Aufbau für den Grünenparteitag im Rhein-Main-Congress-Centrum
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Vor Bundesdelegiertenkonferenz von Bündnis 90/Die Grünen

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Streit um Asyl – Wie die Grünen unter Druck geraten

Streit um Asyl – Wie die Grünen unter Druck geraten

Auf dem Bundesparteitag der Grünen geht es auch um den Kurs der Partei in der Asylpolitik. Schon beim letzten Parteitag hatte das Thema für Streit gesorgt. Die Grünen üben den Spagat zwischen Willkommenskultur und Abschiebung.

Über dieses Thema berichtet: BR24 am .

Die Grünen stehen beim Thema Asyl traditionell für eine Willkommenskultur. Vor allem junge Grüne wenden sich gegen die bisherige Linie der Parteispitze, Verschärfungen im Asylrecht mitzutragen. Die sieht sich wiederum unter Druck von Seiten der Kommunen und Bundesländer. Für Irene Mihalic, die parlamentarische Geschäftsführerin der grünen Bundestagsfraktion, gehört es zur täglichen Arbeit, unterschiedliche Strömungen in ihrer Partei unter einen Hut zu bekommen. "Wir sollten darauf achten, wie wir die Debatte führen", mahnt Mihalic.

Das Thema Asyl hat für Mihalic auch einen persönlichen Bezug. Als Anfang der 1990er Jahre in Deutschland erbittert über Asyl gestritten wurde, entschied sie sich mit 17, Polizistin zu werden. Damals griffen Neonazis Asylbewerberunterkünfte an, verübten Pogrome wie im August 1992 in Rostock-Lichtenhagen. "Das hat mir nochmal den Schub gegeben, zu sagen, ja, ich will Polizistin werden. Es gibt Menschen, die Schutz brauchen, und ich wollte dazu beitragen."

Auf den richtigen Ton kommt es an

Anfang der 90er Jahre wurde rund um das Thema Asyl eine der schärfsten Debatten in der Geschichte der Bundesrepublik geführt. Spitzenpolitiker der Union sprachen damals von "Asylmissbrauch" und "Scheinasylanten". Am Ende wurde das Grundrecht auf Asyl deutlich eingeschränkt. Bündnis 90/Die Grünen stimmten damals gegen den sogenannten Asylkompromiss. Die Debatte erinnert Irene Mihalic an heute.  Wieder werde erbittert über eine Begrenzung der Asyl-Migration gestritten. Und da merke man als Politikerin, als Politiker, wie sich der Ton der Debatte gesellschaftlich auswirken könne – im Positiven wie Negativen.

Zerreißprobe für die Grünen

Längst droht das Thema Asyl auch die Grünen innerlich zu zerreißen. Die Grünen im Europaparlament stimmten gegen die EU-Reform zum Aufbau eines gemeinsamen europäischen Asylsystems. Die Reform bedeutet, dass auch Familien mit Kindern an den europäischen Außengrenzen interniert werden können. Das ist einer der Gründe, warum die Grünen auf EU-Ebene dagegen votierten. Die Parteispitze der Grünen in Deutschland trug die umstrittene Reform dagegen mit. Sie stand als Teil der inzwischen zerbrochenen Ampelregierung unter Druck.  

Druck kommt aus den Ländern

Druck kam aber auch aus Kommunen und Ländern, in denen die Grünen mitregieren. Der grüne Ministerpräsident Winfried Kretschmann startete im September mit zwei CDU-Ministerpräsidenten eine Bundesratsinitiative mit dem Ziel, die Asylzuwanderung zu begrenzen: "Ich bin sehr froh, dass wir über die Partei- und Landesgrenzen hinweg sehr schnell eine gemeinsame Position gefunden haben. Eine gemeinsame Position, die die Probleme klar benennt und pragmatische Lösungen aufzeigt, um die Sicherheit zu erhöhen und irreguläre Migration zu begrenzen." 

Druck kommt auch aus den Kommunen

Entlastung fordern auch grüne Kommunalpolitiker. Der erste grüne Landrat in Bayern, Jens Marco Scherf, sorgte schon 2022 mit einem Brandbrief bundesweit für Aufsehen und forderte eine flüchtlingspolitische Wende sowie die Entlastung der Kommunen. Irene Mihalic, die einst als Abgeordnete im Stadtrat von Gelsenkirchen saß, hat dafür Verständnis: "Es sind sehr viele Menschen nach Deutschland gekommen und das stellt uns natürlich vor Herausforderungen. Und es können nicht alle bleiben. Das ist ja etwas, was ja auch die Rechtslage hergibt", sagt Mihalic im BR-Podcast "Die Entscheidung" und betont: "Also nicht jeder, der bei uns Schutz sucht, kann diesen Schutz auch bekommen oder hat einen Schutzanspruch, da müssen wir differenzieren und wir müssen auch die wieder zurück in ihre Heimatländer schicken, die nicht bei uns hierbleiben können."

Die rote Linie der grünen Parteispitze

Die Grünen zwischen Willkommenskultur und Abschiebung, das wird auch Thema beim anstehenden Parteitag sein. Denn für die Partei stellt sich auch die Frage, wie es nach der vorgezogenen Neuwahl für sie weitergeht. Und möglicherweise mit wem. Aus der Union, die Chancen hat, die nächste Bundesregierung anzuführen, kommt die Forderung, das individuelle Grundrecht auf Asyl abzuschaffen und das Grundgesetz zu ändern. Eine Forderung, die juristisch höchst umstritten ist und auch in den 90er Jahren schon diskutiert wurde.

Für die parlamentarische Geschäftsführerin der grünen Bundestagsfraktion, Irene Mihalic, ist genau da die rote Linie: "Es hat alles seine Grenze. Und die Grenze ist halt eben bei der Einschränkung von Grund- und Menschenrechten und auch bei der Einschränkung des individuellen Grundrechts auf Asyl, weil wir eben auch aus der Debatte der 90er gelernt haben, dass es am Ende kein Problem löst, wenn sie dieses Grundrecht abschleifen." 

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Irene Mihalic, parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen-Bundestagsfraktion

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