Potsdam im November: In einer Villa treffen sich radikal rechte Kreise mit Extremisten und AfD-Funktionären, sowie Vertretern der Werteunion. Initiator des Treffens ist der Taktgeber der rechtsextremen Identitären Bewegung, der Österreicher Martin Sellner. Wie das Recherchenetzwerk "correctiv" berichet, stellt er dort Konzeptideen zur "Remigration" vor. Der Plan: Millionen Menschen mit Migrationshintergrund aus Deutschland ausweisen – auch wenn sie einen deutschen Pass haben.
Den Begriff "Remigration" verwenden auch AfD-Politiker. Der Verfassungsschutz bezeichnet das Schlagwort als "ausländer- und islamfeindlich". Unter dem Begriff verstehen Fachleute die Rückkehr von Menschen, die geflohen oder eingewandert sind, in ihre Herkunftsländer. Sellner schrieb der dpa in einer E-Mail, sein Vorschlag umfasse "nicht nur Abschiebungen, sondern auch Hilfe vor Ort, Leitkultur und Assimilationsdruck". Er habe eine "Musterstadt" vorgeschlagen, "die als Sonderwirtschaftszone in Nordafrika gepachtet und organisiert werden könnte".
Bundeskanzler Scholz: "Wir schützen alle"
Politikerinnen und Politiker aller Parteien äußern sich besorgt und entsetzt über das Treffen und die dort vorgestellten Pläne. Allen voran Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), der mit deutlicher Kritik reagiert. "Wer sich gegen unsere freiheitliche demokratische Grundordnung richtet, ist ein Fall für unseren Verfassungsschutz und die Justiz", schrieb er bei X (früher Twitter). Aus der Geschichte zu lernen, sei kein bloßes Lippenbekenntnis, betonte der Kanzler. "Demokratinnen und Demokraten müssen zusammenstehen", schrieb er weiter. "Wir lassen nicht zu, dass jemand das 'Wir' in unserem Land danach unterscheidet, ob jemand eine Einwanderungsgeschichte hat oder nicht", so Scholz: "Wir schützen alle – unabhängig von Herkunft, Hautfarbe oder wie unbequem jemand für Fanatiker mit Assimilationsfantasien ist." Der FDP-Fraktionsvorsitzende Christian Dürr sieht Parallelen zum Nationalsozialismus. "Die Pläne zur Vertreibung von Millionen Menschen erinnern an das dunkelste Kapitel deutscher Geschichte", schrieb er auf der Internet-Plattform X.
AfD distanziert sich offiziell von Treffen
Die AfD versucht auf Abstand zu gehen. Ein Sprecher der Bundespartei betonte, es habe sich nicht um ein Parteitreffen gehandelt. Brisant ist jedoch, dass auch ein enger Berater von Partei- und Fraktionschefin Alice Weidel bei dem Treffen dabei war. Das bestätigt ein Sprecher Weidels. Nach seinen Worten hat die Partei- und Fraktionschefin aber nicht gewusst, wer an dem Treffen alles teilnimmt.
Debatte um AfD-Verbot
Innenministerin Nancy Faeser (SPD) warnte nach dem Bericht von "correctiv" vor der Vernetzung der AfD-Mitglieder. Es sei notwendig und richtig, dass der Verfassungsschutz sehr genau beobachte, welche Kontakte es im rechtsextremistischen Spektrum gebe, sagte sie dem "Stern".
Der frühere Bundestagspräsident Wolfgang Thierse (SPD) warb dafür, trotz aller Risiken ein Verbotsverfahren gegen die AfD zu prüfen. Wenn der Verfassungsschutz die AfD als eine in weiten Teilen rechtsextreme Partei definiere, "muss der Staat sie genauestens beobachten und ein mögliches Verbot prüfen". Zwar gab er zu bedenken: "Ein Parteiverbot hat hohe Hürden und jedes Verfahren dazu würde von der AfD propagandistisch ausgeschlachtet. Das Damoklesschwert eines Verbotes sollte aber über der AfD hängen bleiben."
Gefragt nach einem AfD-Verbotsverfahren zeigt sich der bayerische Verfassungsschutzpräsident Burkhard Körner skeptisch. In der Bayern 2-radioWelt sagte er: "Ein entsprechendes Verfahren hätte sehr, sehr hohe Hürden", und es "wäre verheerend, wenn ein solches Verfahren letztendlich nicht gewonnen werden könnte". Für Körner ersetzt so ein Verfahren auch nicht die politische Auseinandersetzung. "Denn wenn eine Partei aufgelöst ist, die Gedanken bleiben ja in den Köpfen." Deshalb forderte er die Mitte der Gesellschaft auf, "klarer und öffentlich Position gegen Extremismus" zu beziehen.
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Zu Gast bei Moderator Achim Bogdahn war heute der frühere Richter des Bundesverfassungsgerichts Prof. Peter M. Huber vom Lehrstuhl für Öffentliches Recht und Staatsphilosophie an der LMU München. Zugeschaltet war außerdem Björn Dake, Korrespondent im BR-Hauptstadtstudio in Berlin.
Bayern 2 und ARD alpha haben gefragt: Wie stehen Sie zu einem Verbot der AfD? Für Sie längst überfällig? Oder sehen Sie eher Gefahren in einem Verbotsverfahren?
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