Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat mit deutlicher Kritik auf ein geheimes Treffen von Rechtsextremen und AfD-Politikern im November reagiert. "Wer sich gegen unsere freiheitliche demokratische Grundordnung richtet, ist ein Fall für unseren Verfassungsschutz und die Justiz", schrieb Scholz bei X. Aus der Geschichte zu lernen, sei kein bloßes Lippenbekenntnis", betonte der Kanzler, "Demokratinnen und Demokraten müssen zusammenstehen", schrieb er weiter.
Bundeskanzler Scholz: "Wir schützen alle"
"Wir lassen nicht zu, dass jemand das 'Wir' in unserem Land danach unterscheidet, ob jemand eine Einwanderungsgeschichte hat oder nicht", so der Kanzler: "Wir schützen alle – unabhängig von Herkunft, Hautfarbe oder wie unbequem jemand für Fanatiker mit Assimilationsfantasien ist."
Diskussion über Ausweisungen und "Remigration"
Laut einem Bericht des Recherchenetzwerks Correctiv (externer Link, möglicherweise Bezahl-Inhalt) haben sich AfD-Vertreter und auch einige CDU-Politiker im November in einem Hotel nahe Potsdam mit Rechtsextremen und einigen Unternehmern getroffen, um Pläne für eine massenhafte Ausweisung und "Remigration" nach Afrika von Menschen mit Zuwanderungsgeschichte zu erörtern, auch wenn diese die deutsche Staatsbürgerschaft besitzen. Zu dem Termin hatten demnach der Unternehmer Hans-Christian Limmer sowie der Rechtsextremist Gernot Mörig eingeladen.
Zentraler Programmpunkt des Treffens soll ein Vortrag des österreichischen Rechtsextremisten Martin Sellner gewesen sein, der seine Ideen dazu vorstellte, wie mehr Ausländer Deutschland verlassen und wie Menschen mit Einwanderungsgeschichte zur Assimilation gedrängt werden könnten. Sellner schrieb der dpa, seine Vorschläge umfassten "nicht nur Abschiebungen, sondern auch Hilfe vor Ort, Leitkultur und Assimilationsdruck". Er habe eine "Musterstadt" vorgeschlagen, "die als Sonderwirtschaftszone in Nordafrika gepachtet und organisiert werden könnte".
Mehrere AfD-Funktionäre anwesend
An dem Potsdamer Treffen teilgenommen hatte von der AfD etwa Roland Hartwig, Berater von Partei- und Fraktionschefin Alice Weidel. Auch Sachsen-Anhalts AfD-Fraktionschef Ulrich Siegmund war dabei, wie er Correctiv bestätigte, sowie – nach eigenen Angaben erst später – der Potsdamer AfD-Kreisvorsitzende Tim Krause.
Die AfD erklärte dazu, dass es sich nicht um ein Parteitreffen gehandelt habe und sich nichts an den bekannten Positionen der Partei zur Einwanderungspolitik ändere, die dem Grundgesetz entsprächen.
Thierse wirbt für Verbot der AfD
Dennoch wurden nach Bekanntwerden der Correctiv-Recherchen neue Rufe nach einem Verbot der AfD laut. So warb der frühere Bundestagspräsident Wolfgang Thierse (SPD) dafür, trotz aller Risiken ein Verbotsverfahren gegen die AfD zu prüfen. "Die AfD organisiert sich mit Demokratiefeinden und Umstürzlern. Das ist hochdramatisch", sagte er dem Berliner, "Tagesspiegel". Wenn der Verfassungsschutz die AfD als eine in weiten Teilen rechtsextreme Partei definiere, "muss der Staat sie genauestens beobachten und ein mögliches Verbot prüfen".
Thierse gab zwar zu bedenken, dass es für ein Parteiverbot "hohe Hürden" gebe und dass die AfD jedes Verfahren dazu "propagandistisch ausschlachten" werde, demnach müsse "das Damoklesschwert eines Verbotes" aber "über der AfD hängen bleiben".
Faeser: Nicht durch "bürgerliches Antlitz" täuschen lassen
Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) warnte vor einer Vernetzung der AfD mit Rechtsextremisten: "Wir sehen auch jetzt wieder, dass es notwendig und richtig ist, dass der Verfassungsschutz sehr genau beobachtet, welche Kontakte es im rechtsextremistischen Spektrum gibt, wie sich Verfassungsfeinde mit AfD-Vertretern vernetzen und welche menschenverachtenden Ideologien dort propagiert werden", sagte Faeser dem "Stern". Niemand solle "diese Gefahr unterschätzen."
Deutschland sei eine "wehrhafte Demokratie", die es nicht hinnehme, dass Rechtsextremisten rassistische Ausgrenzungspläne schmiedeten, so Faeser. Gefährlich seien nicht nur gewaltorientierte Rechtsextremisten, sondern auch geistige Brandstifter, die den Boden für Gewalt bereiteten: "Ein vermeintlich bürgerliches Antlitz sollte keinesfalls darüber hinwegtäuschen, dass sich diese Extremisten mit ihrer völkischen Ideologie elementar gegen die Menschenwürde jedes Einzelnen richten – und damit gegen das Fundament unserer Demokratie."
SPD-Landtagsabgeordnete fordert Konsens für AfD-Verbot
Anna Rasehorn, Mitglied des Bayerischen Landtags und Sprecherin der SPD-Landtagsfraktion gegen Rechtsextremismus, erklärte, die Recherchen zeigten, dass "das nationalsozialistische und rassistische Gedankengut" tief in der AfD verwurzelt sei und zeigten wieder einmal auf, "wie rechtsextrem diese Partei wirklich ist. Die AfD dient der rechten Szene als parlamentarische Stimme".
Die Rechte gebe sich durch gewählte Abgeordnete einen "bürgerlichen Anstrich. Davon dürfen wir uns nicht täuschen lassen", so Rasehorn. Demokratische Parteien müssten "den Konsens finden, dass wir nur gemeinsam unsere Demokratie verteidigen und behaupten können, zum Beispiel über gemeinsame Anstrengungen zur Durchsetzung eines AfD-Verbotes".
Kühnert: Geschichte soll sich nicht wiederholen
SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert und Grünen-Fraktionschefin Britta Haßelmann riefen Bürgerinnen und Bürger zum Engagement gegen die AfD auf. "An alle gerichtet, die nicht wollen, dass sich Geschichte wiederholt, appelliere ich: Bekennen Sie Farbe, und überlassen Sie das Feld nicht den Menschenfeinden", sagte Kühnert den Zeitungen der Funke-Mediengruppe.
Haßelmann mahnte auf X: "Unsere Demokratie, unsere Freiheit, unser Grundgesetz und die Errungenschaften unserer vielfältigen Gesellschaft müssen wir verteidigen gegen die Feinde der Demokratie. Das ist hoffentlich spätestens jetzt vielen Menschen klar."
FDP: Pläne erinnern an den Nationalsozialismus
Der FDP-Fraktionsvorsitzende Christian Dürr zog Parallelen zwischen dem Potsdamer Treffen und dem Nationalsozialismus. "Die Pläne zur Vertreibung von Millionen Menschen erinnern an das dunkelste Kapitel deutscher Geschichte", schrieb er auf X. Die Correctiv-Recherchen zeigten, "dass die AfD die Demokratie und unsere freiheitliche Grundordnung zutiefst ablehnt".
Söder : Verbotsverfahren würde AfD nur stärken
CSU-Chef Markus Söder verurteilte die in Potsdam diskutierten Remigrations-Vorhaben als "Deportationspläne übelster Form": "Das erinnert wirklich als Vorstufe an das Düsterste, was man sich überhaupt noch vorstellen kann und das Ekligste", sagte Söder dem Deutschlandfunk. Die AfD müsse deshalb politisch bekämpft werden. Dazu gehöre, klar zu benennen, dass deren Ziel nichts anderes sei als eine Art Machtübernahme durch den russischen Präsidenten Wladimir Putin in Deutschland: "Und das müssen wir viel tiefer und härter und klarer auch erklären, was das bedeutet."
Zu einem Verbotsverfahren äußerte sich Söder hingegen sehr skeptisch: "Ich glaube, dass das Verbot einfach verfassungsrechtlich extreme Hürden hat. Und ein solches Verbot anzustreben, führt zu einem ziemlich sicheren Scheitern wohl." Damit würde man der AfD einen Freibrief geben und sie derart stärken, dass sie "wahrscheinlich in demokratischen Wahlen kaum mehr zu stoppen" sei.
CDU-Mitglied: Privates Treffen muss möglich sein
Indes distanzierte sich die CDU in Nordrhein-Westfalen von zwei Parteimitgliedern, die auch der "Werteunion" angehören und an dem Treffen teilgenommen haben sollen. Man prüfe nun den Sachverhalt, hieß es. Grundsätzlich gelte: Wer an solchen Treffen teilnehme, verstoße gegen die Grundsätze der CDU, teilte ein Sprecher dem RBB mit.
Der Jurist Ulrich Vosgerau, der der CDU angehört und an dem Potsdamer Treffen teilnahm, betonte, er pflege normalerweise keine Kontakte zu Rechtsextremisten. Es müsse aber "möglich sein, in einem privaten Kreis auch mit Menschen einmal zu sprechen, die im Verfassungsschutzbericht auftauchen". Mit dem privaten Treffen sei keine öffentliche Ausstrahlung beabsichtigt gewesen. Er selbst habe die Einladung von einem Mandanten bekommen und einen "Vortrag über das verfassungsrechtliche Problem der Briefwahl" gehalten.
Mit Informationen von Reuters und AFP
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