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Debatte um Schuldenbremse

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Steigende Kosten: Alternativen zur Reform der Schuldenbremse

Steigende Kosten: Alternativen zur Reform der Schuldenbremse

Bundeswehr, Infrastruktur: Die neue Bundesregierung benötigt zig Milliarden, um den Investitionsstau in vielen Bereichen abzutragen. Steht die Schuldenbremse im Weg? Welche Möglichkeiten gibt es, ausreichend Geld zu mobilisieren?

Über dieses Thema berichtet: BR24 im Radio am .

Spätestens seit dem Eklat im Weißen Haus in der vergangenen Woche zwischen US-Präsident Donald Trump und dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj ist vielen klar geworden: Deutschland muss unabhängiger von den USA werden. Zur Unterstützung der Ukraine sowie zur militärischen Verteidigung müssen große Geldsummen mobilisiert werden. Doch woher soll das Geld kommen?

Schuldenbremse ohne Verteidigungskosten?

Deutschland muss schnell eine Lösung finden – so schnell, dass die sondierenden Parteien CDU, CSU und SPD noch vor der Regierungsbildung einen Beschluss fassen wollen. Eine Möglichkeit wäre eine Reform der im Grundgesetz verankerten Schuldenbremse. Zum Beispiel könnten Verteidigungsausgaben künftig generell von der Schuldenbremse ausgenommen werden.

Doch so eine Neuregelung gilt als aufwendig und kann vermutlich nicht in kurzer Zeit umgesetzt werden. Zudem braucht es dafür eine Zweidrittelmehrheit im Parlament. Im bisherigen Bundestag haben Union, SPD und zum Beispiel die Grünen eine solche Mehrheit. Im neu gewählten Bundestag, der Ende März zu seiner ersten Sitzung zusammenkommt, gibt es diese Mehrheit so nicht mehr.

Welche Alternativen zur Schuldenbremse gibt es?

Eine Alternative, die in diesen Tagen diskutiert wird, ist ein neues "Sondervermögen" für die Bundeswehr. Der Begriff "Vermögen" ist irreführend, handelt es sich doch schlicht und einfach um Schulden, die neu aufgenommen werden. Vor drei Jahren wurde kurz nach dem russischen Angriff auf die Ukraine so ein Schuldentopf im Bundestag verabschiedet. Er umfasst 100 Milliarden Euro und sollte bis 2028 reichen. Doch aufgrund der veränderten Weltlage scheint das nicht zu genügen. So könnte das bestehende "Sondervermögen" aufgestockt oder ein neues angelegt werden. Für Clemens Fuest, Präsident des Instituts für Wirtschaftsforschung (ifo), ist das der sinnvollste Weg, um schnell an Geld zu kommen. Im BR24-Interview spricht er auch von einem wichtigen Signal an die Rüstungsindustrie: "Wir wollen ja, dass die Verteidigungsindustrie Kapazitäten schafft. Mit so einem Sondervermögen kann man glaubwürdig machen, dass man zum Beispiel über zehn Jahre lang stetig Rüstungsgüter kauft."

Eine Gruppe von Wirtschaftsexperten hatte vorgeschlagen, so ein "Sondervermögen" in Höhe von 400 Milliarden auf den Weg zu bringen. Aber auch in diesem Fall braucht es eine Grundgesetzänderung und in der Folge eine Zweidrittelmehrheit im Bundestag.

Sogar von einem zweiten "Sondervermögen" für Infrastrukturmaßnahmen war zuletzt die Rede – um beispielsweise Brücken und Straßen sanieren und wichtige Bahnstrecken erneuern zu können. Ökonomen schätzen den Bedarf auf 400 bis 500 Milliarden Euro.

Goldreserven verkaufen?

Weitere Alternativen sind derzeit nicht in der politischen Debatte, wären aber trotzdem denkbar: zum Beispiel der Verkauf eines Teils der Goldreserven des Bundes. Dazu sagte der Ökonom Friedrich Heinemann vom Leibnitz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung in der Wirtschaftswoche (externer Link, möglicherweise Bezahl-Inhalt): Ein Goldverkauf sei "keine völlig absurde Idee, wenn sich die geopolitische Sicherheitslage für Deutschland verschärfen sollte und wir schnell Geld brauchen". Immerhin ist der Goldpreis derzeit hoch und Deutschland soll nach den USA den höchsten Bestand haben. Heinemann betont aber gegenüber BR24: "Das ist kein Königsweg zur Budgetsanierung." Ifo-Chef Fuest sagt dazu: "Das ist Vermögen der Deutschen Bundesbank." Dieses Vermögen bringt Zinsen und beschert dem Staat in der Regel Gewinn. Er rät von einem Goldverkauf ab.

Steuern erhöhen?

Auch über höhere Steuern zum Beispiel für Reiche könnten zusätzliche Milliarden in die Staatskasse fließen. SPD, Grüne, Linke und BSW forderten im Wahlkampf eine Vermögenssteuer. Zwischen den Parteien gibt es jedoch unterschiedliche Vorstellungen über die Verwendung solcher Mittel. Ifo-Präsident Fuest sieht in einer Vermögenssteuer keine Lösung: "Da werden die Investoren Reißaus nehmen." In der Folge würde das Wirtschaftswachstum einbrechen und "am Ende hätten wir noch weniger Geld", erklärt der Experte im BR24-Interview.

Sozialausgaben reduzieren?

Eine weitere Möglichkeit: mehr Sparen – beispielsweise an Sozialausgaben und durch den Abbau von Bürokratie. Wirtschaftsvertreter sprechen von dringend benötigten Reformen, die dauerhaft mehr finanziellen Spielraum schaffen würden. Ifo-Chef Fuest sieht das ähnlich und fordert, mehr zu priorisieren. Sein Vorschlag: "Eine Umschichtung von Staatsausgaben in Richtung Verteidigung."

Dabei handelt es sich aber um langfristige Maßnahmen. Und wie viel Geld dadurch eingespart werden könnte, ist nicht ganz klar. Klar ist aber: Die SPD wird einen Abbau von Sozialausgaben nicht mittragen, wie die Parteispitze schon mehrfach unterstrich.

So scheint es am Ende doch auf ein "Sondervermögen" oder die Reform der Schuldenbremse hinauszulaufen. Aber vielleicht ist es gar kein entweder oder. Vielmehr könnten beide Maßnahmen nötig werden: ein "Sondervermögen", um kurzfristig eine hohe Summe für steigende Verteidigungskosten zu mobilisieren und eine Änderung der Schuldenregel, um dauerhaft mehr finanzielle Flexibilität zu schaffen.

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