor solchen Sturzfluten besser schützen? Ein Riesenthema sei das, sagt Juliane Thimet vom Bayerischen Gemeindetag, und vor allem ein neues, mit dem sich Städte und Gemeinden erst befassen müssten: "Diese Ereignisse kannten wir nicht, darauf kann man gar nicht vorbereitet sein, weil man ganz andere Bemessungsgrenzen hatte".

Das heißt, heute planen Ingenieure und Architekten vielerorts bei Neubauprojekten die Entwässerung ganz anders, leiten Dachflächenwasser nicht mehr in die Kanalisation ab, sondern in Zisternen oder eigens angelegte Mulden, wo das Wasser langsam versickern oder verdunsten kann. Das größere Problem liegt im Bestand, also in all den Innenstädten, die ohnehin schon dicht bebaut sind und freie Flächen kaum zu finden sind, auf denen Regenwasser langsam versickern darf.

Auf die Bürgermeister und die Grundeigentümer kommt es an

Und dann hängt alles davon ab, ob die Gemeinde, die Stadt die Problematik erkennt. Es gehe eben nicht mehr nur um städtebauliches Planen, sagt Thimet, die beim Gemeindetag für alle wasserwirtschaftlichen Fragen zuständig ist. "Das Riesenthema Niederschlagswasser muss verstanden und auch durchdacht sein. Natürlich gebe ich es gern zu: Das gibt es auch nicht zum Nulltarif, aber das muss es uns wert sein." Und im gleichen Atemzug nennt sie die Grundstückseigentümer, "die müssen mitspielen. Die müssen auch sehen, dass man nicht jeden Quadratmeter versiegeln können, sondern eben die Flächen braucht, um das Wasser auch mal versickern lassen zu können."

Die bekannte Gefahr: Flusshochwasser durch Dauerregen

Die Marktgemeinde Triftern im Landkreis Rottal-Inn hat schon schlimme Hochwasser erlebt. 2016, als in Simbach sieben Menschen starben, begruben die Wassermassen knapp 20 Kilometer nördlich auch das kleinere Triftern. 1,70 Meter hoch stand das Wasser in einigen Häusern. Seitdem arbeiten Bürgermeisterin Edith Lirsch und ihr Gemeinderat an einem besseren Hochwasserschutz.

Sechs Jahre nach der Katastrophe werden immer noch Varianten gegeneinander abgewogen. Eine beidseitige Mauer am Dorfbach oder ein Bypass außerhalb der Bebauung. Dafür müssten Anwohner aber ihre Grundstücke hergeben. Bürgermeisterin Edith Lirsch muss viel Überzeugungsarbeit leisten: "Das kostet wirklich Zeit und manchmal einfach auch Geduld." Mindestens vier Jahre wird es noch dauern, bis überhaupt die Bauarbeiten beginnen. 55 Millionen sind veranschlagt, aber damit sind nicht alle Probleme gelöst.

Die neue Gefahr: Sturzfluten nach Starkregen

Denn inzwischen werden überall in Bayern sogenannte Starkregenereignisse häufiger. Lokale Gewitterzellen sorgen für heftigen Regen innerhalb kürzester Zeit. Solche Starkregen führen zu Überschwemmungen, ohne dass ein Bach oder Fluss überhaupt in der Nähe ist. Sie sind kaum vorherzusagen, die Warnungen kommen manchmal nur mit einer halben Stunde Vorlauf. In Triftern hat so ein Starkregenereignis vergangenes Jahr den Schlamm von einem abschüssigen Acker in eine Siedlung gespült, auch ins Haus von Edmund Langer. Wenn es regnet, schläft er nicht mehr ruhig, kontrolliert sein Grundstück nachts mit der Taschenlampe. Die Gemeinde kann hier nur versuchen, aufzuklären und beratend zur Seite stehen.

Gefahr kommt auch vom Maisacker

Auf dem Acker wurde letztes Jahr Mais angebaut, was den Boden anfällig für Erosion macht. Cornelia Wimmer gehört der Grund oberhalb der Siedlung, sie will nun mithelfen, dass der Boden nicht mehr so leicht weggeschwemmt werden kann. Den Pachtvertrag hat sie geändert. Ein Streifen Grünland wurde angesät, es wird nicht mehr nur der erosionsanfällige Mais angebaut. Und bald sollen auch Hecken gepflanzt werden. Regenwasser kann so nicht mehr so schnell abfließen.

Grünland schützt vor Erosion

All das hat aber noch einen weiteren Nutzen: Die Qualität des Bodens und die Struktur bleiben erhalten, große Abschwemmungen schwächen die Flur nicht mehr, die fruchtbare Humusschicht bleibt erhalten. Bürgermeisterin Edith Lirsch, selbst Landwirtin, sieht bereits die positiven Effekte überall dort, wo die Bewirtschaftungsart geändert worden ist: "Wir haben ja vor zwei Wochen schon einen ziemlichen Regenfall gehabt, und da hat man es gemerkt, das Wasser bleibt halt in der Fläche", stellt Lirsch erleichtert fest.

Schwammlandschaften helfen gegen Auswirkungen des Klimawandels

Annette Menzel nennt so etwas "Schwammlandschaft": wenn Wasser möglichst leicht in den Boden eindringen kann und es viel Kapazität darin gibt, es zu speichern. Damit habe der Schwamm gleich mehrere Funktionen, erklärt die Professorin für Öko-Klimatologie: "Einerseits kann er vor Hochwasser schützen, auch vor Erosion und andererseits spart er natürlich das Wasser für den Klimawandel, wo wir auch mit Dürre zu rechnen haben." Damit gibt der Schwamm das Wasser ab und versorgt die Vegetation. Die Grundwasservorräte werden wieder aufgefüllt. Solche Schwammlandschaften könnten laut Menzel zum Beispiel Wälder, Dauergrünland, wechselnde Fruchtfolgen und natürlich Moore sein – wenn sie intakt und nicht mit Entwässerungsgräben durchzogen sind.

Boden entsiegeln und als Schwamm nützen

An der Technischen Universität in Weihenstephan befasst sich Menzel mit den Auswirkungen des Klimakrise, berät mit anderen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern die Staatsregierung, wie Bayern künftig mit Wasser versorgt werden kann. "Wir haben Schindluder getrieben mit unserer Landschaft", sagt Menzel und meint damit die großflächige Versiegelung der Flächen für Infrastruktur, aber auch Reinkulturen in der Landwirtschaft. "Das Konzept der Schwammlandschaft ist ein gutes Konzept. Aber wir müssen es erst einmal umsetzen."

Also Böden, vor allem Moore, nicht mehr entwässern, Speicherbecken in der Landschaft, möglichst Bodenbedeckung auf Ackerflächen, vor allem in den Monaten, in denen Starkregen zu erwarten ist. Dann helfen Schwammlandschaft nicht nur gegen Überschwemmungen, sondern auch gegen Dürre – also gegen die beiden extremen Folgen des Klimawandels.

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